Die Parteivorstände haben grünes Licht für eine Sondierung gegeben: CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD haben sich auf ein gemeinsames Eckpunkte-Papier geeinigt. Dieses dient als Grundlage für die seit Dienstag stattfindenden Sondierungsgespräche einer möglichen „Brombeer-Koalition“ im Freistaat.
Wie wirtschaftsorientiert ist die „Brombeer-Koalition“?
Das interne Ergebnisprotokoll der Gespräche wurde bereits von den Industrie- und Handelskammern öffentlich bewertet. Sie lobten unter anderem, dass sich die drei Parteien unisono zur sozialen Marktwirtschaft bekennen und sich für einen Bürokratieabbau einsetzen wollen.
„Falls die Koalition zustande kommt, wird sie sich daran messen lassen müssen, ob sie den Amtsschimmel tatsächlich in die Schranken weist“, erklärte Kristian Kirpal, Präsident der IHK Leipzig und Sprecher der sächsischen IHK.
Aus der Wahl ging die CDU mit 31,9 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft vor der AfD (30,6 Prozent) hervor. Da die Union ein Bündnis mit der AfD kategorisch ausschließt, kommt für eine Mehrheitsregierung nur ein Bündnis aus CDU, BSW (11,8 Prozent) und SPD (7,3 Prozent) infrage.
Sondierungsthema: Wirtschaft und Arbeit
CDU, SPD und BSW sind sich einig, dass Sachsen seine Stellung als Industriestandort bewahren und gleichzeitig zukunftsfähig machen muss. Die Soziale Marktwirtschaft gilt für alle als Grundlage für Wohlstand und sozialen Zusammenhalt. Schwerpunkte liegen auf der Förderung von Fachkräften durch erleichterte Zuwanderung und der schnelleren Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
Strittig bleibt die Frage der Tarifbindung. Während die SPD auf eine Stärkung der Tarifverträge drängt, um Lohnunterschiede zwischen Ost und West sowie zwischen Frauen und Männern zu verringern, sehen CDU und BSW hier weniger Handlungsbedarf. Eine Initiative zur Erhöhung des Mindestlohns steht ebenfalls im Raum, was vor allem von der SPD gefordert wird.
Kritik vom Handwerk: „Bekenntnisse anstatt Rückschlüsse“
Der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Uwe Nostitz, hat sich das Eckpunkte-Papier angesehen – und findet darin nur wenig Greifbares. „Was auffällt: Die Aussagen zu Wirtschaft und Arbeit haben überwiegend Bekenntnis-Charakter, lassen zum Beispiel kaum konkrete Rückschlüsse zu, wie etwa die Vielfalt der sächsischen Unternehmenslandschaft sowie ihre klein- und mittelständische Struktur künftig ausgebaut und gestärkt werden sollen.“
Stattdessen findet sich im Papier viel zum Thema Asyl- und Migrationspolitik. So haben sich die drei Parteien für eine schärfere Asyl- und Migrationspolitik ausgesprochen: „Irreguläre Migration wollen wir wirksam begrenzen. Wir unterscheiden zwischen Personen mit anerkanntem Schutzstatus, einer Duldung und vollziehbar ausreisepflichtige Personen“, heißt es. Asylverfahren sollen beschleunigt werden, wer kein Bleiberecht habe, müsse das Land auf schnellstem Weg wieder verlassen.
Meisterbonus soll erhöht werden
Einig sind sich die drei Verhandlungspartner, den Meisterbonus zu erhöhen, die Landwirtschaft zu entlasten, ausländische Bildungsabschlüsse schneller anzuerkennen. Dass der Meisterbonus weiter aufgewertet werden soll, begrüßt Nostitz. Ebenso jedwede Initiativen zum Bürokratieabbau, sofern diese von den Adressaten im Alltag auch tatsächlich wahrgenommen würden.
„Für absolut entbehrlich halten wir eine Novellierung des sächsischen Vergabegesetzes. Es hat seine Praktikabilität bislang hinreichend unter Beweis gestellt“, so Nostitz weiter. Das neue Vergabegesetz sieht vor, dass nicht mehr der günstigste Anbieter bei öffentlichen Aufträgen den Zuschlag bekommt, sondern Firmen, die ihre Beschäftigten ordentlich bezahlen.
„Unterm Strich wirkt das Eckpunkte-Papier unambitioniert. Es fehlen konkrete Aussagen zur Begrenzung von Stellen im öffentlichen Dienst sowie beim Aufwuchs von Behörden“, schließt Nostitz in seinem Statement.
Sondierungsgespräche: Wie geht es weiter?
Die Verhandler wollen sich insgesamt drei Wochen Zeit nehmen, um die Möglichkeiten einer Regierungsbildung auszuloten. Nach einer erfolgreichen Sondierung würden sich dann Koalitionsverhandlungen anschließen.
Eine Zusammenarbeit zwischen CDU, BSW und SPD scheint in Sachsen grundsätzlich möglich, auch wenn bei vielen Themen noch Uneinigkeit herrscht und die „Brombeer-Koalition“ auch bei einer Reihe von CDU-Politikern auf Ablehnung stößt. Eine Gruppe von bekannten CDU-Politikern äußerten sich kritisch in einem offenen Brief zu den Verhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht über ein mögliches neues Regierungsbündnis in Sachsen.
CDU-Minderheitsregierung statt „Brombeer-Koalition“?
Auch wird kritisiert, dass die CDU im Umgang mit Rechts- und Linksparteien mit zweierlei Maß messe. „Während viele Linkspartei-Wähler zum BSW überliefen, wählte ein großer Teil unserer früheren Wähler die AfD. Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, sodass sich ihr gegenüber eine Brandmauer der Ausgrenzung erforderlich macht, während andererseits Pilgerfahrten an den Hof von Frau Wagenknecht stattfinden, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten“, heißt es in dem Schreiben.
Für die weiteren Verhandlungen wird ebenfalls entscheidend sein, welchen Einfluss die Bundesparteien auf den Fortgang nehmen. CDU-Chef Friedrich Merz hatte ein Bündnis mit dem BSW noch vor kurzer Zeit als „sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich“ bezeichnet.
BSW-Landesvorsitzende: Keine Abstimmung mit Wagenknecht
Die BSW-Landesvorsitzende Sabine Zimmermann betonte hingegen, man habe sich in Sachsen nicht mit Wagenknecht abgestimmt. Man habe keine Standleitung mit der Bundesvorsitzenden. Sie sprach stattdessen von einem Austausch mit dem Landesverband in Thüringen, wo aktuell ebenfalls über eine Koalition mit CDU und SPD verhandelt wird, und der Bundespartei.
Zum bisher noch strittigen Thema Frieden werde es bei den Sondierungsgesprächen eine Runde geben, so Zimmermann. Wie die ausgehe, könne man noch nicht sagen. „Wir sind zumindest alle ernsthaft, daran interessiert, dass wir eine stabile Regierung bekommen in Sachsen, aber das geht nicht um jeden Preis.“