Das Bündnis von Sahra Wagenknecht deckt alle relevanten Themen für die Bundestagswahl ab – von der Steuer auf hohe Einkommen über die Reform des Rentensystems bis hin zur Begrenzung von Migration. Diese Punkte wurden beim Parteitag in Bonn ebenfalls beschlossen. Doch nichts zieht die Anhänger der ehemaligen Linken-Politikerin Wagenknecht so sehr in den Bann wie das Thema Krieg und Frieden, oft begleitet von scharfer Kritik an der Allianz mit den USA.
Dies zeigte sich schon zu Beginn des Parteitags in Bonn, als Schwarz-Weiß-Bilder aus den 1980er Jahren auf der Leinwand flimmerten: die damalige Friedensbewegung im Widerstand gegen US-Atomraketen und den Nato-Doppelbeschluss, ganz in der Nähe des Tagungsortes im Bonner Hofgarten. Es zeigte sich im frenetischen Applaus, als die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen rief: "Ami go home!" Und auch in der Rede von Sahra Wagenknecht als "Kanzlerkandidatin" fand sich dieses Thema wieder.
Kritik an den Russland-Sanktionen
In ihrem 53-minütigen Rundumschlag ging Wagenknecht hart mit den anderen Parteien ins Gericht: Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und CDU-Chef Friedrich Merz sowie die AfD. Sie kritisierte schlechte Bildung und die Wohnungsnot und forderte eine neue Wirtschafts- und Energiepolitik. Doch den größten Jubel der rund 600 Mitglieder im World Conference Center Bonn erntete Wagenknecht mit ihrer scharfen Kritik an den Wirtschaftssanktionen gegen Russland.
Sanktionen wurden nach der russischen Annexion der Krim verhängt und nach der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 verschärft. Doch Wagenknecht erklärte, die Sanktionen hätten "überhaupt nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun". Ihrer Ansicht nach seien "die Sanktionen nichts mit Moral, nichts mit Menschenrechten, nichts mit Friedensliebe zu tun, sie sind schlicht ein Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft und ein Killerprogramm für deutsche und europäische Unternehmen."
Kein neues Wettrüsten
Das Thema Frieden reservierte Sahra Wagenknecht für das Ende ihrer Rede, nach der Kritik an der Corona-Politik, der Klage über eingeschränkte Meinungsfreiheit und dem Lob für die Abschaffung der Faktenchecks bei Facebook. Wer "wahnwitzige Gedankenspiele" für ein kriegstüchtiges Deutschland verhindern wolle, brauche das BSW. "Wir dürfen jetzt nicht in ein neues Wettrüsten hineintaumeln", sagte Wagenknecht.
Die anderen Parteien lieferten sich einen Wettlauf bei den Rüstungsausgaben, auch die AfD. "Vielleicht sollte die AfD sich statt Alternative für Deutschland 'Aufrüsten für Donald' nennen", scherzte die BSW-Chefin mit Blick auf den künftigen US-Präsidenten Trump. Doch Kriege würden nicht durch Waffenlieferungen beendet, sondern durch Verhandlungen, betonte sie.
"Mit Taurus-Merz, mit Umfaller-Olaf, mit den wilden Sofa-Kriegern von den Grünen und mit den neuen Rüstungsfanatikern von der AfD wäre der Frieden in Deutschland tatsächlich in großer Gefahr", rief sie. "Auch deshalb braucht es ein starkes BSW im nächsten Bundestag." Der letzte Satz ging im lauten Beifall unter.
Wagenknecht und die Linke
Immer wieder sprangen die rund 600 BSW-Mitglieder an diesem Tag begeistert von ihren Sitzen und applaudierten im Stehen. Sie bestätigten sich gegenseitig, dass das BSW die einzige Partei sei, die sich für die Menschen einsetze, für mehr soziale Sicherheit, für einen neuen wirtschaftlichen Kurs und eben für Frieden – ein indirekter Seitenhieb auf Sahra Wagenknechts ehemalige Partei, die Linke, die all diese Themen ebenfalls anspreche, aber praktisch ignoriert werde.
Bei der Europawahl im Juni 2024 hatte das BSW aus dem Stand 6,2 Prozent der Stimmen erzielt, bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sogar zweistellige Ergebnisse. In Thüringen und Brandenburg regiert die Partei. Historisches sei erreicht worden, sagte BSW-Generalsekretär Christian Leye.
Zukunft des BSW
Leye räumte jedoch ein: "Seit einiger Zeit bläst uns in der Öffentlichkeit auch der Wind ins Gesicht." Bundesweit schwächelt die Partei derzeit in den Umfragen: Zuletzt lag das BSW bei 4 bis 6 Prozent. Und obwohl der Bundesvorstand Sahra Wagenknecht zur "Kanzlerkandidatin" gekürt hat, geht es vermutlich eher darum, den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen.
"Natürlich versucht man, uns jetzt runterzuschreiben, denn wir sind in der Tat eine echte Gefahr für den politischen Mainstream", sagte die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali. "Weite Teile der Medien berichten nicht objektiv, sondern machen mehr oder weniger offen Wahlkampf für Union, SPD, FDP und Grüne."
Interna im BSW
Es ist jedoch auch klar, dass im BSW nicht alles rund läuft. Mohamed Ali erklärte bei Phoenix, dass ihre Partei finanziell nicht auf Rosen gebettet sei. "Wir bekommen noch keine staatliche Parteienfinanzierung. Das macht es uns etwas schwerer."
Es gibt auch Streit am Rande des Bonner Parteitags. Die Hamburger BSW-Mitglieder Dejan Lazic und Norbert Weber, die ohne Zustimmung der Bundesspitze einen eigenen Landesverband gegründet haben und nun aus der Partei ausgeschlossen werden sollen, wurden am Eingang abgewiesen.
In der Partei fehle es an demokratischen Strukturen, Widerspruch gebe es kaum, und Schlüsselpositionen würden von der Parteispitze mit eigenen Leuten besetzt, sagte Weber. "Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll", fügte er hinzu. "Was wir auf keinen Fall brauchen, ist eine AfD 2.0. Und es geht alles in diese Richtung." Er bezog dies auf die Positionen zur Migration, die beim Parteitag jedoch kaum eine Rolle spielten.