Klappe zu, Ampel tot – wann kommen die Neuwahlen? Die Parteien schalten jetzt mit einem Tempo und einer Kraft in den Wahlkampfmodus, die man sich eigentlich fürs Regieren in den vergangenen drei Jahren gewünscht hätte. Sei’s drum. Jetzt ist die Frage, wie lange Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Minderheitsregierung mit den Grünen durchhält, und welche Themen er nach dem Ampel-Aus noch umsetzen kann.
Ampel-Aus: Wie geht es jetzt weiter?
Olaf Scholz will die Vertrauensfrage im Januar nächsten Jahres stellen und die Neuwahlen im März abhalten – und bis dahin mit einer Minderheitsregierung weitermachen. Die Wahlen dürften dann vermutlich am 9. März stattfinden. Nach einer verlorenen Vertrauensfrage kann Bundespräsident Walter Steinmeier innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen. Spätestens 60 Tage nach der Parlamentsauflösung käme es dann zur Wahl. Der Kanzler und sein Kabinett bleiben auch nach einer vorzeitigen Neuwahl geschäftsführend im Amt, bis eine neue Koalition einen neuen Kanzler gewählt hat – was sich dann bis Mai ziehen könnte.
Steinmeier kann sich theoretisch auch weigern, Neuwahlen auszurufen, um eine andere Koalition zu erzwingen. Wann Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellt, bestimmt als Kanzler er selbst. Noch hält er an seinem Zeitplan für die kommenden Monate fest. Er werde tun, was für das Land notwendig sei, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Die Regierung werde auch in den kommenden Wochen und Monaten ihre Arbeit machen. „Die Bürgerinnen und Bürger werden bald die Gelegenheit haben, neu zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Das ist ihr gutes Recht. Ich werde deshalb Anfang des nächsten Jahres im Bundestag die Vertrauensfrage stellen.“ Bis dahin kommt es auf die Opposition an, wenn es darum geht, wie handlungsfähig die Regierung bleibt. Wenn die sich querstellt, bleibt wenig Spielraum.
Wann kommt die Vertrauensfrage?
CDU-Chef Friedrich Merz dürfte dies als Druckmittel nutzen. Er drängt auf eine Vertrauensfrage in der nächsten Woche, sodass schon im Januar 2025 Neuwahlen stattfinden könnten. Man habe Scholz in einem einstimmigen Beschluss dazu aufgefordert, „jetzt sofort die Vertrauensfrage zu stellen, spätestens Anfang nächster Woche", teilte Merz am Morgen nach der Sitzung mit. Eine Neuwahl wäre Merz zufolge in der zweiten Januar-Hälfte möglich. Die Unionsfraktion habe den Kanzler in einem einstimmigen Beschluss aufgefordert. Deutschland brauche jetzt eine handlungsfähige Bundesregierung. „Wir können es uns einfach nicht leisten, jetzt über mehrere Monate hin eine Regierung ohne Mehrheit in Deutschland zu haben und anschließend über weitere Monate einen Wahlkampf zu führen und dann möglicherweise mehrere Wochen Koalitionsverhandlungen zu führen. Das muss jetzt schnell gehen.“
Sonntagsfrage Bund: Wen würden die Deutschen aktuell wählen?
Es gibt regelmäßig Wahlumfragen in Deutschland. Die bekanntesten sind vom Allensbach Institut, von Emnid, der Forschungsgruppe Wahlen, Infratest dimap und INSA. Zur Sonntagsfrage Bund aktuell gibt es lediglich eine INSA-Umfrage vom 5. November, also aus der Zeit vor dem Ampel-Aus.
Demnach und laut "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) lautet die Antwort auf die Sonntagsfrage so: Die stärkste Partei im Bund ist derzeit die Union mit 31,5 Prozent im Durchschnitt der vergangenen zehn Umfragen. Auf Platz zwei kommt die AfD mit 18,0 Prozent vor der SPD (15,9 Prozent) und den Grünen (10,5 Prozent). Die Ampelparteien kämen zusammen derzeit auf 30,1 Prozent der Stimmen. Zwei der abgefragten Parteien würden derzeit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern: die FDP (3,7 Prozent) und die Linke (3,1 Prozent).
Konstruktives Misstrauensvotum als Option?
Die Opposition könnte den Kanzler auch mit einem konstruktiven Misstrauensvotum stürzen. Die Abgeordneten müssten dafür zum einen Scholz das Misstrauen aussprechen, zum anderen gleich einen neuen Kanzler wählen. Bislang geschah dies in der BRD nur einmal: Als Oppositionsführer Helmut Kohl (CDU) 1982 den SPD-Kanzler Helmut Schmidt stürzte und sich mit Unterstützung der die Seiten wechselnden FDP selbst zum Kanzler wählen ließ. Diesmal hieße der Kanzlerkandidat wohl Friedrich Merz. Allerdings hat er mit der FDP alleine keine Mehrheit. Daher müssten die Grünen hinzukommen, oder aber BSW, Linke oder AfD. Das ist also eine Option, aber keine unbedingt wahrscheinliche.
Viele Krisen - handlungsunfähige Regierung?
Bis zu den Neuwahlen hat die aktuelle Regierung wenig Spielraum, wenn nicht die Opposition mitzieht. Die sitzt jetzt am längeren Hebel. Der Bundeshaushalt für 2025 sollte eigentlich am 29. November vom Parlament beschlossen werden, um so pünktlich zum Jahresanfang in Kraft treten zu können. Wenn die FDP dem Etatplan nicht doch noch zustimmt – der übrigens größtenteils vom geschassten Finanzminister Christian Lindner erstellt – sind dem Bund im Rahmen einer vorläufigen Haushaltsführung nur noch die nötigsten Ausgaben möglich. Gerade in diesen unruhigen Zeiten könnte eine Lähmung der Regierung aber fatal sein. Denn die großen Themen warten ja nicht geduldig bis zu einer neuen Regierung. Der Krieg in der Ukraine, der Wahlsieg Trumps und damit der mögliche Austritt der USA aus der NATO, verbunden mit dem mangelnden Verteidigungspotential der Bundeswehr sind dringende und wichtige Themen. Hinzu kommt noch die schwächelnde Industrie – allen voran die Automobilindustrie, die jetzt noch von einem potentiellen Handelskrieg mit den USA bedroht ist.
Das heißt: Entweder spielt die Opposition mit – das klingt unwahrscheinlich. Oder Scholz stellt die Vertrauensfrage doch früher – könnte sein, dass der da noch nachgibt. Oder man konzentriert sich auf ein Kräftemessen und die Frage, wer zuerst nachgibt – während die Regierung gelähmt ist. Schaut man sich die vergangenen Jahre an, scheint diese dritte Option die wahrscheinlichste. Für die einen ist das ein absurdes Theater, das die Ex-Ampel nun aufführt und warten darauf, dass endlich der Vorhang fällt. Für die anderen ein Befreiungsschlag, der endlich deutlich zutage treten lässt, was schon lange unter der Oberfläche gebrodelt hat an giftiger Lava – mit der Möglichkeit, nun rasch für frischen Wind zu sorgen.
Wahlkampf jetzt im vollen Gange
Gestern ging der Wahlkampf mit einem gigantischen Doppel-Paukenschlag los - erst die Wiederwahl Donald Trumps, dann das Aus der Ampel. Spätestens das Lindner-Papier von vergangener Woche darf man gerne als taktische Wahlkampfmaßnahme der FDP lesen – eine kalkulierte Provokation der Koalitionspartner, die signalisieren soll: Hey, wir sind die FDP, wir machen Wirtschaft – und der Rest der Ampel kann das nicht! Es erinnert an das „Lambsdorff-Papier“ der FDP im Jahr 1982, welches damals zum Sturz der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt führte. Den Rauswurf Lindners aus der Ampel durch Bundeskanzler Scholz sowie dessen wohlpräparierte Rede darf man ebenso als Wahlkampf-Maßnahme lesen, mit der Scholz der liberalen Ex-Partnerin die Schuld für Regierungskrise und generelle Krise in Deutschland in die Schuhe schieben möchte – obwohl er als Kanzler in den vergangenen Jahren wenig Führungsstärke gezeigt hat.
Die Schuldenbremse – daran ist die Ampel nun endlich zerbrochen
Auch eine neue Regierung kommt um die Frage nicht herum, wie denn der Haushalt finanziert werden soll - und ob die Schuldenbremse ausgesetzt wird, um die aktuellen und auch kostspieligen Herausforderungen zu finanzieren. Die einen wollten Schulden aufnehmen, um zu investieren. Olaf Scholz sagte gestern in seiner Rede: „Es gibt Lösungen für einen Haushalt, der innere, äußere und soziale Sicherheit gleichzeitig stärkt. Eine solche Lösung habe ich vorgeschlagen. Das Grundgesetz sieht in Artikel 115 ausdrücklich vor, in einer außergewöhnlichen Notsituation einen Überschreitensbeschluss zu fassen, so wie das die Koalition Ende vergangenen Jahres übrigens genau für diesen Fall vereinbart hatte.“ Der russische Angriffskrieg, der nun schon im dritten Jahr tobt, sowie alle seine Folgen seien eine solche Notsituation.
Die anderen wollen das Geld durch Kürzungen im Sozialwesen, im Gesundheitswesen und in der Pflege beschaffen. Nach dem Bruch mit Finanzminister Christian Lindner hat Kanzler Olaf Scholz dem FDP-Politiker indirekt vorgeworfen, damit gesellschaftliche Brandstiftung zu betreiben. Mit Blick auf die Finanzierung der Ukraine-Hilfe aus dem laufenden Haushalt sagte Scholz: "Wenn man jetzt zu der Überzeugung kommt, das müssen wir einfach mal so nebenbei ausschwitzen, dann zündet man das Land an." Dies bedeute etwa, dass Straßen nicht ausgebaut und Schulen nicht weiterentwickelt werden könnten. Zudem könne man dann nichts für Wirtschaft und Arbeitsplätze tun. Es gebe kaum ein Land, das die Ukraine-Hilfe aus dem laufenden Haushalt finanziere, argumentierte Scholz. Deutschland habe das bislang so gemacht und "alles ausgekratzt (...), was man irgendwo finden konnte in den Ecken unseres Haushaltes". Irgendwann sei jedoch der Punkt, an dem man entscheiden müsse, entweder innere, äußere, soziale und wirtschaftliche Sicherheit gegeneinander auszuspielen. Es sei eine zeitlich vorübergehende Herausforderung, vor der wir stehen, wo aber klar sei, das müssen wir außerhalb des normalen Haushaltes finanzieren.
Wo soll das Geld herkommen? Darum dürfte sich der kommende Wahlkampf drehen. Und damit darf sich dann auch die nächste Regierung herumschlagen.