Politik

Wirtschaft in der Krise: Regierung senkt Wachstumsprognose deutlich

Der deutsche Konjunkturmotor stottert weiterhin. Die Bundesregierung muss ihre Prognose für 2025 und 2026 drastisch senken, während außenwirtschaftliche Risiken zunehmen und zentrale Wachstumsmaßnahmen scheitern. Auch der Arbeitsmarkt spürt die Flaute. Politiker und Wirtschaftsvertreter ringen um Lösungen, während die Stimmung im Wahlkampf angespannt ist.
29.01.2025 13:51
Aktualisiert: 29.01.2025 13:51
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Wirtschaft in der Krise: Regierung senkt Wachstumsprognose deutlich
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, stellt bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz den Jahreswirtschaftsbericht 2025 vor. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Wirtschaft kommt nicht in Schwung - Regierung senkt Prognose

Die deutsche Wirtschaft kommt auch in diesem Jahr nicht in Schwung. Die Bundesregierung revidiert ihre Konjunkturprognose für 2025 deutlich. Wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Präsentation des Jahreswirtschaftsberichts erklärte, wird nur noch ein Mini-Wachstum von 0,3 Prozent erwartet – im Herbst hatte die Regierung noch ein Plus des Bruttoinlandsprodukts von 1,1 Prozent angenommen. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaftsleistung Europas größter Volkswirtschaft das zweite Jahr in Folge.

Wachstumspaket gescheitert

In ihrem früheren Ausblick auf 2025 hatte die damalige Ampel-Regierung positive Effekte einer "Wachstumsinitiative" erwartet. Geplant waren etwa bessere Abschreibungsbedingungen, um Investitionen zu fördern, staatliche Maßnahmen zur Senkung der Strompreise sowie Anreize für längeres Arbeiten. Aufgrund des Scheiterns der Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November wurden zentrale Maßnahmen jedoch nicht umgesetzt.

Im Jahreswirtschaftsbericht heißt es zudem mit Blick auf von US-Präsident Donald Trump angekündigte Zölle auf EU-Importe, dass außenwirtschaftliche Risiken deutlich gestiegen seien. Für das laufende Jahr wird ein leichter Rückgang des Exports erwartet. Auch der private Konsum in Deutschland bleibt wegen Unsicherheiten schwach.

Auch Erwartungen für 2026 gesenkt

Die Regierung sieht dennoch "Licht am Ende des Tunnels" und erwartet 2026 ein stärkeres Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent. Der private Konsum dürfte im Jahresverlauf anziehen. Im Herbst hatte die Regierung allerdings noch ein Plus von 1,6 Prozent prognostiziert. Nach einem Bericht des "Handelsblatt" erhöht die schlechtere Prognose den Schuldenspielraum für den Bund, da die sogenannte Konjunkturkomponente der Schuldenbremse mehr Kredite erlaubt. Regierungskreisen zufolge wächst der Haushaltsspielraum 2025 um 2,1 Milliarden Euro. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Haushaltsloch für 2025 auf 26 Milliarden Euro beziffert.

Inflation

Bei den Verbraucherpreisen erwartet die Bundesregierung eine "moderate" Entwicklung. Zu Jahresbeginn 2025 habe etwa der höhere Preis des Deutschlandtickets im Nahverkehr sowie eine gestiegene CO2-Bepreisung beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien für eine höhere Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahr gesorgt. Im Jahresdurchschnitt wird eine Inflationsrate von 2,2 Prozent erwartet. Dies liege im Bereich der Zwei-Prozent-Zielmarke der Europäischen Zentralbank.

Arbeitsmarkt

Die Konjunkturschwäche zeigt sich zunehmend auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Firmenpleiten stieg im vergangenen Jahr. Die Bundesregierung erwartet, dass die Zahl der arbeitslosen Menschen im Jahresdurchschnitt voraussichtlich um 120.000 steigen wird. Im Jahresdurchschnitt 2024 lag die Arbeitslosenzahl bei rund 2,79 Millionen.

Strukturelle Krise

"Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit inzwischen zwei Jahren in einer Stagnation, was konjunkturelle, vor allem aber strukturelle Ursachen hat", heißt es im Jahreswirtschaftsbericht. Verbände sehen den Standort Deutschland zunehmend unter Druck. Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück. Genannt werden insbesondere im internationalen Vergleich höhere Energiepreise, eine höhere Steuerlast, gestiegene Sozialabgaben, zu viel Bürokratie und eine teils marode Infrastruktur. Zudem bremse die demografische Entwicklung, also die zunehmende Alterung der Gesellschaft, das Wachstum in den kommenden Jahren aufgrund von Fachkräfteengpässen.

Industrie unter Druck

Vor allem die deutsche Industrie steckt weiterhin in der Krise. "Die Stimmung ist miserabel", sagte Industriepräsident Peter Leibinger am Dienstag. Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist noch pessimistischer als die Bundesregierung und erwartet auch in diesem Jahr eine schrumpfende Wirtschaftsleistung von 0,1 Prozent. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner erklärte, dass im Fall von US-Zöllen auf EU-Importe die deutsche Wirtschaft sogar um fast 0,5 Prozent schrumpfen könnte. Der Vorsitzende der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, sagte: "Die Krise der Industrie verfestigt sich." Sowohl Wirtschaftsverbände als auch die Gewerkschaften fordern die nächste Regierung auf, dringend Reformen umzusetzen, um die Standortbedingungen zu verbessern.

Großes Thema im Wahlkampf

Im Bundestagswahlkampf spielt die Wirtschaftspolitik eine zentrale Rolle. Während Union und FDP vor allem für Steuerentlastungen und weniger Bürokratie eintreten, setzen SPD und Grüne auf einen milliardenschweren, kreditfinanzierten "Deutschlandfonds", um Investitionen zu mobilisieren und die Infrastruktur zu modernisieren.

"Wirtschaftswarntag"

Mit Kundgebungen in mehreren deutschen Großstädten und regionalen Aktionen machten Dutzende Wirtschaftsverbände beim "Wirtschaftswarntag" auf die angespannte Wirtschaftslage aufmerksam. Sie fordern unter anderem, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen. Zu den zentralen Forderungen gehören eine geringere Steuerbelastung, gedeckelte Sozialabgaben und mehr Flexibilität im Arbeitsrecht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Trumps Fed-Vertreter: Zölle eröffnen Spielraum für Zinssenkungen
10.10.2025

Während die US-Notenbank über das richtige Tempo bei Zinssenkungen ringt, verlangt Trumps neuer Fed-Mann Stephen Miran eine radikale...

DWN
Finanzen
Finanzen Politik frisst Rendite: Wer nicht aufpasst, verliert
10.10.2025

Vom Kreml bis Washington mischt sich die Politik zunehmend in die Märkte ein. Während Trumps Wirtschaftsnationalismus neue Gewinner...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Start-up: Die Blaupause – der Siegeszug der LAP-Coffee-Shops
10.10.2025

In nur zwei Jahren hat die Marke LAP zwanzig Coffee-Shops in Deutschland eröffnet. Mit Preisen bis zu unter zwei Euro lockt das Start-up...

DWN
Finanzen
Finanzen BASF-Aktie höher: BASF verkauft Lack-Sparte an US-Finanzinvestor Carlyle
10.10.2025

BASF verkauft seine Lack-Sparte an Carlyle – ein Milliarden-Deal, der den Chemieriesen neu ausrichtet. Doch wie wirkt sich das auf den...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis fällt wegen Überangebots: Markt sieht den Ölpreis bei 50 US-Dollar pro Barrel
10.10.2025

Die OPEC-Staaten drehen den Ölhahn wieder auf und der Ölpreis droht sich zu halbieren. Saudi-Arabien kämpft um Marktanteile, während...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationsindexierte Anleihen: Wann Staatsanleihen schützen und wann sie riskant werden
10.10.2025

Steigende Zinsen machen Staatsanleihen riskant. Inflationsindexierte Anleihen bieten dagegen realen Schutz und könnten jetzt zu einer der...

DWN
Politik
Politik Nato-Manöver: Deutschland entsendet Bundeswehr-Tornados zur Atomwaffenübung der Nato
10.10.2025

Die Atomwaffenübung der Nato sorgt für Aufmerksamkeit: Deutschland entsendet Tornados und beteiligt sich am jährlichen Nato-Manöver...

DWN
Panorama
Panorama Kein Trump-Nobelpreis: Friedensnobelpreis für Venezolanerin Maria Corina Machado
10.10.2025

Die Entscheidung um den Friedensnobelpreis 2025 sorgt für weltweite Überraschung: Nicht der mächtige US-Präsident Donald Trump, sondern...