Wirtschaft

Streit um Mine in Serbien: Warum Europas größtes Lithiumvorkommen sabotiert wird

In Serbien soll die größte Lithiummine Europas sabotiert werden. Schon einmal musste das Projekt, das den Lithiumbedarf des Kontinents zu 90 Prozent decken könnte, gestoppt werden. Warum beabsichtigen zehntausende Serben gegen das Megaprojekt vorzugehen — und was haben Moskau und Berlin damit zu tun?
09.11.2024 11:02
Aktualisiert: 09.11.2024 13:32
Lesezeit: 3 min
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Streit um Mine in Serbien: Warum Europas größtes Lithiumvorkommen sabotiert wird
In der serbischen Mine könnten etwa 58.000 Tonnen Lithium gefördert werden, was Europa weitgehend von Exporten aus Australien oder China unabhängig machen würde. (Foto: dpa) Foto: Lucas Aguayo Araos

Es ist ein beeindruckender Anblick. Zehntausende Serben gehen in Belgrad auf die Straße, um gemeinsam zu demonstrieren. Links und Rechts, Reich und Arm versammeln sich zu wütenden Protesten gegen eine Lithiummine im serbischen Jadar-Tal im Westen des Landes. Die Vorwürfe sind schwerwiegend: Die Mine würde heimlich zum Abbau von Uran genutzt und das Grundwasser mit radioaktiven Abfall verseuchen. Säurehaltiger Regen könnte bald auf dem ganzen Land niedergehen, würde dem Projekt nicht ein Ende gesetzt werden.

Dabei handelt es sich um ein Prestigeprojekt, das dem Land einen Platz in der EU, Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung einbringen könnte. Denn in der riesigen Lithiummine des australischen Unternehmens Rio Tinto könnten 90 Prozent des von Europa nachgefragten Lithiums gefördert werden. Was ist also dran an den Vorwürfen, die das Projekt schon einmal zum Erliegen gebracht haben — und von welchen Großmächten werden sie befeuert?

Eine Mine zwischen Ost und West

In der serbischen Mine könnten rund 58.000 Tonnen Lithium gefördert werden — eine gigantische Menge, die Europa weitgehend unabhängig von Exporteuren wie Australien oder China machen würde. Es ist nicht verwunderlich, dass ein derart riesiges Projekt polarisiert. So bemühten sich Brüssel und insbesondere Berlin um eine schnelle Inbetriebnahme der Mine. Olaf Scholz reiste im Juli nach Belgrad und unterschrieb dort eine Absichtserklärung zum Abbau von Lithium in dem Land. Dabei erhielt er Rückendeckung von Konzernen wie Mercedes-Benz.

Kritisiert wird das Projekt sowohl von serbischen Anwohnern und Umweltschützern, als auch vom Kreml. So vermutet es jedenfalls das Global Engagement Center, eine dem US-Außenministerium untergeordnete Denkfabrik. So hieß es von einem Sprecher nach einer Auswertung der online kursierenden Meldungen über die Gefahren der Mine: „[Das Zentrum] hält es für sehr wahrscheinlich, dass der Kreml an der Verbreitung dieser Desinformation beteiligt war.“ Auch der US-Botschafter in Serbien, Christopher Hill, vermutet Russland hinter einer medialen Kampagne in nichtoffiziellen Kanälen wie Social Media. „Es ist klar, dass Russland die Möglichkeit genutzt hat, hier einen Keil zwischen Serbien und dem Westen zu treiben. Die Mine könnte das Land, welches lange in der Einflusssphäre Moskaus gestanden hat, in unmittelbare Nähe zum Westen rücken.

Bislang gilt Serbien als ausgesprochen russlandnah. Belgrad verhängte keine Sanktionen gegen Moskau nach dem Einmarsch in die Ukraine, das Land lässt sich mit russischem Gas beliefern und erlaubt Russen, sich hier visafrei zu bewegen. Unter Serbiens Präsident Aleksandar Vucic werden enge Kontakte zur EU und USA geknüpft. Erst umwarben Vertreter der serbischen Regierung westliche Vertreter zu großen Investitionen in den serbischen Energiesektor, was im Kreml als klarer Affront gewertet werden dürfte.

Serbien: Ein „Opfer“ für die Energiewende?

Doch auch ohne das Zutun des Kremls ist das Land hinsichtlich der Mine gespalten. Umweltorganisationen sehen in der erneuten Inbetriebnahme der Lithiummine die „Opferung“ Serbiens für die grüne Transition wohlhabender Länder in Westeuropa. Obwohl Rio Tinto den transparenten Ausbau der Mine verspricht und nach geltenden Umweltstandards bauen möchte, ist die Gefahr des Abbaus vom „grünen Gift“ Lithium nicht von der Hand zu weisen. Und tatsächlich stellt sich die Frage, warum die Förderung von Lithium in Deutschland nicht schneller vorangeht. Immerhin sitzt das Land auf etwa 3,8 Millionen Tonnen Lithium, Tschechien auf 1,3, während Serbien mit etwa 1,2 Millionen Tonnen keinen nennenswerten Mengenvorsprung vorweisen kann.

Die Lithiumförderung in Deutschland wird zwischen Bitterfeld-Wolfen, wo die erste Lithium-Raffinerie Deutschlands erbaut wurde, und dem Erzgebirge vorangetrieben. Doch geschieht dies zaghaft — zu groß ist die Angst vor Protesten vonseiten der Bevölkerung und einem hohen Kostendruck. Serbien, in dem sowohl Kosten als auch Umweltstandards vielfach niedriger sind als in Westeuropa, scheint der bequemere Partner zur Ausbeute zu sein.

Doch damit befindet sich der Westen nicht in Abhängigkeit von Serbien. Westliche Partner könnten sich, sofern die Proteste auf Belgrads Straßen die Inbetriebnahme der Lithiummine im Jadar-Tal weiterhin unterbinden, auf ihre eigenen Ressourcen konzentrieren. Erst am 24. Oktober segnete die Biden Administration den Bau einer Lithium-Mine in Nevada ab, den Großauftrag bekam die wie Rio Tinto in Australien basierte Firma Ioneer — die großen Versprechen von Wachstum, neuen Arbeitsplätzen und Versorgungssicherheit durch die Firma dürfte auch in Westeuropa auf offene Ohren stoßen. In Bruchsal entdeckten Forscher zudem, dass auch in Geothermiekraftwerken Lithium aus dem Tiefenwasser extrahiert werden kann. Dass also auch Länder wie Deutschland den Abbau eigener Lithiumvorkommen forcieren, ist nicht mehr ausgeschlossen. Ob es in Serbien erneut zu einer mehrjährigen Hängepartie kommen wird, ist daher und ob des dringenden Bedarfs an Lithium in Europa fraglich.

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Virgil Zólyom

                                                                            ***

Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.

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