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Steigende Sozialabgaben pushen Schwarzarbeit: Handwerk wird unbezahlbar

Steigende Sozialabgaben sorgen für steigende Preise: Das Handwerk fordert jetzt eine Sozialabgabenbremse, sonst werden Handwerksarbeiten bald für viele unerschwinglich. Oder nur noch „schwarz unter Hand“ bezahlbar. Vor welchen teuren Herausforderungen das Handwerk steht.
21.01.2025 16:04
Lesezeit: 3 min
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Handwerkspräsident kündigt Preissteigerungen an

Erneute Kostenschübe durch weiter steigende Sozialabgaben haben auch für Handwerksbetriebe teure Folgen: Die Preise für den Kunden steigen. „Das Handwerk droht für breite Schichten unerschwinglich zu werden, ohne dass das Handwerk selbst es in der Hand hätte, dies zu ändern“, sagte Handwerkspräsident Jörg Dittrich. Das Handwerk „ersticke“ unter den steigenden Sozialbeiträgen.

2024 lagen die Beiträge bei 41,2 Prozent. Anfang 2025 erhöhte sich der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozent. Die Krankenkassen hoben den Zusatzbeitrag im Schnitt um 0,8 Prozent an. Damit liegen die Sozialabgaben bei über 42 Prozent und nähern sich einem historischen Höchststand.

Handwerk bald nur noch Schwarz?

Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks sprach von galoppierenden Preisschüben in der Sozialversicherung, die Sorge bereiteten. „Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist mittlerweile auf rund 42 Prozent gestiegen.“ Dies bedeute eine deutliche Belastung für die personalintensiven Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten. „Es ist nicht im Interesse der Gesellschaft, dass Handwerkerleistungen unbezahlbar werden und dadurch vom Markt verschwinden.“ Sozialsysteme müssten auch in Zukunft finanzierbar bleiben. „Wir sehen ganz deutlich, dass insbesondere lohnintensive Bereiche unter einen größeren Schwarzarbeits-Druck geraten.“

Im Gegensatz zur Industrie machten die Lohnkosten in manchen Handwerksbetrieben bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten aus. „Dort schlagen dann starke Steigerungen der Lohnzusatzkosten besonders heftig zu Buche.“

Ein Beispiel: Der Stundenverrechnungssatz setzt sich aus den Lohnzusatzkosten, den Gemeinkosten und dem Stundenlohn zusammen. Was dann noch übrig bleibt, ist der Gewinn. Berechnet ein Handwerker zum Beispiel eine Arbeitsstunde mit 44 Euro, so entfallen davon etwa 13 Euro auf den Stundenlohn, 11,74 Euro auf Lohnnebenkosten und 17,06 Euro sind Gemeinkosten. Dem Betrieb verbleiben unter dem Strich nur 2,20 Euro Gewinn.

Dittrich: „Sozialabgaben müssen wieder unter 40 Prozent!“

Die Sozialabgaben müssten wieder auf die Marke von 40 Prozent gesenkt werden. Man müsse an mehreren Stellen etwas tun. „Eigenverantwortung muss gefördert werden, man muss sich die Leistungskataloge anschauen. Was können wir uns noch leisten?“ Auch die Einnahmen müssten berücksichtigt werden. „In Zeiten, in denen sich wirtschaftliche Geschäftsmodelle geändert haben, kann es nicht sein, dass die Finanzierung der Sozialsysteme unverändert und zu stark an den Lohn gekoppelt ist. Der gesellschaftliche Diskurs muss darauf hinauslaufen, dass alle sich ein Stück bewegen müssen.“

Preissteigerungen für Handwerkerarbeiten

„Die Kostenschübe, die über die Sozialsysteme, steigende Materialpreise und Bürokratiekosten auf das Handwerk einwirken, führen zu Preissteigerungen, bei denen sich eine Investition auch für Privatpersonen irgendwann nicht mehr rechnet oder nicht mehr finanzierbar ist“, so Dittrich.

Die Produktivität im Handwerk sei in den vergangenen Jahren nicht so gestiegen, wie die Kosten gestiegen seien. „Deutliche Kostenerhöhungen haben wir bei den Löhnen, bei der Energie, bei Material, bei den Sozialabgaben, aber auch bedingt durch Bürokratie – und auf all das hat das Handwerk selbst in der Regel keinen Einfluss und kann wegen seiner Standortgebundenheit auch nicht ins Ausland ausweichen.“

Handwerkspräsident kritisiert Fokus auf Industrie

Handwerkspräsident Jörg Dittrich kritisiert einen Fokus der Politik auf Großstrukturen und Industriepolitik. „Das ist ein großes Ärgernis“, sagte Dittrich der DPA. Noch-Kanzler und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz lädt Betriebsräte von VW und anderen großen Konzernen ins Kanzleramt ein, aber niemand vom Handwerk. „Auch im Handwerk sind im vergangenen Jahr rund 80 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Das ist aber offensichtlich nicht wichtig genug, um dies konkret zu besprechen: Wie wir das verhindern, wie wir diese Kapazitäten erhalten.“

Handwerk: Leistung muss sich wieder lohnen

Dittrich forderte eine Sozialabgabenbremse, um die Lohnzusatzkosten unter Kontrolle zu halten. „Arbeitgeber und Beschäftigte tragen eine immer schwerere Last, die Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Leistung muss sich lohnen. Daher: Sozialabgaben runter, damit sich Arbeit wieder lohnt, und personalintensive Produkte und Leistungen bezahlbar bleiben.“ Es brauche mutige Reformen für eine nachhaltige Finanzierung der Sozialversicherung zu sorgen. „Die steigende Beitragslast ist eine tickende Zeitbombe für Wirtschaft und Gesellschaft.“

Bundetagswahl: Neue Regierung muss Mittelstand stärken

Die neue Bundesregierung müsse den Mittelstand stärken, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, der selbst ein Unternehmen führt. Er forderte eine verlässliche mittelstandsorientierte Politik, die Ausbildung, Digitalisierung und die Energiewende voranbringe. Es brauche ein wirtschaftsfreundliches Umfeld, das Handwerksbetriebe stärke und ihnen die notwendige Planungssicherheit biete. „Deutschland braucht den Neustart“, so Dittrich.

Auch gelte es, die berufliche Bildung zu stärken. Seit Jahrzehnten bestehe eine permanente Benachteiligung der beruflichen Bildung, die sowohl finanziell als auch ideell gegenüber dem akademischen Bereich stiefmütterlich behandelt werde.

Zu Vorschlägen der SPD und Grünen über staatliche Investitionszuschüsse sagte Dittrich: „Man kann Wettbewerbsfähigkeit nicht herbeisubventionieren. Wo sind die Vorschläge, um die Kostenschübe in den Sozialsystemen zu vermindern?“

Die Union geht in ihrem Wahlprogramm nicht konkret auf die Abgabenlast durch steigende Sozialabgaben ein. Unter der großen Koalition unter Angela Merkel hat sie ihr Versprechen, die Beiträge bei 40 Prozent zu deckeln, jedenfalls nicht eingelöst. Bisher spricht sie nur von einer Senkung der Unternehmenssteuer auf 25 Prozent. Aber konkrete Gegenfinanzierungspläne fehlen weitgehend. Wann kommt die magische Grenze, die der ehemalige Wirtschaftsminister Peter Altmeier unter Rot/Schwarz sogar ins Grundgesetz schreiben wollte?

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Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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