Der zunehmende Energiebedarf durch Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung führt womöglich zu einer Renaissance der Atomkraft. Immer mehr Unternehmen suchen nach zuverlässigen Energiequellen, die CO₂-frei sind und eine stabile Versorgung gewährleisten. Ein Beispiel dafür ist Microsoft.
Warum Microsoft und Co. auf Atomkraft setzen
Der Technologiekonzern ist kürzlich eine Kooperation mit dem Energieunternehmen Constellation Energy eingegangen, um ein stillgelegtes Atomkraftwerk auf Three Mile Island in Pennsylvania zu reaktivieren. Microsoft plant, die gesamte Kapazität von 835 Megawatt für seine Rechenzentren in mehreren Regionen zu nutzen, darunter Pennsylvania, Chicago, Virginia und Ohio.
Dass Microsoft kein Einzelfall ist, sondern die Kernenergie in der Mitte der Wirtschaft angekommen zu sein scheint, zeigt auch Google. Im Oktober 2024 unterzeichnete der Suchmaschinenbetreiber eine Vereinbarung mit Kairos Power zur Entwicklung mehrerer kleiner modularer Reaktoren (SMR) in den USA. Die Reaktoren sollen die Rechenzentren von Google ab 2030 mit Atomstrom versorgen. „Die steigende Nutzung von KI und der damit verbundene Strombedarf verstärken den Druck auf eine stabile, saubere Energieversorgung“, sagt Jonathan Waghorn, Portfoliomanager bei Guinness Global Investors (GGI).
Small Modular Reactors: Kleine Reaktoren, große Möglichkeiten
Ein wesentlicher Bestandteil dieses Comebacks sind sogenannte Small Modular Reactors (SMRs), die aufgrund ihrer kompakten Bauweise und standardisierten Produktion als vielversprechend gelten. „SMRs bieten die Möglichkeit, Reaktoren modular zu errichten, was die Kosten senkt und die Inbetriebnahme beschleunigt“, erklärt Waghorn. Länder wie Polen, Großbritannien und Frankreich investieren bereits aktiv in SMRs, um sowohl ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen als auch ihre Energiesicherheit zu erhöhen. Experten wie Waghorn sehen in SMRs eine Technologie, die nicht nur Regionen bedienen kann, die keine Großkraftwerke benötigen, sondern auch bestehende Netze stabilisieren kann.
Steigende Nachfrage nach Uran: Ein Blick auf die Produktion
Laut der Schweizer Großbank UBS könnte die Nachfrage nach Atomstrom bis 2030 jährlich um 2,1 bis 3 Prozent steigen. Dies würde eine deutliche Ausweitung der Uranproduktion erfordern. Laut UBS liegt die jährliche Nachfrage bereits heute bei über 62'000 Tonnen, während die weltweite Uranproduktion diese Menge kaum decken kann.
UBS schätzt, dass ein Großteil der derzeit unerschlossenen Uranreserven in Kanada, Kasachstan und Australien lagert, was Investitionen in diese Regionen attraktiv macht. Diese Großbank ist einer der führenden globalen Finanzdienstleister und bekannt für ihre fundierten Marktanalysen, die oft als Grundlage für Investmententscheidungen herangezogen werden. Laut UBS seien steigende Uranpreise und Investitionen in Förderunternehmen unvermeidlich, wenn die Welt ihre Atomenergieziele erreichen wolle.
Investieren in Uran: ETFs für das nukleare Comeback
Für Anleger, die in den wachsenden Markt der Atomkraft investieren möchten, gibt es spezialisierte ETFs, die einen breiten Zugang zu Uranförderern und Unternehmen entlang der Lieferkette bieten. Diese Fonds bündeln die vielversprechendsten Player der Branche und ermöglichen so eine diversifizierte Anlagestrategie. Wir haben zwei Branchen-ETFs näher beleuchtet.
Sprott Uranium Miners ETF (ISIN: US85210B1026)
Der Sprott Uranium Miners ETF gehört zu den bekanntesten und liquidesten Uran-ETFs auf dem Markt. Mit einem Fondsvolumen von etwa 1,58 Milliarden US-Dollar (Stand: Oktober 2024) bietet der im Jahr 2019 aufgelegte ETF Privatanlegern Zugang zu Unternehmen, die sich auf die Exploration, Förderung und Verarbeitung von Uran konzentrieren. Zu den größten Positionen zählen die kanadische Cameco Corporation, Kazatomprom aus Kasachstan und NexGen Energy.
Das Fondsmanagement des Sprott Uranium Miners ETF zielt darauf ab, die Wertentwicklung des North Shore Global Uranium Mining Index nachzubilden. Mit einer Gesamtkostenquote (TER) von 0,85 Prozent ist der Sprott Uranium Miners ETF etwas höher bepreist, bietet aber eine starke Gewichtung in Unternehmen, die von der steigenden Uran-Nachfrage profitieren.
Global X Uranium ETF (ISIN: US37954Y8710)
Ein weiterer ETF im Segment ist der Global X Uranium ETF, der vom US-Anbieter Global X im Jahr 2010 aufgelegt wurde und zu den größten Uran-ETFs weltweit zählt. Das Management des Fonds investiert in Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Urans, einschließlich Förderunternehmen, Lieferanten und Technologieentwicklern.
Zu den Top-Holdings gehören die Cameco Corporation, der US-amerikanische Uranbergbau- und Explorationskonzern Uranium Energy Corp, Paladin Energy aus Australien sowie Kazatomprom. Mit einem Fondsvolumen von über 3,36 Milliarden US-Dollar und einer TER von 0,69 Prozent hat sich der ETF als verlässliche Wahl für Anleger etabliert, die von der langfristigen Entwicklung der Kernenergie profitieren möchten.
Die weltweit größten Uranproduzenten: Cameco und Kazatomprom
Bei den Einzelaktien stehen vor allem Cameco und Kazatomprom im Fokus der Anleger. Cameco (ISIN CA13321L1085), der nach Zahlen zweitgrößte Uranförder- und Verarbeitungskonzern der Welt, verfügt über ein Leistungsportfolio, das die gesamte Wertschöpfungskette vom Abbau bis zur Verarbeitung abdeckt. Das Unternehmen betreibt bedeutende Uranminen in Kanada, darunter die Minen McArthur River und Cigar Lake. Zudem ist der Konzern an Projekten in den USA sowie am Joint Venture Inkai in Kasachstan beteiligt. Im Jahr 2022 förderte Cameco rund 10.400 Tonnen Uran. Mit einem Umsatz von 2,59 Milliarden kanadischen Dollar (umgerechnet 1,89 Milliarden US-Dollar) im Jahr 2022 konnte Cameco seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 38,5 Prozent steigern. CEO Tim Gitzel setzt dafür auf einen stabilen Cashflow und kontinuierliche Investitionen in neue Projekte, um den Konzern strategisch auf die steigende Urannachfrage auszurichten.
Im Gegensatz zu Cameco konzentriert sich Kazatomprom (ISIN US63253R2013) ganz auf Kasachstan. Als weltweiter Branchenführer mit einem Marktanteil von 23 Prozent erzielte Kazatomprom 2023 einen Umsatz zwischen 1,27 und 1,31 Billionen Kasachsische Tenge (umgerechnet etwa 2,75 Milliarden US-Dollar) aus dem Uranverkauf. Das Unternehmen optimierte seine Kostenstruktur und ging strategische Allianzen ein, darunter das bereits erwähnte Joint Venture Inkai mit Cameco. Für 2024 peilt Kazatomprom eine Produktion von etwa 22.500 bis 23.000 Tonnen Uran an.
Staatliche Unterstützung als Katalysator
Während Konzerne wie Cameco und Kazatomprom ihre Marktposition durch Investitionen und strategische Allianzen stärken, setzen Regierungen weltweit auf politische Initiativen, um die Kernenergie weiter voranzubringen. In Großbritannien und Frankreich gibt es vermehrt staatliche Programme zur Unterstützung von SMRs, während in den USA Subventionen zur Reaktivierung alter Kernkraftwerke zur Verfügung stehen. „Die politische Unterstützung spielt eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung und Realisierung von Nuklearprojekten“, erklärt Waghorn. Langfristig gesehen werden diese politischen Entscheidungen einen großen Einfluss auf den Markt für Atomkraft und die entsprechenden Aktien haben.
Ethische Bedenken und Umweltprobleme
Trotz der potentiellen Chancen im Uranmarkt sollten Anleger sich der spezifischen Risiken in diesem Sektor bewusst sein. Die Preisschwankungen von Uran, politische Entscheidungen zur Atomkraft und die regulatorischen Rahmenbedingungen sorgen per se für eine volatile Marktentwicklung. Ein weiterer Faktor ist die Herkunft des Urans, da viele bedeutende Vorkommen in Ländern mit autoritären Regimen liegen, wie etwa Kasachstan und Usbekistan. Auch die ökologische Nachhaltigkeit von Uran-Investments ist zweifelhaft, da abgebrannter Kernbrennstoff und Uranabfälle langfristig gelagert werden müssen.
„Das Interesse an Atomkraft nimmt wieder zu, da die Nachfrage nach stabilen, kohlenstofffreien Energiequellen steigt”, so Jonathan Waghorn von Guinness Global Investors. “Trotz der Chancen müssen wir jedoch realistisch bleiben: Nuklearprojekte sind nach wie vor mit hohen Kosten und erheblichen Verzögerungen verbunden, was ihre Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt.“