Politik

Corona-Maßnahmen: In Sachsen gibt es einen Untersuchungsausschuss - „Corona-Brandmauer“ endlich durchbrochen?

Was bundesweit nicht gewollt ist, scheint in Sachsen möglich: Die Corona-Politik soll aufgearbeitet werden. BSW und AfD stimmen gemeinsam für einen Corona-Untersuchungsausschuss. Die SPD unterbrach daraufhin die Sondierungsgespräche, ist aber bereit für eine Fortsetzung. Ohne das BSW gibt es keine Regierungsbeteiligung. Zerplatzt die Brombeer-Koalition an der Corona-Aufarbeitung?
29.11.2024 14:44
Lesezeit: 4 min
Corona-Maßnahmen: In Sachsen gibt es einen Untersuchungsausschuss - „Corona-Brandmauer“ endlich durchbrochen?
Abgeordnete von BSW und die Fraktion der AfD stimmen während der Sitzung des Sächsischen Landtages gemeinsam für einen Corona-Untersuchungsausschuss. (Foto: dpa) Foto: Robert Michael

Im Mai 2023 wurde die Corona-Pandemie für beendet erklärt. Jetzt beginnt in Sachsen die erste politische Aufarbeitung: Die AfD hat am Freitag einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag durchgesetzt. Auch Abgeordnete des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) haben für den Untersuchungsausschuss der AfD gestimmt.

Corona-U-Ausschuss: SPD unterbricht Sondierungsgespräche

Im Landtag in Sachsen hat die SPD die Sondierungsgespräche mit dem BSW und der CDU in Sachsen unterbrochen. Auslöser sei, dass Abgeordnete des Bündnisses Sahra Wagenknecht zuvor für einen Antrag der AfD zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Corona-Pandemie gestimmt hatten, sagte ein Sprecher der SPD-Fraktion in Dresden.

Die BSW-Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann im Sächsischen Landtag erklärt dazu: „Die Unterbrechung der Sondierungsverhandlungen durch die SPD sei verantwortungslos. Damit schadet die SPD dem Land. Wir fordern die Sozialdemokraten auf, schleunigst an den Verhandlungstisch zurückzukehren – zumal es nicht den geringsten Grund für eine Unterbrechung gibt.“

Ein Dreier-Bündnis mit CDU und BSW ist für die SPD die einzige Chance für die mit nur noch 7,3 Prozent bei der Landtagswahl abgestraften sächsischen Sozialdemokraten, an einer künftigen Regierung beteiligt zu sein. Das BSW hatte aus dem Stand 11,8 Prozent erreicht.

BSW ignoriert „Brandmauer“ gegen AfD

Das BSW in Sachsen verhalf der AfD zu einem Erfolg: Gemeinsam stimmten sie im Landtag für einen Untersuchungsausschuss für die Corona-Maßnahmen während der Pandemie. Interessant: Die Stimmen des BSW wären dafür nicht nötig gewesen. Da es bei einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss um ein Minderheitenrecht handelt, hätten der AfD 24 Stimmen gereicht. Die AfD verfügt über 40 der insgesamt 120 Sitze im Landtag.

Das BSW hatte bereits zuvor angekündigt, dass man dem AfD-Antrag zustimmen werde. Die Landesvorsitzende Sabine Zimmermann nannte für diese Entscheidung formale Gründe. „Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil es hier auch um den Respekt vor dem Minderheitenrecht geht“, sagte sie. Dazu gehört, jetzt nach der Wahl das zu tun, was man schon vor der Wahl gesagt hatte: nämlich die „Brandmauer“ zur AfD zu ignorieren.

Sahra Wagenknecht hatte dieses „Verbot“ jedweder Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland immer wieder als untauglich kritisiert und für gescheitert erklärt. Die Aufarbeitung der Corona-Politik ist ein zentrales Thema und Wahlversprechen des BSW. „In der Corona-Zeit gab es einen extremen Konformitätsdruck“, sagte die heutige Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht der Berliner Zeitung vergangenes Jahr, „eine übergriffige Politik in einer Dimension, die ich mir nach 1989 nicht mehr hätte vorstellen können.“

BSW stellte zuvor eigenen Antrag

Zuvor erhielt ein vom BSW ebenfalls gestellter eigener Antrag für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der Maßnahmen der Landesregierung bei der Bewältigung der Pandemie nicht die nötige Stimmenzahl.

Am Freitag wollte sich ursprünglich eine Arbeitsgruppe der drei Sondierungspartner treffen. Dazu kam es dann aber nicht. Der SPD-Sprecher sagte, die Fraktion habe das Abstimmungsverhalten zunächst intern besprochen.

CDU und SPD, mit denen das BSW in Sachsen derzeit eine mögliche Regierungskoalition sondiert, wollen zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie einen anderen Weg gehen. Sie stellten letzte Woche einen Antrag für eine Enquete-Kommission, die den Blick nach vorn richten und Lehren für künftige Pandemien ziehen soll. Über diesen Antrag stimmt der Landtag erst zu einem späteren Zeitpunkt ab. Allerdings hat eine Enquete-Kommission weniger weitreichende Befugnisse als ein Untersuchungsausschuss. Sie hat auch kein Recht auf Akteneinsicht.

Untersuchungsausschuss soll Fehler offenlegen

Der Corona-Untersuchungsausschuss, den BSW und AfD gemeinsam beschlossen haben, betrifft maßgeblich Gesundheitsministerin Petra Köpping, die als SPD-Spitzenkandidatin bisher im Landtagswahlkampf erfolglos war.

Der U-Ausschuss solle „die Fehler schonungslos offenlegen, die Herr Kretschmer, Frau Köpping und andere sächsische Entscheidungsträger gemacht haben“, legte Sachsens AfD-Vorsitzender Jörg Urban die Marschrichtung fest – und dankte dem BSW für die Unterstützung, durch die das für einen U-Ausschuss nötige Quorum erreicht wurde.

CDU, BSW, SPD: Sondierungsgespräche werden fortgesetzt

Die Spitzen von CDU, BSW und SPD haben sich zu einem „klärenden Gespräch“ und zu einer Fortsetzung verabredet. Dazu Henning Homann, SPD-Vorsitzender Sachsen: „Das BSW ist eine neue Partei. Aber trotzdem wissen sie genau, was sie tun. Und deshalb ist es wichtig, dass wir uns noch mal hinsetzen und das miteinander klären. Davon machen wir abhängig, wie es weitergeht.“

Das Abstimmungsverhalten im Plenum sowie Missverständnisse im Umgang miteinander wurden dabei angesprochen und ausgeräumt, teilte die Parteien in einer gemeinsamen Erklärung heute mit. Die Sondierungen werden fortgesetzt und die Ergebnisse durch benannte Experten bis 7. November vorgelegt.

Nebenwirkungen nach den Corona-Impfungen

Mehr als jeder sechste Deutsche hat im Zusammenhang mit einer Corona-Impfung Nebenwirkungen erlebt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ).

Demnach antworteten 19 Prozent der Geimpften auf die Frage, ob sie die Corona-Impfungen „alles in allem gut vertragen“ hätten, mit „Nein“. Zehn Prozent gaben an, keine Impfung erhalten zu haben. Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) hatten nach eigenen Angaben keine Nebenwirkungen.

Der Erhebung zufolge halten 58 Prozent der Deutschen einen Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Corona-Aufarbeitung für verzichtbar. Doch 40 Prozent halten eine Aufarbeitung für „erforderlich“ sei.

Als schwere Nebenwirkungen gelten Symptome, die Wochen oder Monate andauern und medizinische Behandlung erfordern. Beispiele sind Muskel- und Gelenkschmerzen, Herzmuskelentzündungen, überschießende Reaktionen des Immunsystems und neurologische Störungen, also Beeinträchtigungen des Nervensystems.

Wichtig: Wer glaubt, einen Impfschaden erlitten zu haben und den Klageweg beschreiten will, muss sich beeilen. Gesetzlich ist geregelt, dass Ansprüche auf Schadensersatz bereits Ende 2024 verjähren.

Für die repräsentative Erhebung wurden am 7. und 8. Oktober insgesamt 1.002 Personen befragt.

Übrigens: Als erstes europäisches Land hat die slowakische Regierung unter Premier Robert Fico eine umfassende Untersuchung der Corona-Pandemie angekündigt. Fico selbst gilt als Impfgegner. Mit der Ernennung Peter Kotlárs zum Aufarbeitungs-Beauftragten ist die Richtung vorgegeben. Der neue Pandemie-Beauftragte hat sich bereits mit der Weltgesundheitsorganisation überworfen. Es scheint, auch die „Brandmauer“ gegen die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen wie Maskenzwang, Lockdown und Impfpflicht bröckelt – nicht nur in Deutschland.

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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