Politik

Dreier-Koalition in Sachsen: Sondierungen zwischen CDU, BSW und SPD gescheitert

Die Sondierung für eine Regierungskoalition aus CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD in Sachsen ist gescheitert. Man habe sich vor allem bei der Friedensformel und in der Migrationspolitik nicht einigen können. Zuvor gab es Gespräche zwischen der CDU und der AfD. Bekommt Sachsen eine Minderheitsregierung und fällt die Brandmauer?
06.11.2024 19:40
Lesezeit: 3 min
Dreier-Koalition in Sachsen: Sondierungen zwischen CDU, BSW und SPD gescheitert
Die Sondierung für eine Regierungskoalition aus CDU, BSW und SPD in Sachsen ist gescheitert. Ministerpräsident Michael Kretschmer braucht einen neuen Plan (Foto: dpa). Foto: Robert Michael

Die geplante Koalition aus CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD in Sachsen ist gescheitert: Die Sondierungen dieser Parteien blieben ohne Erfolg. Differenzen über Friedensfragen, Migrationspolitik und finanzielle Themen konnten nicht überwunden werden, wie das BSW als erstes der möglichen Partner mitteilte. Darauf folgten Schuldzuweisungen. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und SPD-Vorsitzender Henning Homann machten Sahra Wagenknecht für das Scheitern verantwortlich.

Kretschmer zeigte sich tief enttäuscht. Das abrupte Ende der Sondierungen sei völlig unerwartet gekommen. "Dass Frau Wagenknecht ihren sächsischen Leuten so Steine in den Weg legt, ist eine bedenkliche Entwicklung. Es zeigt den inneren Zustand dieser Partei. Das ist wirklich sehr, sehr schade", äußerte Kretschmer. Sein Ziel sei eine stabile und breite Regierungsbasis gewesen. Nun stehe eine Beratungsrunde in den Parteigremien bevor, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Zunächst brauche es eine Denkpause über das Wochenende hinaus.

Auch SPD-Chef Henning Homann äußerte, das Ende der Sondierungen sei "eine Aktion, die auf höchster Ebene geplant wurde". Vorzeichen habe es keine gegeben. Die Gespräche innerhalb der Arbeitsgruppen seien so konstruktiv gewesen, dass selbst BSW-Mitglieder überrascht vom Abbruch der Verhandlungen waren, erklärte Homann. BSW-Vorsitzende Sabine Zimmermann stellte klar, dass die Entscheidung über das Ende der Gespräche in Dresden getroffen wurde – trotz üblicher Abstimmung mit der Bundespartei. Wagenknecht selbst habe erst nach dem Ende der Sondierungen von der Entscheidung erfahren.

Wagenknecht sieht die Verantwortung vielmehr bei den anderen Parteien: "CDU und SPD haben das Wahlergebnis nicht wirklich verstanden", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". "Das BSW ist nicht gewählt worden, um das Weiter-so zu stützen, sondern um echte Veränderung in einer stabilen Regierung zu erreichen. Scheitern diese Ziele am Widerstand der anderen Parteien, ist unser Platz in der Opposition."

Minderheitsregierung für Sachsen als Option?

In Sachsen zeichnet sich nun eine Minderheitsregierung ab. Kretschmer hatte sich bislang dagegen positioniert. Eine solche Regierung würde tägliche Verhandlungen erfordern und enorme Kraftreserven binden, warnte er. Dennoch wurde er zuletzt auch von konservativen Kräften in der sächsischen Union gedrängt, diese Option zu erwägen – für die CDU, die Sachsen lange allein regierte, wäre dies eine echte Herausforderung.

Die Landtagswahl am 1. September brachte der CDU in Sachsen 31,9 Prozent der Stimmen ein, gefolgt von der AfD mit 30,6 Prozent. Da die CDU Koalitionen mit AfD und Linken strikt ablehnte, war für eine Mehrheitsregierung lediglich das Bündnis mit BSW und SPD in Betracht gekommen. Eine Fortführung der bisherigen Koalition aus CDU, Grünen und SPD scheiterte an den Wahlergebnissen.

Kretschmer lehnt Zusammenarbeit mit AfD strikt ab

Angesichts des Scheiterns der sogenannten Brombeer-Koalition wurde Kretschmer gefragt, ob Grüne und Linke nun als Partner in Frage kämen. Doch der Regierungschef hält das für unwahrscheinlich. Er betonte, dass Sachsen schnellstmöglich eine neue Staatsregierung brauche. Erneut schloss er eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus. Spekulationen hatte kürzlich ein Gespräch zwischen Kretschmer und AfD-Parteichef Jörg Urban ausgelöst.

Kretschmer verteidigte das Treffen als normale Vorgehensweise. Wenn ein Mitglied des Sächsischen Landtags um ein Gespräch bitte, werde er dies tun. Seit Jahren setze er sich aktiv für Demokratie, gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Rechtsextremismus ein, bekräftigte Kretschmer. Die Grünen im Landtag bewerteten das Scheitern der Sondierungen nüchtern: "Der Ministerpräsident trägt die Hauptverantwortung für die aktuelle politische Lage. Es ist an ihm, nun eine Lösung zu finden", erklärte Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert der Deutschen Presse-Agentur. Kretschmer habe immer wieder betont, keine Zusammenarbeit mit den Grünen mehr anzustreben.

BSW plant konstruktive Oppositionsarbeit

BSW-Chefin Sabine Zimmermann betonte, dass das BSW auch in der Opposition weiterhin den Dialog mit CDU und SPD suchen werde. "Wir werden sehen, wo sich etwas mitgestalten lässt." Ob das BSW eine von der CDU geführte Minderheitsregierung unterstützen würde, ließ sie ebenso offen wie die Frage, ob das BSW Kretschmer bei einer Wiederwahl zum Ministerpräsidenten unterstützen könnte. "Diese Frage werden wir beantworten, wenn es soweit ist."

Zimmermann kritisierte die bisherigen Partner für deren fehlendes Engagement in Friedensfragen: "Mit dieser Politik entfremdet man die Bürger im Land", erklärte sie. "Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine beschäftigt auch hier in Sachsen viele Menschen zutiefst. Eine neue Landesregierung sollte diese Sorgen aufgreifen. Wer das ignoriert, verschließt sich den Anliegen der Menschen."

Sondierungen von Anfang an kompliziert

Die Sondierungen hatten von Beginn an Schwierigkeiten. Bereits am 25. Oktober wurden sie auf Betreiben der SPD unterbrochen, nachdem zahlreiche BSW-Abgeordnete für den AfD-Antrag auf einen Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt hatten. Für das BSW war dies, wie auch das Thema Frieden, eine Frage der Integrität. Nach der sächsischen Verfassung muss der Ministerpräsident innerhalb von vier Monaten nach Konstituierung des neuen Landtags gewählt werden. Die Frist endet Anfang Februar 2025. Andernfalls würde das Parlament aufgelöst und Neuwahlen wären erforderlich.

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