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Deutsche Wirtschaft baut weiter ab: Würth Elektronik schließt Werk in Südbaden

Lesezeit: 3 min
18.10.2024 14:37  Aktualisiert: 18.10.2024 17:48
Das „Muster-Ländle“ Baden-Württemberg weiter im wirtschaftlichen Sturzflug: Würth Elektronik, eine Tochter des Handelskonzerns Würth, beendet die Produktion im Werk in Schopfheim. Mehr als 300 Beschäftigte sind betroffen. Erheblich gestiegene Energie- und Personalkosten sowie ausbleibende Aufträge, auch weil viele Firmen im Ausland bestellen, setzen einen der größten Leiterplattenhersteller Europas schachmatt.
Deutsche Wirtschaft baut weiter ab: Würth Elektronik schließt Werk in Südbaden
Aufgrund von ausbleibenden Aufträgen schließt Würth Elektronik ein Werk in Baden-Württemberg. Davon sind mehr als 300 Mitarbeiter betroffen. (Foto: dpa)
Foto: Marijan Murat

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Die Würth Elektronik, eine Tochtergesellschaft des Handelsriesen Würth, hat die Schließung ihres Werks in Schopfheim, Baden-Württemberg, angekündigt. Über diese geplante Maßnahme wurde in einer Betriebsversammlung informiert, so die Unternehmensleitung. Mehr als 300 Mitarbeiter sind in Schopfheim tätig.

Tochter des Handelskonzerns Würth schließt Werk

Es wurde bekannt, dass die Geschäftsleitung und der Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan eingeleitet haben. Bis jetzt gibt es jedoch keine konkreten Ergebnisse, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet. Als Hauptgrund nennt das Unternehmen den starken Rückgang an Aufträgen, da viele Kunden ihre Bestellungen an Firmen im Ausland verlagern. Insbesondere in Asien sind viele Firmen nun ansässig, was dem Standort Schopfheim die Grundlage entzieht.

Hintergrund zur Schließung des Werks

Das südbadische Werk der Würth-Tochter produziert sogenannte Leiterplatten, die als Träger für elektronische Bauteile dienen und in nahezu jedem elektronischen Gerät zu finden sind. Nach eigenen Angaben gehört das Unternehmen zu den größten Leiterplattenherstellern in Europa. Doch die Branche selbst steckt in einer tiefen Krise. Hauptsächlich in den letzten Monaten ist der Auftragseingang drastisch zurückgegangen. Viele Kunden verlagern ihre Bestellungen nach China, wo Produktionskosten deutlich niedriger sind.

Dazu kommen stark gestiegene Energie- und Personalkosten in Deutschland. Trotz der hohen Qualität und Liefersicherheit, die deutsche Werke bieten, sind viele Kunden aktuell nicht bereit, diese Mehrkosten zu tragen. „Viele Kunden können die höheren Preise für die Liefersicherheit, die wir im Vergleich zu asiatischen Anbietern bieten, nicht bezahlen“, betont das Unternehmen.

Auch Maschinenbauer und Pressenhersteller Schuler hat jüngst angekündigt, einen Standort in Baden-Württemberg schließen zu müssen, wie DWN berichtete.

Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

Um Verluste zu begrenzen und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten, ist diese Maßnahme laut Angaben des Unternehmens notwendig. „Wir sehen leider aktuell keine Alternative zur Einstellung der Produktion“, teilte Geschäftsführer Daniel Klein mit. Die Schließung sei unvermeidlich, um die Zukunft des Unternehmens zu schützen.

Die anfallenden Aufträge sollen zukünftig in anderen deutschen Werken von Würth Elektronik bearbeitet werden. Neben dem Hauptsitz in Niedernhall, im Hohenlohekreis, betreibt das Unternehmen auch ein Werk in Rot am See, im Landkreis Schwäbisch Hall.

Umsatzzahlen und Zukunftspläne

Würth Elektronik ist in Europa eine wichtige Größe in der Leiterplattenproduktion. Der Jahresumsatz liegt im dreistelligen Millionenbereich, und das Unternehmen beschäftigt rund 1000 Mitarbeitende. Der Konzern erhofft sich durch die Schließung von Schopfheim eine Reduzierung der Verluste und eine Stabilisierung des Geschäfts. Die verbleibenden Standorte in Deutschland sollen weiterhin für die Kundenproduktion genutzt werden, um die hohe Qualität und Liefersicherheit zu gewährleisten.

Die Entscheidung zur Schließung des Werks in Schopfheim ist ein weiterer Hinweis darauf, wie stark der Druck auf deutsche Unternehmen durch die Verlagerung der Produktion nach Asien wächst. Wettbewerbsfähigkeit und Kostenstrukturen sind in einem sich rasch verändernden globalen Markt entscheidende Faktoren für das Überleben.

„Schraubenkönig“ Reinhold Würth

Der Mutterkonzern, die Würth-Gruppe, gehört zu den größten Familienunternehmen aus Baden-Württemberg. Der als „Schraubenkönig“ bekannte Unternehmer Reinhold Würth vermeldete gerade, dass er beruflich kürzertreten wird. „Ich werde zum 1. Januar 2025 den Stiftungsaufsichtsratsvorsitz abgeben – an meinen Enkelsohn Benjamin“, sagte Würth bei einem Festakt anlässlich seines 75. Arbeitsjubiläums in Künzelsau. Er werde künftig die Position eines Ehrenvorsitzenden einnehmen und wahrscheinlich aus dem Hintergrund auch einmal „mitmeckern“. „Aber der Benjamin ist die Zukunft dieses Konzerns.“

Der 89-Jährige war bereits vor vielen Jahren aus dem Tagesgeschäft des Handelskonzerns ausgestiegen, der sein Geld mit Befestigungs- und Montagetechnik verdient. Seitdem saß er unter anderem dem Kontrollgremium vor, das über die Familienstiftungen wacht. Diesen gehört die Würth-Gruppe. Benjamin Würth ist seit Anfang 2023 stellvertretender Vorsitzender des Gremiums und galt als potenzieller Nachfolger.

Bundeskanzler würdigt Würth

Die Festrede auf den 89-Jährigen hielt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er würdigte ihn unter anderem als einen „innovativen Traditionalisten und traditionsbewussten Erneuerer“. Würth begann im Alter von 14 Jahren eine Lehre im damals kleinen Betrieb seines Vaters, ehe er diesen nach dessen Tod 1954 als 19-Jähriger übernahm.

Der Milliardär zählt zu den reichsten Deutschen. Für die Würth-Gruppe arbeiteten zuletzt weltweit mehr als 88.500 Menschen – gut 27.400 davon in Deutschland. 2023 macht das Unternehmen einen Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro.

 

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.



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