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Schwarzarbeit: Schattenwirtschaft auf Höchststand - Immer mehr Schwarzarbeiter durch das Bürgergeld?

Keine Sozialversicherungsbeiträge, keine Lohnsteuer – stattdessen das Geld bar auf die Hand: Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit und Steuererhöhungen treiben Menschen in illegale Tätigkeiten. Für die Regierung ist das ein Problem. Doch die Beschäftigung am Fiskus vorbei schafft auch Wohlstand. Schwarzarbeit – gut für den Konsum? Und welche Rolle spielt das Bürgergeld?
04.01.2025 17:48
Lesezeit: 4 min
Schwarzarbeit: Schattenwirtschaft auf Höchststand - Immer mehr Schwarzarbeiter durch das Bürgergeld?
In Deutschland boomt die Schwarzarbeit – vor allem in der Baubranche. Im laufenden Jahr dürfte sie ein Gesamtvolumen von 498 Milliarden Euro erreichen. (Foto: dpa) Foto: Soeren Stache

In Deutschland wächst zwar nicht Bruttoinlandsprodukt (BIP), dafür aber die Schwarzarbeit: Die Schattenwirtschaft soll im Jahr 2024 im Vergleich zu 2023 um 55 Milliarden Euro auf 498 Mrd. Euro und im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 12,3 Prozent gewachsen sein. Treffen die Schätzungen von Ökonomieprofessor Prof. Friedrich Schneider aus Linz zu, entspricht die Schwarzarbeit etwa zwölf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung, berichtete die Welt.

Die nicht gemeldeten wirtschaftlichen Tätigkeiten – also Schwarzarbeit – machen den größten Teil der Schattenwirtschaft aus, illegale Tätigkeiten wie die organisierte Kriminalität dagegen nur einen kleinen Teil. Sie beinhaltet alle wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland, die nicht von der Steuer erfasst werden, weil sie nicht deklariert werden und deshalb nicht ins Bruttoinlandsprodukt einfließen.

Schadenssumme durch Schwarzarbeit in Deutschland bis 2023

Im Jahr 2023 ermittelte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FSK) des deutschen Zolls eine Schadenssumme durch Schwarzarbeit in Höhe von rund 614,6 Millionen Euro. Dabei entspricht die Summe lediglich dem im Rahmen der eingeleiteten Strafverfahren und Ordnungswidrigkeitenverfahren durch die Behörde errechneten Schaden. Die Dunkelziffer des finanziellen Schadens für den deutschen Staat ist wesentlich höher.

Bundesweite Zoll-Razzia gegen Schwarzarbeit in der Pflege

Im September hat der Zoll bei einer bundesweiten Razzia nach Beweisen für Sozialversicherungsbetrug und illegale Beschäftigung in der Pflegebranche gesucht. Die Aktion habe sich gegen einen Unternehmenskomplex gerichtet, der Pflegekräfte für die 24-Stunden-Pflege in Privathaushalten vermittelt.

Ermittelt wurde gegen zwei Männer und zwei Frauen, die über mehrere Jahre unter anderem in Rumänien Arbeitskräfte angeworben haben sollen, die dann als Pflegekräfte in Privathaushalten in Deutschland gearbeitet haben. Beiträge für die Rentenversicherung, Arbeitslosen-, Pflege, oder Krankenversicherung seien für die angeworbenen Kräfte aber nicht regulär bezahlt worden. Den Schaden für das deutsche Sozialsystem beziffern die Ermittler auf mindestens 2,2 Millionen Euro. Auch gab es eine Ermittlung zur illegalen Beschäftigung. So hätten Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern verbotenerweise mit Touristen-Visa in Deutschland gearbeitet.

Schaden in Millionenhöhe – Unternehmer wegen Schwarzarbeit in U-Haft

In einem millionenschweren Fall von mutmaßlicher Schwarzarbeit auf dem Bau kam im Juni ein Münchner Unternehmer in Untersuchungshaft. Dem Hauptverdächtigen wirft die Staatsanwaltschaft Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt vor. Der bislang geschätzte Gesamtschaden liege zwischen vier und sechs Millionen Euro.

Er soll seit 2015 den Einsatz von Schwarzarbeit in verschiedenen Unternehmen organisiert zu haben und keine Sozialversicherungsbeträge und Lohnsteuer entrichtet haben. Stattdessen soll er Löhne bar an die Arbeitnehmer ausbezahlt haben. Den Ermittlern zufolge gab es ein Geflecht von Barabhebungen und Scheinrechnungen, um die Straftaten zu verschleiern.

Schattenwirtschaft steigt: Welchen Einfluss hat das Bürgergeld?

Größter Bereich ist laut Friedrich Schneider, Ökonomieprofessor an der Universität Linz, die Bauwirtschaft inklusive Reparaturen (etwa für Elektriker, Klempner), danach: haushaltsnahe Dienstleistungen (Beispiel: Putzfrau). Der Grund: „Die Nebenkosten sind so hoch, dass in vielen Bereichen nur noch Schwarzarbeit lohnt – auch verdient eine wachsende Zahl Bürgergeld-Empfänger schwarz hinzu“, so Schneider. Aber: „Schwarzarbeiter gibt es 12 bis 15 Millionen in Deutschland. Schwarzarbeitende Bürgergeld-Bezieher nur etwa 400 000 bis 500 000“, schätzt der Ökonom.

Bereits in einer Untersuchung Anfang des Jahres analysierte Schneider einen Zusammenhang mit der Erhöhung der Regelsätze des Bürgergelds um ca. 12 Prozent zum 1. Januar 2024. Zum einen engagiert sich ein geringerer Anteil der Bürgergeld-Beziehenden in der Schattenwirtschaft, weil die Bürgergeld-Haushalte aufgrund der gestiegenen Transfersätze weniger auf dieses Erwerbseinkommen angewiesen sind.

Zum anderen erhöht sich voraussichtlich die Anzahl der Haushalte, die Bürgergeld erhalten, weil der Anreiz, durch die Aufnahme einer (legalen) Erwerbstätigkeit den Bezug von Bürgergeld zu beenden, durch das höhere Bürgergeld geringer wird.

Auch die Rückkehr zum vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent im Bereich der Gastwirtschaft schafft einen zusätzlichen Anreiz, einen Teil der Umsätze nicht anzugeben. Aufgrund dieses Effekts wird ein Anstieg von 1,9 Mrd. Euro berechnet.

Weitere Änderungen bei Steuern, Sozialabgaben und Regulierungen im Jahr 2024, beispielsweise die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns oder die Erhöhung der Geringfügigkeitsschwelle bei den sogenannten Minijobs, sind zu gering, als dass sich daraus Änderungen der Schattenwirtschaft berechnen lassen.

Schwarzarbeit boomt – und bringt Wohlstand

Unterm Strich produziert die Schattenwirtschaft auch Wohlstand: Zwar bleibt weniger in der Kasse des Staates, dafür mehr beim Bürger. Viele Menschen können nur so die steigenden Lebenshaltungskosten bestreiten. Und sie zeigen damit indirekt ihren Ärger über die Steuerlast in Deutschland. Kurzum: Schwarzarbeit ist der zivile Ungehorsam des frustrierten Steuerzahlers. Der Staat könnte die Signale geschickt für sich nutzen – wenn er denn wollte.

Friedrich Schneider, Experte und Koryphäe im Bereich der Forschung zur Schattenwirtschaft, sagt es so: „Schwarzarbeit ist kein Schaden. Schwarzarbeit ist Wertschöpfung.“

Politik und Gewerkschaften sprechen hingegen vom „Milliardenschaden“ durch verminderte Steuereinnahmen. Aber Ökonomen widersprechen. Steuern und Sozialausgaben seien zweitrangig. Entscheidend für die Volkswirtschaft sei die Wertschöpfung. Ökonom Schneider ist überzeugt, dass ein Deutschland, in dem sich alle an die Regeln halten würden, deutlich weniger produktiv und ärmer wäre.

Prognose der Schattenwirtschaft international

Im internationalen Vergleich gehört Deutschland zu den Ländern mit einem leicht überdurchschnittlichen Zuwachs der Schattenwirtschaft. Die Unterschiede zwischen den Ländern spiegeln die unterschiedlich hohen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts gemäß den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wider. So hatten die Länder mit einem geringen Anstieg der Schattenwirtschaft im Zeitraum der letzten fünf Jahre (z. B. Norwegen, USA) besonders hohe Wachstumsraten.

Insgesamt lag das Verhältnis von Schattenwirtschaft und offiziellem Bruttoinlandsprodukt in Deutschland mit 11,3 Prozent im Jahr 2022 noch unterhalb des Mittelwerts für 20 größere Industrieländer von 12,5 Prozent.

Scholz will Schwarzarbeit „besser drankriegen“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte im Sommer, er will Schwarzarbeit in Deutschland stärker bekämpfen und dabei jene in den Blick nehmen, die parallel Bürgergeld beziehen. Mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung werde man neue Möglichkeiten nutzen, um vor allem jene Menschen, „die schwarz arbeiten und gleichzeitig Stütze kassieren, besser dranzukriegen“, sagte er beim Bürgerdialog in Saarbrücken. Diejenigen, die sich über ein solches Verhalten – schwarz arbeiten und Bürgergeld beziehen – beklagen, tun dies seiner Ansicht nach zu Recht. „Wir werden das nicht hinnehmen, und wir werden das nicht dulden“, sagte er. Für ihn gelte nach wie vor der Satz: „Jeder, der arbeitet, hat immer mehr als jemand, der nicht arbeitet.“

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Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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