Politik

Plan von Robert Habeck: Kapitalerträge sozialversicherungspflichtig machen

Bei den gesetzlichen Krankenversicherern klafft ein großes Finanzloch – einigen droht sogar die Pleite. Die Folge: Zu Jahresbeginn haben die Krankenkassen ihre Beiträge so stark wie seit Jahren nicht mehr erhöht. Eine weitere Erhöhung ist mehr als wahrscheinlich. Noch-Wirtschaftsminister Habeck hat ein Rezept dagegen: Sozialabgaben auch auf Kapitalgewinne.
14.01.2025 08:43
Lesezeit: 3 min
Plan von Robert Habeck: Kapitalerträge sozialversicherungspflichtig machen
Hat gut lachen, denn es läuft beim ihm: Robert Habeck punktet im Wahlkampf mit neuen Ideen und zugkräftigen Schlagworten. (Foto: dpa) Foto: Uli Deck

Die gesetzlichen Krankenversicherer haben ein Finanzierungsproblem: auch als Folge einer Kostenexplosion, die in dieser Form nicht erwartet wurde. Während der GKV-Spitzenverband ein Defizit von 3,5 bis 7 Milliarden Euro für 2024 prognostiziert, rechnet der Software-Entwickler „Bitmarck“, der unter anderem die Elektronische Patientenakte (ePA) betreut, sogar mit einem Finanzloch von bis zu 32 Milliarden Euro.

„Mehr Solidarität“ – Habeck fordert Sozialabgaben auch auf Kapitalerträge

Deshalb haben die Krankenkassen zu Jahresbeginn ihre Beiträge so stark wie seit Jahren nicht mehr erhöht. Zur Vermeidung weiterer Erhöhungen möchte der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck jetzt Einkommen aus Kapitalanlagen in die Sozialversicherungspflicht einbeziehen. In einem Interview der ARD-Sendung Bericht aus Berlin kritisierte der Bundeswirtschaftsminister, dass Kapitalerträge bislang von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt sind. Ihm leuchte nicht ein, dass Arbeit höher belastet werde als Einkommen aus Kapitalanlagen.

„Und deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (...) sozialversicherungspflichtig machen“, sagte Habeck. Wenn auf diese Weise die Beitragsgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung verbreitert werde, wäre dies „ein Schritt zu mehr Solidarität innerhalb des Systems“, betonte er.

20 Prozent für Krankenkasse: TK-Chef warnt vor Anstieg der Beiträge

Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, hatte in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag die Befürchtung geäußert, dass es ohne Reformen im Gesundheitssystem einen weiteren Anstieg der Krankenkassenbeträge geben werde. In der kommenden Legislaturperiode könnten die Krankenkassenbeiträge auf 20 Prozent steigen, warnte er. „Das wird in diesem Jahrzehnt noch passieren, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteuert.“

Er sei nicht optimistisch, dass es zu grundlegenden Reformen im Gesundheitssystem komme, fuhr er fort. „Die Politik will das nicht ändern, notwendige Umverteilungen oder Reformen sind eben alles andere als bequem“, sagte Baas.

Die TK verlangt 17,05 Prozent, der Durchschnitt aller Kassen liegt laut TK bei rund 17,5 Prozent. Arbeitnehmer müssen die Hälfte davon aus ihrem Bruttolohn bezahlen.

Auch der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass die Beiträge zur Krankenversicherung nächstes Jahr weiter angehoben werden. Die Ausgaben für Krankenhäuser und Medikamente würden „praktisch ungebremst“ steigen, ohne die Versorgung der Patienten zu verbessern, kritisierte Verbandschefin Doris Pfeiffer vor kurzem in der Rheinischen Post. Statt die Strukturen zu reformieren, habe die Politik die Rücklagen der Krankenkassen abgeräumt. Die Folge seien höhere Beiträge.

Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger kritisiert Vorschlag

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warnte davor, dass ein solcher Schritt die Mittelschicht besonders belasten würde. Pflichtversicherte müssten dann gegebenenfalls bis zur Beitragsbemessungsgrenze Beiträge auf Kapitalerträge zahlen, sagte der SdK-Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer. „Millionäre und Milliardäre würde dies nicht treffen, da die Krankenversicherungsbeiträge eben durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind.“

Auch der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Christoph Meyer, äußerte Kritik. „Wer sein bereits versteuertes Einkommen unabhängig vom Staat spart oder anlegt, soll jetzt nach dem Willen der Grünen für dieses eigenverantwortliche Handeln bestraft werden“.

Lohnkosten: Großteil der Krankenkassen erhöht den Beitrag

Die Erhöhungen belasten nicht nur die Versicherten, sondern auch die Arbeitgeber, da sie die Beiträge zur Hälfte zahlen. Zu Jahresbeginn hoben 82 der 94 Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge um durchschnittlich gut einen Prozentpunkt auf im Schnitt 2,91 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens an, wie ein Abgleich mit den vom GKV-Spitzenverband noch kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichten Daten zum Zusatzbeitrag zeigt.

Der Zusatzbeitrag kommt zum feststehenden und für alle gültigen Krankenkassenbeitragssatz von 14,6 Prozent hinzu und wurde einst eingeführt, um Wettbewerb zwischen den Kassen zu fördern. Erhöht eine Kasse den Zusatzbeitrag, haben Versicherte ein Sonderkündigungsrecht und können zu einem günstigeren Anbieter wechseln.

Wahlkampf-Strategie für wen?

Habecks neuer Vorschlag für die Finanzierung maroder Kassen hat es in sich: Aktiengewinne sollen sozialversicherungspflichtig werden. Sollen im Zuge dessen auch die Beitragsbemessungsgrenzen fallen? Für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung etwa gilt bislang, dass für jeden Euro über dem Monatsbruttoeinkommen von 5512,50 Euro keine zusätzlichen Beiträge gezahlt werden müssen.

So oder so zahlen die Zeche all jene, die an der Börse fürs Alter sparen wollen. Anstatt im Höchststeuerland Deutschland Steuern und Abgaben auf Einkünfte aus Arbeit massiv zu senken, will die grüne Partei die Berechnungsgrundlage für Steuern und Abgaben erweitern. Damit macht Robert Habeck gerade Wahlkampf für die Konkurrenz. Wer an der Börse aktiv ist, dürfte sich jetzt zweimal überlegen, ob er das Kreuz bei den Grünen macht.

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