Kein Gas mehr in Mannheim ab dem Jahr 2035: Das hat der Mannheimer Energieversorger MVV neulich angekündigt und mit Klimaschutz begründet. Das bedeutet für Bürger, Gewerbetreibende und Unternehmen, dass ab dann in Mannheim keine Gasheizungen mehr betrieben werden können. Stattdessen soll die Versorgung mit Fernwärme ausgebaut werden. Ein krasser Schritt. Führt er in die richtige Richtung?
Gas wird immer teurer
Dieser Beschluss sei auch politisch gewünscht, sagt MVV-Sprecher Sebastian Ackermann. Denn die Entscheidung, in Zukunft auf Gas zu verzichten, habe die MVV nicht allein getroffen: Bereits im März hat der Gemeinderat den kommunalen Wärmeplan beschlossen - dieser sieht künftig kein Gas mehr zur Wärmeversorgung vor. Ein weiterer Grund neben dem Klimaschutz für den Ausstieg sind laut Ackermann die Kosten der Gasversorgung: "Gas wird perspektivisch so teuer werden, dass es sich weder Kunden noch Unternehmen ökonomisch werden leisten können, Gas zu beziehen".
Zum Teil liege das an der CO2-Bepreisung, die in den kommenden Jahren steigen wird - auch aufgrund von EU-Vorschriften. Außerdem kündigen aktuell immer mehr Haushalte in Mannheim von sich aus ihren Gasanschluss. Dadurch würden die Netznutzungsentgelte auf immer weniger Menschen umgelegt und so teurer. Der Mannheimer Energieversorger rät seinen Gaskunden jetzt, auf Fernwärme oder Wärmepumpe umzusteigen. Bis in knapp zehn Jahren sollen 75 Prozent der Haushalte an das Fernwärmenetz angeschlossen sein, zehn Prozent mehr als jetzt. Um klimaneutral zu werden, investiert das Unternehmen in den Ausbau nachhaltiger Fernwärme, zum Beispiel mit Flusswärmepumpen oder Geothermie. Und dennoch: Nicht alle Mannheimer werden in Zukunft Fernwärme nutzen können, denn die Rohre werden nicht in alle Stadtteile verlegt. Für rund 25.000 Haushalte heißt es: eine Alternative finden, also beispielsweise selbst eine Wärmepumpe zu installieren oder beispielsweise mit Pellets zu heizen.
Ärger bei Gaskunden
Das Ganze war zwar schon länger angekündigt, sorgt aber dennoch für Ärger bei den Gaskunden, der sich wenige Tage nach der Ankündigung der MVV auf einer Informationsveranstaltung entlädt, wie das ZDF berichtete. "Jetzt stehe ich da und kann die Finanzierung meiner Gasheizung, die ich ungefähr auf 20 Jahre gerechnet habe, nach 15 Jahren in die Tonne kloppen", empört sich ein Bürger, und ein anderer ruft: "Das werde ich nicht kampflos geschehen lassen." Tatsächlich bleibt dem Energieversorger MVV keine Wahl, als langfristig aus den fossilen Energiequellen auszusteigen. "Die im Sommer in Kraft getretene EU-Binnengasrichtlinie verpflichtet die Betreiber von Gasverteilnetzen, Stilllegungspläne zu entwickeln, wenn sie eine sinkende Nachfrage nach Erdgas erwarten", heißt es von der Stadt Mannheim. Das Gas-Aus trifft also nicht nur Mannheim. Auch andere Städte wie etwa Hannover, Stuttgart oder München wollen in den nächsten Jahren weg vom Gas – nur sind in Mannheim die Ansagen jetzt besonders konkret.
Wann wird mir das Gas abgestellt?
Am 1. Januar 2024 ist das Wärmeplanungsgesetz des Bundes in Kraft getreten. Dieses Gesetz verpflichtet die Länder sicherzustellen, dass ihre Kommunen und Städte eine kommunale Wärmeplanung erstellen. Das Ziel: bis 2045 soll die Wärmeversorgung in Deutschland klimafreundlich sein. Bisher beansprucht sie über die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs im Bund. Deshalb sollen Großstädte ab 100.000 Einwohnern bis Mitte 2026 einen Wärmeplan vorlegen. Kleinere Städte und Kommunen haben bis Mitte 2028 Zeit. Bisher haben nicht alle Bundesländer das Gesetz in Landesrecht übernommen.
Wärmeversorgung in Gefahr?
Um langfristig vom Erdgas wegzukommen, planen viele Stadtwerke den Ausbau der Fernwärme. Doch die schwierige Finanzierung und das politische Hin und Her halten sie zurück, wie eine Verbandsumfrage zeigt. Zahlreiche Stadtwerke in Deutschland wollen ihr Geschäft mit Erdgas und Fernwärme umbauen, doch die Finanzierung stellt sie vor große Herausforderungen. Dies geht aus einer Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) unter seinen Mitgliedern hervor. Darin gaben 41 Prozent der befragten Stadtwerke an, dass eine bezahlbare Wärmeversorgung in der Zukunft nicht garantiert sei. Nur 38 Prozent der Befragten sehen die bezahlbare Wärmeversorgung auch weiterhin als gesichert an.
Mit dem Ziel einer klimaneutralen Bundesrepublik bis 2045, den Vorgaben des sogenannten Heizungsgesetzes und der Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung steht der Gebäudesektor vor einem tiefgreifenden Umbau: Noch immer wird etwa die Hälfte aller Wohnungen und Einfamilienhäuser in Deutschland mit Erdgas beheizt, weitere 23 Prozent mit Heizöl. Doch der CO2-Preis verteuert fossile Brennstoffe stetig. Auch Gasnetze werden, je mehr Abnehmer auf Wärmepumpen oder Fernwärme umsteigen, immer teurer für die verbleibenden Nutzer.
Vor diesem Hintergrund wollen laut der VKU-Umfrage 97 Prozent der befragten Stadtwerke ihre Investitionen in die Wärmeversorgung deutlich erhöhen. Konkret gehen 83 Prozent der Versorger davon aus, dass Fernwärme in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen dürfte. Wenn es darum geht, welche Anlagen in Zukunft Wärme erzeugen werden, sehen 74 Prozent der Befragten das größte Potenzial in Wärmepumpen – insbesondere in Großwärmepumpen für ganze Wärmenetze. Auch Geothermie, Abwärme von Industriebetrieben sowie die Müllverbrennung stehen bei den Stadtwerken hoch im Kurs.
Allerdings kritisieren die Versorger, dass die unklare Finanzierung, langwierige Genehmigungsprozesse und Bürokratie die größten Hindernisse für die geplanten Investitionen darstellen. Der Staat subventioniert den Ausbau mit der sogenannten Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, doch die Mittel sind begrenzt.
VKU wirbt für "Energiewende-Fonds"
Politisch ist der Ausbau der Fernwärme zwar gewünscht, stellt aber auch eine Herausforderung dar: Der Vorteil liegt darin, dass Stadtwerke die Wärmeversorgung ganzer Viertel umbauen können, sodass sich die Haushalte nicht für eine einzelne Technologie entscheiden müssen.
Auf der anderen Seite binden sich Fernwärmekunden über längere Zeiträume an einen einzigen Anbieter, der in der Region Monopolist ist. Trotz geplanter gesetzlicher Änderungen klaffen die Fernwärmepreise innerhalb Deutschlands weiterhin weit auseinander. Die Bundesregierung hatte ursprünglich die Fernwärmeverordnung reformieren wollen, doch nach dem Bruch der Ampelkoalition liegen die Pläne vorerst auf Eis.
Dieser Zustand der Unsicherheit verunsichert die Branche, so der VKU: "Um die Fernwärme massiv ausbauen zu können, brauchen wir klare rechtliche Rahmenbedingungen und kein ständiges politisches Hin und Her", erklärt Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Betreiber von Fernwärmenetzen müssen ihre Investitionen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten um das Dreifache erhöhen. Liebing wirbt daher für einen "Energiewende-Fonds", in den beispielsweise Pensionskassen, Lebensversicherer oder Versorgungswerke Kapital einzahlen könnten. Stadtwerke könnten über diesen Hebel zusätzliche Darlehen aufnehmen, um in Wärmenetze zu investieren. Der Bund und die Länder könnten dies mithilfe von Bürgschaften und Garantien absichern.
Was ist Fernwärme?
Fernwärme ist eine zentrale Technologie in der Energiewende und ein wichtiger Baustein zur Dekarbonisierung des Heizsektors. In Deutschland wird Fernwärme vor allem in urbanen Regionen als effiziente und klimafreundliche Lösung genutzt. Sie basiert auf der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bei der gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt werden. Besonders in Großstädten wie Berlin und Hamburg sowie in anderen Regionen wie Nordrhein-Westfalen und Sachsen hat Fernwärme eine hohe Bedeutung. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) heizen etwa 14 Prozent der Haushalte in Deutschland bereits mit Fernwärme. Laut BDEW wurden im Jahr 2023 26,1 Prozent aller fertiggestellten Wohnungen an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Im Wohnungsbestand liegt die Technologie nach Gas- und Ölheizungen auf dem dritten Platz.
Auch wenn der Begriff "Fernwärme" Entfernung suggeriert, ist räumliche Nähe ein entscheidender Faktor: Auf weiten Distanzen entstehen Verluste, sodass Fernwärme möglichst im Umkreis der Erzeugung genutzt werden muss. Ein Netz ist deshalb in sich geschlossen und lokal begrenzt. Der jeweilige Betreiber wird dadurch zum natürlichen Monopolisten. Dass Fernwärmepreise zwischen unterschiedlichen Regionen variieren, liegt an den Besonderheiten vor Ort: Je nach Netz werden unterschiedliche Energieträger und Erzeugungstechnologien verwendet – das bedeutet unterschiedliche Kosten für die Versorger. Außerdem sind die Netze unterschiedlich alt, unterschiedlich lang und mit den jeweiligen geografischen Gegebenheiten am Ort konfrontiert. Etwa 3.800 Fernwärmenetze gibt es aktuell in Deutschland.
Wie funktioniert Fernwärme?
Fernwärme wird in der Regel über ein zentrales Heizkraftwerk erzeugt, das die Wärme zunächst aufbereitet und dann in Form von heißem Wasser oder Wasserdampf durch ein unterirdisch verlegtes, isoliertes Rohrleitungssystem direkt zum Verbraucher leitet. Von der Hauptleitung wird dafür eine Hausanschlussleitung bis zum Gebäude des Endabnehmers gelegt. Die ans Fernwärmenetz angeschlossenen Gebäude benötigen keine mit Brennstoffen befeuerten Heizungsanlagen mehr.
Ein Fernwärmesystem funktioniert als geschlossener Kreislauf mit Vor- und Rücklauf. Das bedeutet: Das ankommende heiße Wasser wird zum Heizen und zur Warmwasserbereitung genutzt. Anschließend wird das abgekühlte Wasser wieder zurück ins Fernwärmenetz geleitet.
Zu den großen Vorteilen von Fernwärmenetzen gehört ihre Flexibilität: Eine Vielzahl sowohl zentraler als auch dezentraler Wärmequellen lässt sich integrieren. Häufig dienen Heizkraftwerke und Blockheizkraftwerke als Wärmelieferanten, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung effizient Strom und Wärme erzeugen. Zudem können Abwärme aus Industrieprozessen, Müllverwertung oder Abwasserreinigung sowie Wärme aus Geothermie oder Solarthermie eingebunden werden.
Was plant die Regierung zur Fernwärmeversorgung in Deutschland?
Der Markt für Fernwärme ist in Deutschland derzeit nicht reguliert, was den Verbrauchern in vielen Fällen wenig Einfluss auf die Preise und die Auswahl des Anbieters lässt. Fernwärmeversorger, meist kommunale Stadtwerke, betreiben sowohl die Wärmenetze als auch die Kraftwerke und sind daher in einer monopolistischen Position. Das bedeutet, dass Verbraucher in bestimmten Regionen nicht zwischen verschiedenen Anbietern wählen können und die Preise weitgehend dem Anbieter überlassen bleiben. Trotz dieser Marktsituation gibt es jedoch zunehmend regulatorische Maßnahmen, die darauf abzielen, mehr Transparenz zu schaffen und die Fernwärmeversorgung umweltfreundlicher und verbraucherfreundlicher zu gestalten.
Ein wesentlicher Schritt ist das Wärmeplanungsgesetz, das die Bundesregierung 2023 verabschiedet hat. Es sieht vor, dass Fernwärmenetze bis 2045 klimaneutral betrieben werden müssen. Ab 2030 sollen mindestens 30 Prozent der Energie für Fernwärme aus erneuerbaren Quellen stammen, ab 2040 sogar 80 Prozent. Dies könnte dazu führen, dass die Fernwärmepreise mittelfristig sinken, da die Nutzung fossiler Brennstoffe immer weiter reduziert wird.
Für die Verbraucher ist besonders interessant, dass Fernwärmeanbieter künftig verpflichtet werden, ihre Preisgestaltung transparenter zu machen. Auch die Laufzeiten von Fernwärmeverträgen sollen ab 2025 verkürzt werden, was den Verbrauchern mehr Flexibilität bei der Wahl der Heizmethode verschafft. Die Gesetzgebung zur Preisgestaltung wird auch durch eine stärkere Aufsicht durch die Kartellbehörden unterstützt, um Missbrauch und überhöhte Preise zu verhindern.
Fernwärme Preise: Was kostet der Umstieg?
Die Preise für Fernwärme setzen sich aus einem Grundpreis und einem Arbeitspreis zusammen. Der Grundpreis hängt von der Anschlussleistung des Haushalts ab und ist auch dann zu zahlen, wenn der Verbraucher weniger Wärme bezieht. Der Arbeitspreis wiederum richtet sich nach dem tatsächlichen Verbrauch und schwankt je nach Anbieter und Region. Die Höhe des Arbeitspreises wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, insbesondere durch die Betriebskosten der Kraftwerke und den Brennstoffmix.
Ein Vergleich der Fernwärmepreise mit anderen Heizmethoden wie Erdgas zeigt, dass Fernwärme in einigen Regionen teurer ist. Während Fernwärme in Großstädten aufgrund der zentralen Versorgung tendenziell günstiger sein kann, sind in ländlicheren Gebieten oft höhere Preise zu erwarten. Darüber hinaus wird der Fernwärmepreis auch durch gesetzliche Preisänderungsklauseln beeinflusst. Diese ermöglichen es den Anbietern, ihre Preise regelmäßig anzupassen, was für die Verbraucher zu einer gewissen Unsicherheit führt.
Vorteile und Nachteile der Fernwärme
Vorteile:
- Komfort: Keine eigene Heizungsanlage im Haushalt nötig, Wartung und Betrieb entfallen.
- Effizienz: Kraft-Wärme-Kopplung erhöht die Ressourcennutzung.
- Umweltfreundlicher: Steigender Anteil erneuerbarer Energien im Fernwärmesystem.
- Keine Investitionskosten: Keine Notwendigkeit, in teure Heiztechnik zu investieren.
Nachteile:
- Preistransparenz: Wenig Einfluss auf Preisgestaltung und Anbieterwahl.
- Preissteigerungen: Preisanpassungen durch Anbieter möglich, keine festen Obergrenzen.
- Abhängigkeit: Kein Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern in einem Netzgebiet.
- Begrenzte Flexibilität: Fernwärmeverträge binden langfristig.
Ausblick: Was erwartet die Verbraucher?
Mit Blick auf die kommenden Bundestagswahlen im Jahr 2025 dürfte die Energieversorgung weiterhin ein zentrales Thema bleiben. Die Politik wird sich verstärkt auf die Frage konzentrieren müssen, wie eine faire und transparente Preisgestaltung sowie die Umstellung auf erneuerbare Energien in der Fernwärmeversorgung besser unterstützt werden können. Auch die Verbraucherzentralen fordern mehr Mitspracherecht und einen klareren Markt, der es den Verbrauchern ermöglicht, von den Veränderungen der Energiewende zu profitieren, ohne von preispolitischen Übergriffen betroffen zu sein.
Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die Fernwärmeversorgung in Deutschland entwickeln wird. Die gesetzgeberischen Maßnahmen, die mit dem Wärmeplanungsgesetz und der geplanten Preisregulierung zusammenhängen, dürften auf lange Sicht für eine nachhaltigere und verbraucherfreundlichere Versorgung sorgen. Jedoch müssen die kommenden Jahre zeigen, wie schnell und effektiv diese Ziele erreicht werden können. Die Bürger werden dabei nicht nur als Verbraucher gefragt sein, sondern auch als Mitgestalter einer klimapolitischen Wende, die den Wärmesektor tiefgreifend verändern wird.