Wirtschaft

Wirtschaftslage Deutschland: IW-Studie mit düsterer Prognose

Der Ausblick ist mies: Deutsche Wirtschaftsverbände beurteilen die aktuelle Lage in Deutschland als äußerst kritisch, der Ausblick auf das Wirtschaftsjahr 2025 wird entsprechend als wirklich schwierig bis desaströs eingestuft. Irgendwie geht nichts mehr. Hohe Energiepreise, Bürokratiewahnsinn, Exportschwäche – und keine Besserung in Sicht.
10.01.2025 05:57
Lesezeit: 4 min
Wirtschaftslage Deutschland: IW-Studie mit düsterer Prognose
Die Wirtschaftslage in Deutschland bleibt kritisch: Hohe Kosten und Unsicherheiten belasten Unternehmen. (Foto: dpa) Foto: Monika Skolimowska

Wie das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gerade in einer aktuellen Umfrage der Branchenverbände ermittelte, wird die wirtschaftliche Lage von deutschen Unternehmen mit großer Sorge betrachtet. Michael Hüther, der Direktor des IW, sprach davon, dass die aktuelle Krise so vielseitige Ursachen hat wie keine der vielen anderen Krisen in den vergangenen 100 Jahren.

Wirtschaftslage Deutschland: Wenig Optimismus bei den Verbänden

Dabei geht es nicht nur um die hohen Kosten für Arbeit, Energie und Materialien in Deutschland, auch die internationalen Krisen hemmen den Export und die politisch instabile Lage im Inland führt dazu, dass Investitionen ausbleiben. Zusätzlich wird die ausufernde Bürokratie zu einem ernsthaften Problem. 31 der 49 Wirtschaftsverbände bewerten die wirtschaftliche Lage in ihrer Branche als noch schlechter als im vergangenen Jahr. Hüther sieht für die kommende neue Bundesregierung deshalb die große neue Aufgabe, für die deutsche Wirtschaft eine klare und stabile Perspektive zu schaffen.

Aus der Umfrage geht hervor, dass 20 der 49 Wirtschaftsverbände in diesem Jahr Produktionsrückgänge erwarten, 13 Verbände rechnen mit gleichbleibenden Produktionszahlen und 16 sehen eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Gute Perspektiven für 2025 werden im Bereich Immobilien, Entsorgung, Messen und Versicherungen erwartet.

Stellenabbau und Insolvenzen auf Rekordhoch

Bereits 2024 war von Firmenpleiten und Stellenabbau geprägt. Insgesamt 22000 Unternehmen meldeten nach einer Schätzung von Creditreform Insolvenz an. Und auch in 2025 wird es nicht viel besser aussehen. 25 der befragten Wirtschaftsverbände erwarten einen weiteren Stellenabbau und nur in 7 Verbänden wird die Beschäftigungsaussicht als positiv bewertet. Mit weniger Arbeitsplätzen ist insbesondere auf dem Bau, der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und im Bereich Eisen- und Stahlproduktion zu rechnen. Besser sieht es aus in der Speditionsbranche oder der Pharmaindustrie.

Krankes Deutschland

Deutschland ist in Europa ein Problemland. Nach der Prognose des IW wird in 2025 eine weitere Stagnation in der Wirtschaft mit einem minimalen Wachstum von nur 0,1 Prozent erwartet. Auch die etwas optimistischere Prognose der OECD, die immerhin 0,7 Prozent Wachstum prognostiziert, ändert nichts an der Tatsache, dass Deutschland im europäischen Vergleich der große Verlierer ist. Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank, zeichnet eine deutlich pessimistische Perspektive für 2025. Er erwartet Handelsspannungen und Handelskriege sowie eine erstarkende US-Wirtschaft, die dazu führen wird, dass sich auch deutsche Unternehmen immer stärker in Richtung USA orientieren werden. Der immer noch andauernde Krieg in der Ukraine, die chaotische Energiepolitik und die fehlende politische Perspektive tun ihr Übriges dazu.

Auch die Chefvolkswirtin der Helaba, Gertrud Traud, sieht die Lage nüchtern. Seit zwei Jahren schon gibt es in Deutschland kein Wachstum mehr, außer beim Staatskonsum, stellt sie fest. Entsprechend schlecht sei deshalb die Stimmung im privaten Konsum und bei den Unternehmen.

Hoffnung auf die neue Bundesregierung

Allerdings ist für viele Ökonomen die kommende Bundestagswahl auch ein Hoffnungsschimmer, der Bewegung in die festgefahrene Situation bringen könnte. Wie Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank ausführte, könnte ein Investitionspaket in Verbindung mit Strukturreformen den Knoten lösen und zumindest für die zweite Jahreshälfte 2025 wirtschaftliche Erholung bringen. Auch die Hoffnung auf steigenden Konsum besteht. Wie der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, feststellte, könnte die zurückgehende Inflation, gepaart mit steigenden Löhnen, im Laufe des Jahres auch hier wieder Impulse bringen und die Konjunktur ankurbeln. Aktuell allerdings ist die Sparneigung der privaten Haushalte noch sehr hoch aufgrund der Zukunftssorgen.

Auch der deutsche Export ist nach Clemens Fuest eine große Stärke der Wirtschaft. Obwohl wichtige Exportmärkte wie die USA und auch China in Zukunft eventuell schwieriger werden, gibt es die Möglichkeit, neue Exportmärkte zu erschließen. Und auch im eigenen europäischen Markt liegen noch Potenziale brach, besonders im Dienstleistungsbereich.

Wie sich die deutsche Konjunktur im Laufe des Jahres entwickeln wird, ist jedoch auch von globalen Entwicklungen abhängig, und hier spielt auch der kommende US-Präsident Donald Trump eine wichtige Rolle. Und auch hier gibt es Hoffnung. Wie Helaba-Chefvolkswirtin Traud ausführte, könnten die geopolitischen Spannungen sich auch glätten und eine wieder bessere Zusammenarbeit der Staaten und internationalen Organisationen mit sich bringen. Dadurch könnte sich auh in Deutschland die Planungssicherheit wieder erhöhen. Auch könnte weiterer technologischer Fortschritt zu einer verbesserten Produktivität führen.

Deutschland braucht grundlegende Reformen

Nach einer Analyse Deutschlands bekanntester Insolvenzverwalter gibt es vier Ansätze, die für eine Restrukturierung der deutschen Wirtschaft notwendig sind. Sie sehen den Reformstau in Deutschland auch in den komplizierten politischen Konstrukten begründet. Insolvenzverwalter Rainer Eckert führte aus, dass in Deutschland alle paar Monate irgendwo Wahlen stattfinden, die das Land in einer Art Dauerwahlkampf halten. Dadurch ist es kaum möglich, unpopuläre und doch dringende Reformen in Angriff zu nehmen. Er plädiert dafür, Landtags- und Kommunalwahlen auf einen Tag zu legen.

Rentenkasse überfordert Deutschland

Auch müsse das deutsche Rentensystem grundlegend reformiert werden, da die Belastungen durch die Rentenkasse das Land erdrücken. Hier ist zunächst einmal Transparenz notwendig, um einen Überblick über den Vermögensstatus zu bekommen. Auch Pensionsverpflichtungen für Beamte seien ein wichtiges Thema. Zusätzlich müsse in Deutschland auch wieder länger gearbeitet werden, das Renteneintrittsalter müsse hierfür heraufgesetzt werden und auch die Arbeitszeit im Allgemeinen muss steigen, so die Insolvenzverwalter. Durchschnittlich 31 Urlaubstage, 25 Krankentage und 34,4 Stunden Wochenarbeitszeit werten sie als echten Standortnachteil für Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern.

Kosten senken und richtig investieren

Ganz grundsätzlich sehen die Insolvenzverwalter aber auch die Notwendigkeit eines massiven Kostensenkungsprogramms, um den deutschen Haushalt in den Griff zu bekommen. In diesem Zusammenhang müsse auch eine Deckelung der Sozialausgaben realisiert werden. Auf der anderen Seite braucht es umfangreiche Investitionen in die marode Infrastruktur, für die das Geld heute fehlt.

Bürokratiewahnsinn beenden

Zu guter Letzt steht sich Deutschland aus Sicht der Experten durch seine überbordende Bürokratie selbst im Weg. Das sogenannte Mikromanagement durch Gesetze und Verordnungen lähmt das Land und die Wirtschaft insbesondere. Hier sind radikale Einschnitte notwendig. Es gibt viel zu tun in Deutschland, die neue Bundesregierung steht vor großen Aufgaben.

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