Ziehen Steuern und Sozialabgaben zu viel vom Gehalt ab? Leider lautet die Antwort: Ja. Deutschland zählt zu den OECD-Ländern, in denen vom Bruttogehalt am Monatsende am wenigsten Netto übrig bleibt. Diese bedrückende Realität betrifft alle Einkommensklassen – selbst gut Verdienende haben immer weniger von ihrem Einkommen zur Verfügung.
Ifo-Experte warnt: Hohe Abgaben als Motivationsbremse
Prof. Dr. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, erklärt: „Die hohen Steuern und Abgaben in Deutschland belasten vor allem die mittleren Einkommen. Dies führt zu einer Verringerung der Arbeitsanreize und könnte langfristig die Fachkräfteabwanderung verstärken.“
Wenn am Ende des Monats weniger vom Lohn übrig bleibt, verliert die Arbeit an Attraktivität. Das dämpft den Anreiz, mehr zu arbeiten oder Überstunden zu leisten, besonders bei steigenden Einkommen. Angesichts des Fachkräftemangels und der alternden Gesellschaft in Deutschland könnte dies zu einem ernsthaften Problem werden.
Deutschland: OECD-Schlusslicht bei Gesamtabgaben- Alleinstehende ohne Kinder besonders betroffen
Deutschland liegt mit seiner Lohnsteuerbelastung im OECD-Vergleich zwar im Mittelfeld. Allerdings finanziert das Land seine soziale Sicherung „überdurchschnittlich stark durch Sozialbeiträge“, so die Deutsche Bundesbank. Systeme wie Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-, Pflege- und Unfallversicherung bieten hohe soziale Absicherung, erhöhen jedoch auch die Gesamtabgabenlast.
Besonders hart trifft es alleinstehende Arbeitnehmer ohne Kinder mit durchschnittlichem Einkommen. Sie tragen weltweit fast die höchste Steuer- und Abgabenlast – nur Belgien liegt darüber. Die Sozialabgaben betragen 33,5-Prozent und liegen laut Bundesbank „spürbar über dem Durchschnitt der berücksichtigten OECD-Länder von 27,5-Prozent“. Dabei gibt es länderweite Unterschiede, wie sich die Abgaben auf Steuern und Sozialbeiträge aufteilen.
Abgabenlast auf Arbeitnehmer: Ein internationaler Vergleich
In Ländern wie Frankreich und Österreich werden Sozialleistungen hauptsächlich über Sozialversicherungen finanziert. Hier fließt beispielsweise mehr Geld in die Rentenversicherung, während die Steuerlast geringer ist. Im Gegensatz dazu finanzieren Länder wie Großbritannien und die skandinavischen Länder ihre Sozialleistungen überwiegend über Steuern. Das bedeutet, dass dort mehr Steuern vom Gehalt abgezogen, aber weniger in die Rentenversicherung eingezahlt werden.
In den Niederlanden wurde die Steuerbelastung für mittlere Einkommen gesenkt, um die Arbeitsmotivation zu steigern. Dies führte zu einem Anstieg der Erwerbstätigkeit und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit. Könnten solche alternativen Modelle möglicherweise effizienter und motivierender für Arbeitnehmer sein?
Effizienz durch Reform: Experten fordern Senkung der Sozialbeiträge und moderate Steuererhöhung
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung empfiehlt in seinem Jahresgutachten 2024 eine umfassende Reform der deutschen Sozialversicherungssysteme. Konkret wird vorgeschlagen, die Sozialbeiträge zu senken und diese Senkung durch eine moderate Steuererhöhung auszugleichen.
Diese Steuererhöhung sollte sozial gerecht gestaltet sein und die unteren Einkommensgruppen stärker entlasten als die oberen. Zudem empfiehlt der Sachverständigenrat weitere Reformen der Sozialversicherungssysteme, um deren Nachhaltigkeit zu sichern, wie eine Anhebung des Rentenalters.
Alarmierende Prognosen: Steigende Sozialversicherungsbeiträge bis 2035 – eine tickende Zeitbombe?
Angesichts der derzeitigen Lücken in den deutschen Sozialkassen sind kurzfristige Beitragssenkungen jedoch unwahrscheinlich. Stattdessen ist mit erheblichen Erhöhungen zu rechnen, um die finanzielle Stabilität der Sozialversicherungssysteme zu gewährleisten. Eine neue Studie der DAK-Gesundheit zeigt alarmierende Entwicklungen: Bis 2035 könnten die Sozialversicherungsbeiträge massiv auf 48,6-Prozent ansteigen!
Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK, warnt, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in den nächsten zehn Jahren von derzeit 16,3-Prozent auf 19,3-Prozent steigen könnten. Im Pflegebereich wird ein Anstieg des Beitragssatzes bis 2030 um 0,7-Prozentpunkte erwartet. Für die Arbeitslosenversicherung wird prognostiziert, dass der Beitragssatz bis 2027 zunächst geringfügig auf 2,5-Prozent sinkt, um dann bis 2035 auf 3-Prozent zu steigen. Bei der Rentenversicherung wird mit einem Anstieg des Beitragssatzes von aktuell 18,6-Prozent auf 22,3-Prozent bis zum Jahr 2035 gerechnet. Es ist eine gefährliche Entwicklung, die die Arbeitsmotivation und den Fachkräftemangel weiter dämpfen und verschärfen könnte.
Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte: Ein Hohn für deutsche Arbeitnehmer?
Was unternimmt die Bundesregierung? Aktuell plant Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zeitlich begrenzte Steuererleichterungen von bis zu 30-Prozent, um ausländische Fachkräfte anzulocken. „Wenn mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen, weil sie hier arbeiten wollen oder weil sie diese Vergünstigungen in Anspruch nehmen, dann gewinnen wir alle“, argumentiert er.
Für deutsche Arbeitnehmer, die monatlich hohe Steuerlasten tragen, wirkt dies jedoch wie blanker Hohn. Es stellt sich die Frage, wann die Politik endlich etwas für die Leistungsträger des Landes tut. Nicht ausländische Fachkräfte, sondern inländische Arbeiter mit hoher Motivation und Anreize zur Mehrarbeit sollten gefördert werden. Ansonsten kommt der Vorschlag einer „Diskriminierung der Inländer gleich“, wie Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, betont.
Es geht darum, die individuelle Belastung für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu mildern! In der aktuellen Debatte erscheinen die Empfänger von Bürgergeld oft als die eigentlichen Gewinner. Mit einer monatlichen Grundsicherung von 502 Euro und der Übernahme von Wohn-, Energie-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten durch den Staat stehen sie teilweise besser da als Vollzeitbeschäftigte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen – besonders, wenn Kinder im Spiel sind.