Airbus hat in den vergangenen Jahrzehnten dem US-Platzhirsch Boeing in der Luftfahrtbranche geradezu den Rang abgelaufen und wirtschaftlich zu schaffen gemacht. Wie es im Konkurrenzkampf der beiden Giganten der Lüfte weitergeht, nachdem Donald Trump am 20. Januar das Zepter in Washington übernimmt, wird sich erweisen müssen. Dass Airbus von der EU mit Subventionen aufgepäppelt wurde, lässt sich nicht leugnen und könnte noch zum Bumerang im Verhältnis Europa/USA werden. Mal sehen, wann Donald Trump das Thema aufwirft!
Da trifft es sich gut, wenn Deutschland auch andernorts sein überliefertes Knowhow neu betrachtet und (jenseits von Finkenwerder) in neue Produktivität beim Flugzeugbau übersetzt. In Oberpfaffenhofen etwa, wo so viele fähige Spezialisten und Ingenieure begeistert nach technisch neuen Lösungen für die Zukunft tüfteln, entsteht ein Flugzeug, das auf der Dornier Do 328 aufbaut. Die deutsche Flugzeugindustrie könnte so neu belebt werden. Gute Nachrichten in Zeiten, in denen Innovationen der deutschen Luftfahrt von Bund und Ländern eher stiefmütterlich behandelt werden - wie etwa das Beispiel des Flug-Taxi-Startups Lilium zeigt.
Wo Knowhow beim Flugzeugbau schlummert und mit Finanzspritzen geborgen werden kann
Während Lilium nach Insolvenzantrag plötzlich doch neue Investoren gefunden hat und weiter tüftelt und vor sich hin puzzelt, ist nur ein paar Blocks weiter ein weiteres Unternehmen auf besten Wege, einen Klassiker neu zu entwickeln und zur Marktreife zu führen. Die Rede ist von der Firma Deutsche Aircraft und ihrem geplanten Neubau des letzten Erfolgsmodells des legendären Herstellers Dornier – der immer noch auf Kurzstrecken in Diensten stehenden Dornier 328. 220 Exemplare wurden davon bis 2005 gebaut. Die Deutsche Aircraft hatte vor einigen Jahren gewissermaßen die bestehenden weltweiten Service-Aufträge („328-Support-Services“) und obendrein die Markenrechte des erfolgreichen Fliegers aus der Insolvenzmasse und dem Scherbenhaufen des notorischen DaimlerChrysler-Luftfahrtabenteuers übernommen.
Zur Erinnerung: Es war maßgeblich der frühere Daimler-Chef Jürgen Schrempp der den Automobilkonzern in Sachen Luft- und Raumfahrt zu erweitern trachtete. Aus diversen namhaften Einzelteilen wie Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), MTU, Telefunken Systemtechnik, Fokker und Dornier wurden die Crème de la Crème des Ingenieurwesens zusammengeklaubt und anfangs als DASA und zuletzt in der EADS zusammengefasst. Bis nach Mauerfall und Ende des Kalten Krieges die sogenannte Friedensdividende der deutschen Wirtschaft dem ehrgeizigen und teils größenwahnsinnigen Streben in Stuttgart ein Ende bereitete und das wilde Konglomerat in seine Einzelteile zerlegt und teils aber auch liquidiert wurde.
Jetzt also soll es eine D328 eco geben und damit ein bereits mitten in der Entwicklung befindliches neues Passagierflugzeug mit Turboprop-Antrieb des mittlerweile eines Tochterunternehmens in Besitz des US-amerikanischen Luftfahrtkonzerns Sierra Nevada Corporation. Nach Angaben am Sitz in Oberpfaffenhofen handelt es sich um eine nachhaltige Öko-Version der hochgeschätzten Dornier 328. In Leipzig soll es 2026 in Serienproduktion gehen. Eine Werkshalle dort am Flughafen befindet sich in Bau – Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer war unlängst beim Baubeginn mit am Start. Die mutigen Investoren hinter der Sierra Nevada Corporation erhoffen sich endlich einen Bestseller – die Bundesregierung ist mit 125 Millionen Euro Risikokapital mit in die Bütt gegangen.
Sierra Nevada Corp. ist bislang vor allem durch Regierungsaufträge der US-Army und Nasa aufgefallen und langsam gewachsen. Beim Raumgleiter lag man gut im Rennen, segelte dann jedoch auf den letzten Metern am Auftrag vorbei. Dann stieg man in Deutschland ein und fand eine Nische. „Wir sehen einen Markt mit einem Bedarf von bis zu 3800 Flugzeugen in den kommenden Jahren“, sagte Firmenchef Nico Neumann in einem Interview. Das Flugzeug soll „seine Stärken ausspielen, wo es an klassischer Infrastruktur mangelt“. Angeblich 34 Aufträge liegen bislang insgesamt vor. Jährlich sollen 48 Flieger montiert werden in Leipzig, sonst würde sich das Geschäft nicht dauerhaft lohnen.
Warum der Charter-Dienst Private Wings Bedarf angemeldet und das neue Eco-Modell geordert hat
So befinden sich neun dieser alten Maschinen mit je 33 Sitzen immer noch in Diensten des Berliner Charter-Flugdienstes Private Wings am Flughafen Schönefeld. Die inhabergeführte Fluggesellschaft zählt vor allem Volkswagen zu ihren Hauptkunden und fliegt VW-Spitzenpersonal beispielsweise von Braunschweig nach Berlin oder in den Süden zu den Audi- und Porsche-Standorten Ingolstadt und Stuttgart. CEO, Peter Gatz, hat deshalb auch als erster Kunde fünf Maschinen des geplanten Nachfolgemodells geordert. Als Weiterentwicklung soll die Maschine einen auf 23,3 Meter verlängerten Rumpf verpasst bekommen, mit sparsamen und Biosprit verträglichen Pratt & Whitney 127S-Motoren bestückt werden sowie moderne Avionik der Firma Garmin erhalten, um künftig den Single-Pilot-Betrieb ermöglichen.
Erstmals wieder Flugzeugbau in Deutschland – und nicht nur die Montage von Einzelteilen
Luftfahrt-Experten feiern das Projekt bereits als Comeback der deutschen Flugzeug-Industrie. Zwar werden Namen wie Fokker und Dornier wohl für immer Geschichte bleiben. Dafür zeigt das Engagement der Deutschen Aircraft (in mehrheitlichen Besitz eines amerikanisch-türkischen Ehepaars aus dem Glücksspiel-Staat Nevada), wie Deutschland endlich wieder in Gänze Flugzeuge baut. Die Chronisten haben euphorisch zurückgeblättert und festgestellt, dass derlei Großartiges zuletzt vor 20 Jahren vermeldet wurde. Es geht um den feinen Unterschied in Sachen Aviation-Kunst, wie viele Nostalgiker argwöhnen. Denn bei Airbus werden ja nur die Bestandteile aus allen Teilen Europas zusammengesetzt. Doch leider nicht mehr – in toto – ein kompletter Flieger geplant und gebaut. So wie es mal eine besondere Stärke der hiesigen Feinmechaniker war.
Was waren das für Zeiten, als in Lindau (und später in Friedrichshafen sowie andernorts rund um den Bodensee) Zeppelin und Dornier anfangs noch gemeinsam Luftschiffe bauten und berühmt machten. Bis Claude Dornier anno 1926 Roald Amundsens Expeditions-Crew an den Nordpol verfrachtete und sich wohl deshalb auf die Konstruktion von Wasserflugzeugen wie dem legendären „Wal“ van 1922 kaprizierte. So legte Dornier die Fundamente für einen technologischen Multi-Konzern, dessen Kompetenz weit über die Luftfahrt hinausreichte. Der Ruf der Firma Dornier klingt jedenfalls in Deutschland noch immer nach. Selbst wenn er auch heute fast nur bei der Vermögensverwaltung der Familienstämme von Bedeutung ist.
Warum die Fähigkeiten zum Flugzeugbau von strategischer Bedeutung im Nato-Kreise sind
Immerhin gibt es in den USA noch viele Geldgeber, die an Deutschlands Fähigkeit und Tradition in der Luftfahrt glauben. Selbst das US-Militär soll weiter Verwendung für die neue Eco-D328 signalisiert haben. Die Air Force hat ja bereits die genügsame alte Dornier 328 stets erfolgreich für Spezialoperationen in aller Welt (und vor allem auf kurzen Runways in Afrika und Südamerika) eingesetzt. Im Wettbewerb mit Großbritannien, Frankreich und den USA (und bei den vermutlich jetzt bald bevorstehenden Diskussionen über künftige Rüstungsaufträge) wird es im Übrigen von strategischer Bedeutung ein, ob Deutschland in technologischen Fragen weiterhin eine zentrale Rolle einnimmt. Andere Hersteller wie Bombardier oder Saab sind bei Propellermaschinen am Markt längst ausgestiegen. ATR, ein französisch-italienisches Konsortium, mischt zwar noch mit, baut aber deutlich größere Flugzeuge.
Damit alles, wie geplant, aufgeht, kommt es recht bald auf die amtliche Zulassung an. Die Mitarbeiter der Deutschen Aircraft bei München hoffen inständig, mit einer Änderungszulassung auf Grundlage des Vorgängermodells durchzukommen. Doch sicher ist das nicht. Eine komplette Neuzulassung könnte wiederum den Zeitablauf noch einmal gründlich durcheinanderbringen und Fristen gefährden. Das Abenteuer Luftfahrt halt!