Schwer zu sagen, wie sich das Verhältnis der USA mit Deutschland und Europa entwickeln wird anno 2025. Die DWN versuchen dennoch einen Ausblick zu geben. Immerhin gibt es Fakten, an denen kommt nicht einmal Dealmaker Trump vorbei: die galoppierende Staatsverschuldung der USA zum Beispiel. Amerika muss das Deficit-Spending in den Griff bekommen. Mit Zöllen sowie der Festnahme und Deportation von dringend benötigten Arbeitskräften ist es nicht getan bei über 35 Billionen Dollar an Staatsschulden.
Auch wenn in Deutschland derzeit alle kleinlaut und bewegungsstarr einzig über die Schuldenbremse reden, ist nicht zu übersehen, dass Geld nicht unser Problem ist: Die Ersparnisse der Deutschen müssten nur gehoben und zielgerichtet eingesetzt werden.
Wer in Wirklichkeit die Spirenzien der Amerikaner finanziert mit seinem Vermögen
Damit könnten wir die Welt überraschen, nicht nur die Russen, sondern auch Amerikaner und Chinesen, die uns als Machtfaktoren inzwischen nicht mehr ernst nehmen. Nicht wenige erhoffen sich vor allem von der in der EU geplanten Banken- und Kapitalmarktunion den Durchbruch, den Euro gegenüber dem Dollar als Leitwährung zu stärken. Und um das Vermögen Europas von den USA, wo es als Anlagevermögen überhaupt erst die Spirenzien der Amerikaner ermöglicht, umzulenken in Aufbau- und Zukunftsprojekte - wie die drängende europäische Sicherheitsarchitektur gegen Russland. 2025 erhöht Russland die Verteidigungsausgaben um 30 Prozent auf 127 Milliarden Euro. Das entspricht rund 6 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts.
Trump mag erratisch und unberechenbar sein. Mal agiert er als Überzeugungstäter, ein anderes Mal verliert er plötzlich die Lust (siehe: das einstige Liebesverhältnis zu Kim Jong-un in Nordkorea). Juliane Schäuble, Korrespondentin des Berliner „Tagesspiegel“ in Washington/D.C., hat bei einer Diskussion des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) am 18. November die „Methode Trump“ eindringlich beschrieben - beleidigen, einschüchtern, einlenken. Die Zuhörer im Ludwig-Erhard-Haus wussten nicht, ob sie ihre Schilderungen eher mit Angst oder Galgenhumor quittieren sollten. Einziger Lichtblick war Schäubles Fazit: „Nicht mal das Schlimmste ist von langer Dauer in den USA.“
Wir kennen das doch schon! Im Januar 1981 waren die Bürger der Bundesrepublik (und interessierte Bürger in der DDR) mindestens genauso geschockt, als der Hollywood-Schauspieler Ronald Reagan US-Präsident geworden ist und auf den handzahmen Jimmy Carter folgte. Schon 1983 faselte Reagan etwas vom „Reich des Bösen“ und wie er die UdSSR zum Einsturz bringen will - mindestens die Berliner Mauer! Und dann rief er 1987 am Brandenburger Tor Michail Gorbatschow zu: „Tear down this wall!“
Ronald Reagan und George W. Bush - die USA ticken nicht erst seit Donald Trump anders
Im Nachhinein war es genau dieser Reagan, der uns tatsächlich die Deutsche Einheit geschenkt hat, mit seinem Wettrüsten. Voraussetzung war u.a. der berüchtigte Nato-Doppelbeschluss zur Stationierung von Pershing-Raketen, der die Friedenstauben zu Demonstrationen auf die deutschen Straßen trieb und zum Sturz von SPD-Kanzler Helmut Schmidt führte.
Den latenten Anti-Amerikanismus hat natürlich auch George W. Bush und dessen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld (mit familiären Wurzeln nahe Bremen) ausgelöst, als sie Deutschland als das alte Europa abgetan haben, weil wir nicht mit den USA gegen den Irak in den Krieg ziehen wollten. Legendär die Zweifel des grünen Außenministers Joschka Fischer, die zu grundsätzlichen Widerworten gegen Rumsfeld auf der Sicherheitskonferenz in München führten: „Excuse me, I am not convinced“ - entschuldigen Sie, ich bin nicht überzeugt! Worauf Rumsfeld den Europäern klarmachte, dass die Geduld der US-Regierung bald am Ende sein könnte. „Diplomacy has been exhausted", sagte er - die Diplomatie hat sich erschöpft. Weil er beiläufig vom „Regime-Wechsel“ im Irak sprach, zu dem sich der US-Kongress in den 1990er-Jahren verpflichtet hatte, wurde die Richtung klar: Saddam Hussein musste abtreten. Kanzler Gerhard Schröder hielt kräftig dagegen, und Deutschland erstmals aus dieser Partnerschaft raus.
Washington geht es in erster Linie um China - darauf deutet auch Trumps Kabinettsliste hin
Wir haben all diese Konflikte mit der Schutzmacht USA überstanden. ohne dass die deutsch-amerikanische Freundschaft oder gar die Nato-Partnerschaft (und die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 der Nato-Verträge) in Frage gestellt wurden. Auch mit Donald Trump (dem Enkelsohn aus dem pfälzischen Kallstadt an der Weinstraße) wird es keinen grundsätzlichen Bruch oder Showdown geben. Der Ton wird schärfer - in Wirklichkeit ist aber ein anderer Adressat gemeint.
Der Politikwissenschaftler und Ost-Asien-Experte Eberhard Sandschneider gab sich auf der Diskussion des VBKI im Haus der Wirtschaft überzeugt, dass es Trump und den von ihm nominierten „Falken“, Marco Rubio als Außenminister und Sicherheitsberater Mike Waltz, vor allem um Asien geht. Um Big Data und KI. „Ein feindlicher Wettkampf zwischen China und den USA“ ist aus Sandschneiders Sicht unausweichlich. Die Frage sei nur, wie sich Europa und Deutschland da einsortieren - als Vasallen oder doch als selbstbewusste Player? Ohne Gleichklang der EU-Mitgliedsstaaten könne dies freilich nichts werden.
Für Josef Braml, USA-Experte und European Director der einst von Rockefeller aus Sorge um den freien Welthandel gegründeten Trilateral Commission, ist es bemerkenswert, dass die USA plötzlich in die Zeit der Abschottung und Eindämmung zurückfallen. „Der Druck der USA auf ihre Partner wird sich [...] erhöhen, mit dem Ziel, den wirtschaftlichen Fortschritt Chinas in Schlüssel-Technologien einzudämmen. Statt auf Einbindung setzt Amerika auf eine Strategie der wirtschaftlichen Entkoppelung, um Chinas Fortschritt in Technologie und Militär zu verlangsamen“, lautet Bramls Analyse.
Was heißt das für die deutsche Wirtschaft? „Deutschland ist eine der am stärksten verflochtenen und damit umso mehr von einer möglichen Deglobalisierung betroffenen Volkswirtschaften der Welt. Während deutsche Firmen bisher Vorteile aus der Globalisierung gezogen haben, könnten sie im Zuge eines chinesisch-amerikanischen Machtkampfes und resultierender protektionistischer Maßnahmen auch Verluste erleiden“, so Braml weiter. Er ist skeptisch, ob es absehbar noch vernünftige Republikaner der alten Schule gibt, die die Trumpisten stoppen können. „Die kuschen inzwischen alle vor ihm“, weiß Braml.
Nach wessen Pfeife die Republikaner wirklich tanzen - und jeden Mittwoch antreten müssen
Aus seiner Sicht ist es allerdings Grover Norquist, der libertäre Aktivist und Präsident der einflussreichen Interessenvertretung Americans for Tax Reform, der als die Spinne im Netz das wahre Machtzentrum bildet. Er lädt jeden Mittwoch die Spitzen der Republikaner ein, um ihnen wie ein Fraktionschef die Richtung vorzugeben und ihre Parole einzubläuen. „Das transatlantische Tralala ist jedenfalls vorbei“, wer das nicht glaubt, „hat den Schuss nicht gehört“, so Braml.
Doch auch Braml, der mit seinem Ausblick auf den „bevorstehenden Wirtschaftskrieg“ wie eine Kassandra klingen mag, ist überzeugt, dass es keinen Grund für Deutschland gibt, in Sack und Asche zu gehen. „In dieser von geoökonomischen und geopolitischen Risiken geprägten neuen Weltordnung gewährt nur der europäische Verbund die nötige Marktmacht und Handlungsoptionen, damit Europas Länder weiterhin selbstbestimmt wirtschaften und leben können“, so Braml. Begriffe wie „strategische Unabhängigkeit“ und „Autonomie“ verschleierten freilich noch die „unzureichende Entscheidungs- und Handlungskompetenz der Europäischen Union“.
Europa wird sich positionieren müssen und den USA Angebote machen. Die ersten Töne aus dem Trump-Umfeld deuten an, worauf es den Amerikanern ankommt. Europa muss sich selbst um die Sicherheit der Ukraine kümmern. Warum soll das nicht möglich sein? Weil es zu viel Geld und Wohlstand kostet? Das wird man Trump und seinen Anhängern nicht mehr entgegenhalten können. Der Slogan „Make America great again“ beinhaltet fraglos eine Neid-Komponente.
„Nostalgie ist keine Strategie!“ Warum sich die Hardliner jetzt an Deutschland abarbeiten
In der Tat setzt Prof. Sandschneider darauf, dass „Ursula von der Leyen schnellstens zu Trump in die USA fliegen“ sollte, um einen Deal vorzubereiten - solange Olaf Scholz als Kanzler ausfällt! Und solange unklar ist, welche bürgerliche Regierung unter Führung von CDU-Chef Friedrich Merz den Deutschland-Karren aus dem Dreck ziehen und wieder flottmachen soll. Sandschneider warnt: „Nostalgie ist keine Strategie!“ Dass Trumps erste Amtszeit nicht so schlimm war, unter dem Strich, ist allein den Umständen geschuldet: Die Hardliner waren selbst überrascht und noch nicht vorbereitet.
Für die Amerikaner, die den gravitätischen Mittelpunkt der Welt natürlich bei sich und nicht in Europa verorten, hat sich der Blick auf Deutschland schon etwas länger verschoben. Als noch Generationen von Amerikanern als „GIs“ in der Pfalz und in Bayern stationiert waren, dominierte noch die Empathie, die ihren Ausdruck in den Rosinenbombern während der Berlin-Blockade 1948 fand. Auch für uns waren die entfernten Verwandten über dem großen Teich noch lange Jahre „der reiche Onkel aus Amerika“, der sich schützend und großmütig hinter uns stellt - so lange wir keinen Quatsch mehr machen (wie unter Hitler).
Das ist vorbei. In den USA gibt es inzwischen nicht nur eine Generation junger Politiker, die es partout nicht verstehen will, warum es sich Deutschland auf Kosten der USA gutgehen lassen darf. „Free Riders“, heißt der Begriff, den Revisionisten á la Trumps Vize-Präsident J.D. Vance eingeführt haben.
Billig geheizt mit russischem Gas und nicht mal volle Prämie für die Hausratversicherung gezahlt
Die Deutschen seien als „Trittbrettfahrer“ durch den Kalten Krieg gesurft und hatten dann auch noch die von den USA erwirtschaftete Friedensdividende eingestrichen - und diese in der Amtszeit Angela Merkels in Saus und Braus verbraten. Billig Energie von Putin beziehen und nicht mal die volle Prämie für die Hausratversicherung bezahlen, das war zu viel des Guten, bis die Stimmung jetzt endgültig gekippt ist, wie Anspielungen und anti-deutsche Kommentare neuerdings die Runde machen in der US-Hauptstadt.
Aus Sicht der USA ist ihr Land im wirtschaftlichen Vergleich immer weiter hinter China, Deutschland und die EU zurückgefallen - das Haushaltsdefizit der USA und das Außenhandelsdefizit sind ökonomisch die Kehrseiten der selben Medaille. Dabei geht es nicht um das Silicon Valley, wo die Zukunft entwickelt und programmiert wird. Das unstimmige Bild sieht man nur dann, wenn man mal wirklich durch das sogenannte Fly-over-Territory fährt und die Augen offen hält. Wie sich der „Average Joe“ dort kaum etwas leisten kann, weil die Preise für Lebensmittel und an der Zapfsäule inflationär explodiert sind. Wo die Armen in Trailern wohnen und die Strommasten bei jedem Hurricane abknicken oder umfallen. In den Backwoods der Südstaaten, den verlorenen Weiten der Badlands und den Great Plains bis Oklahoma, den prekären Randbereichen der amerikanischen Wüste und in der Skid Row von Los Angeles, wo 50.000 Menschen hoffnungslos inmitten der Hochhäuser auf dem Bordstein dahinvegetieren.
In Deutschland haben wir lange wie auf einer Insel der Glückseligen gelebt. Jetzt wird es offensichtlich höchste Zeit, sich wieder einzureihen in die europäische Gemeinschaft, die unser einziger Schutz sein wird, wenn Trump sich tatsächlich abwendet.
Noch einmal in den Worten Bramls: „Vor allem, auch weil China als militärischer Rivale zu den USA aufgestiegen ist und sich die USA verstärkt nach Asien orientieren, sollte Europa darauf hinarbeiten, sich selbst verteidigen zu können. Unabhängig vom Ausgang der US-Wahlen werden die Europäer mehr für ihre Landesverteidigung gegen ein revanchistisches Russland und den Wiederaufbau der Ukraine ausgeben müssen. Unter einem [...] Oberbefehlshaber Trump wären die Nato und das Schutzversprechen der USA gegenüber Europa nicht mehr viel Wert. Die Europäer müssten umso mehr für ihre eigene Sicherheit investieren.“ Um nicht wie in vergangenen düsteren Zeiten vor die Alternative „Butter oder Kanonen“ gestellt zu werden, muss die Friedensdividende endlich vom Konto abgehoben und investiert werden.
Butter oder Kanonen? Oder besser das liebe Geld sinnvoll für die Zukunft einsetzen?
„Statt ihre Währungsreserven und Ersparnisse zur Unterstützung der US-Wirtschaft und -Militärausgaben zu nutzen, könnten europäische Länder und Investoren sie in die Stärkung des Euro und Europas sicherheitspolitische Fähigkeiten, digitale Infrastruktur und Zukunftstechnologien investieren, um sich für den durch den chinesisch-amerikanischen Wettbewerb verschärften geo-ökonomischen Wettkampf zu rüsten“, empfiehlt Braml. Obwohl auch er wohl das Ende des Freihandels gekommen sieht, wenn sich in der europäischen Gemeinschaft die nationalistischen Kräfte á la Le Pen, Wilders, Meloni, Weidel und Wagenknecht durchsetzen sollten.