Als „das neue Öl“ bezeichnete Tesla-Milliardär und Raumfahrtunternehmer Elon Musk noch vor nicht allzu langer Zeit Metalle wie Kobalt und Lithium und klagte über deren hohe Kosten. Das Weiße Haus bot denjenigen umfangreiche Unterstützung an, die sich im Markt für Batteriemetalle engagieren wollten, um das Angebot zu erhöhen. Auch europäische Politiker versprachen finanziellen Rückhalt.
Es herrschte Goldgräberstimmung im Markt jener Metalle, die für die angelaufene Energiewende so entscheidend sind. Die stark anziehenden Preise lösten weitreichende Befürchtungen über eine mögliche Verknappung aus. Mit dem auf den vorangegangenen Boom folgenden Preisverfall verflogen diese Sorgen – möglicherweise verfrüht, denn sinkende Preise in diesem Fall sind keine Garantie für eine sichere Versorgung.
Boom & Bust
Die erste Kobalt-Rallye von Mitte 2016 bis März 2018, als der Preis auf einen Höchststand von 94.500 Dollar pro Tonne schoss, führte zu einem überwältigenden Angebotsanstieg, der den Markt in den folgenden 16 Monaten um mehr als 72 Prozent zurückfallen ließ. Ähnlich verlief die zweite Hausse ab Ende 2020: Der Kobaltpreis stieg bis März 2022 auf 82.000 Dollar pro Tonne an, um dann auf das aktuelle Niveau von 24.300 Dollar einzubrechen.
Kobalt, das lange Zeit als ein Rohstoff galt, bei dem die Gefahr einer dauerhaften Verknappung besteht, ist jetzt so reichlich vorhanden, dass sein Preis auf ein Achtjahrestief zurückgefallen ist. Lithium legte nach Erreichen seines parallel zu Kobalt erreichten Hochs von März 2022 bei 78.410 Dollar in den folgenden acht Monaten noch weiter zu und toppte Anfang November 2022 bei knapp 83.100 Dollar. Aktuell notiert Lithium knapp oberhalb der 10.000 Dollar-Marke, so günstig war das Mineral zuletzt im Februar 2021 zu haben.
Ursächlich für die Preisentwicklungen beider Metalle sind die Aktivitäten chinesischer Bergbauunternehmen, die ihre Produktion angesichts der enormen Gewinnaussichten auf ein zuvor unvorstellbares Niveau gesteigert haben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Verkäufe von Elektrofahrzeugen in diesem Jahr außer in China überall enttäuschend verlaufen sind, was die Nachfrage nach Batterien verringert. Darüber hinaus wird nicht nur mehr Metall abgebaut, sondern chinesische Unternehmen sind mittlerweile auch sehr gut darin, alte Batterien zu recyceln, wodurch ein zusätzliches Angebot entsteht.
Das Angebot steigt enorm
Während früher vor allem die Luft- und Raumfahrtindustrie Metalle, wie Kobalt, benötigte, fußt das heutige Nachfragewachstum auf dem Bedarf nach Batterien für Elektrofahrzeuge. Nach Angaben des Cobalt Institute entfielen 73 Prozent des Kobalts, das im vergangenen Jahr verarbeitet wurde, auf den Batteriesektor. Zwar hat Kobalt durch das starke Wachstum der Lithium-Eisen-Phosphat-Batteriechemie einen Dämpfer erlitten, aber der Verbrauch steigt immer noch rasant an. Während bei den meisten Metallen ein jährliches Nachfragewachstum von zwei bis drei Prozent realistisch ist, verzeichnen Kobalt und Lithium ein Verbrauchswachstum von zehn bis 20 Prozent pro Jahr. Allerdings hat sich auch das Angebot enorm ausgeweitet, was vor allem einem einzigen chinesischen staatlichen Bergbaukonzern geschuldet ist.
Die in der Provinz Henan ansässige CMOC Group löste im vergangenen Jahr den Schweizer Rohstoffriesen Glencore als weltgrößten Kobaltproduzenten ab. 55.000 Tonnen förderten die Chinesen 2023, vor allem in den Hauptabbaugebieten der Demokratischen Republik Kongo. Bis 2028 sehen unabhängige Prognosen die Produktionskapazität dieses Unternehmens bei 100.000 Tonnen. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass CMOC noch vor fünf Jahren nicht mehr als 15.000 Tonnen pro Jahr förderte und sich die derzeitige gesamte globale Jahresproduktion auf etwa 230.000 Tonnen beläuft. Auch andernorts wächst das Angebot. Indonesien, auf Platz zwei der weltgrößten Förderstaaten, fügt immer mehr Kapazitäten hinzu. Dort stieg die Produktion im vergangenen Jahr um 86 % auf 17.000
Tonnen, damit deckt das Land nun etwas mehr als sieben Prozent der weltweiten Kobaltproduktion ab. Darüber hinaus gab es dort im Jahr 2023 nur 10 Projekte für Nickel-Kobalt-Verarbeitungsanlagen. In diesem Jahr ist die Zahl auf fast 60 gestiegen.
Niedrige Preise führen zu sinkender Produktion – jedoch nicht bei Kobalt
Den Angaben des Cobalt Institute zufolge war der Kobaltmarkt im vergangenen Jahr um 18.300 Tonnen überversorgt, nach einem Überschuss von 10.700 Tonnen im Jahr 2022. Angesichts des Ausmaßes des derzeitigen Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage ist davon auszugehen, dass sich dies auch in den kommenden Jahren nicht ändern wird. Die Analysten der sehr rohstoffaffinen australischen Macquarie Bank gehen davon aus, dass der Überschuss noch bis 2027 anhalten wird. Dies ist eine optimistische Prognose, konservativere Beobachter sprechen von mindestens fünf Jahren.
Im Rohstoffsektor ist dies eine ungewöhnliche Situation, schließlich zeigt dieser üblicherweise ausgeprägte Boom-Bust-Zyklen, in denen die Produzenten mit verringerten Fördermengen schnell auf niedrige Preise reagieren und den Markt wieder ins Gleichgewicht bringen. Kobalt ist allerdings kein typischer Rohstoff, da sich niemand ausschließlich auf die Förderung dieses Minerals spezialisiert hat. Vielmehr sind etwa 98 Prozent der globalen Produktion ein Nebenprodukt des Kupfer- und Nickelbergbaus. Somit ist die Empfindlichkeit gegenüber niedrigen Kobaltpreisen selbst sehr begrenzt, wichtiger für dessen Fördermenge sind die Preise von Kupfer und Nickel. Und für beide sind die Preise so hoch, dass die Bergbauunternehmen einen großen Anreiz haben, weiter zu fördern. Niedrige Preise sind kein Mittel gegen die Überproduktion von Kobalt.
Zum Abwarten gezwungen
Für die Produzenten gilt es nun geduldig abzuwarten, bis die Nachfrage das in letzter Zeit sprunghaft angestiegene Angebot wieder einholt. Absehbar ist dies bereits, da die niedrigen Preise zwar aus den oben genannten Gründen nicht zu einer Einschränkung der Produktion führen, wohl aber zu einer Ausweitung der Kobaltnutzung seitens der Industrie. So wie die Preisspitzen der Vergangenheit dazu geführt haben, dass diese einen enormen Aufwand betrieben hat, um die Verwendung des Minerals zu reduzieren und so große Fortschritte in der Weiterentwicklung der Batterietechnologie, mit bis zu 60 Prozent weniger Kobaltanteil, erzielt werden konnten, passt sich nun die Nachfrageseite an die günstige Preissituation an. Bei den derzeitigen Preisen fließen die Mittel für Forschung und Entwicklung in andere Bereiche, und die Industrie versucht nicht mehr, die Verwendung dieses Rohstoffs zu reduzieren. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: wie aus der Branche zu vernehmen ist, gibt es Anzeichen für die Rückkehr zu einem wieder höheren Kobaltgehalt bei einigen Batterieanwendungen.
China dominiert – das ist ein Problem
Wie bei vielen anderen Rohstoffen hatte China auch bei kritischen Mineralien massiv zur Blasenbildung beigetragen. Die Inlandsnachfrage nach Batterien war stark und die Dominanz des Landes in der Lieferkette so groß, dass sich viele außerhalb Chinas veranlasst sahen, beinahe panikartig zu kaufen und jene Mineralien zu horten. Für eine kurze Zeit überstieg die Nachfrage das Angebot. Doch so schnell, wie Peking die Blase füllte, ließ es auch wieder Luft ab. China hat sich im Zuge des laufenden Booms voll und ganz auf die Erhöhung des Angebots konzentriert, mit dem Ergebnis eines gewaltigen Preisverfalls. Derzeit ruft die Bezeichnung „kritische Mineralien“ keine allzu große Besorgnis über zukünftige Engpässe hervor, nicht wenige interpretieren niedrige Preise als Garantie für Versorgungssicherheit.
Dies ist jedoch ebenso ein Trugschluss, wie der Mythos, dass die Energiewende hin zu sauberer Elektrizität geradezu explodierende Metallpreise unvermeidlich machen würde – die Realität ist komplexer. Der Punkt ist, dass China in diesem Sektor mit Weitsicht die Entwicklungen erkannt und die notwendigen Maßnahmen, um hier die Führungsrolle zu übernehmen, konsequent umgesetzt hat. Infolgedessen dominiert China mehr denn je die Produktion von Kobalt und auch Lithium und verstärkt seinen enormen Einfluss im Bereich der Batterien, die für Elektrofahrzeuge und andere Geräte unerlässlich sind. Hinzu kommt, und das ist im Grunde noch problematischer, dass sich chinesische Bergbauunternehmen, wenn es hart auf hart kommt, auf staatliche Subventionen verlassen können. Denn kritische Mineralien sind nicht nur rein wirtschaftlich kritisch, sondern können zu einem bedeutenden politischen Machtfaktor werden.
Nun sind deren Preise so tief gefallen, dass nicht-chinesische Bergbauunternehmen mit ihnen kaum noch Gewinne erzielen können, was den Anreiz für westliche Investoren verringert, eigene Quellen zu erschließen. Dies wird besonders dann zum Tragen kommen, wenn auch andere Metalle, wie Kupfer und Nickel, unter Preisdruck geraten sollten.