„Without my tax advisor I won’t say anything“
Wenn man definitiv nicht reich ist, dann ist das Problem natürlich nicht ganz so groß. Aber es bleibt auch dann ein Problem, denn dass man arm ist, möchte man ja nun auch wieder nicht sagen.
Aber was sagt man, wenn tatsächlich reich ist? In Deutschland neigt man dazu, auf diese Frage grundsätzlich ausweichend zu antworten. Friedrich Merz hat besonders schön formuliert: "Also, ich würde mich zur gehobenen Mittelschicht in Deutschland zählen." Das ist natürlich sehr schwammig und da sich so ziemlich jeder irgendwie zur Mittelschicht zählt, bietet das keine größere Angriffsfläche. Es führt aber dazu, wie bei Beurteilungssystemen von Firmen, dass es kaum ein “sehr gut” und gar kein “sehr schlecht” gibt, in diesem Sinne also weder ein Reich noch ein Arm, sondern überhaupt nur eine Mittelschicht, mit ganz feinen Nuancen zwischen „untere Mittelschicht“ und „obere Mittelschicht“.
Die Merz-Antwort erinnert auch ein wenig an Clintons berühmtes „But I didn’t inhale“ oder Gottschalks: „Ich habe sie nur dienstlich angefasst.“
Money talks, wealth whispers.
“Das ist relativ…” kommt auch gerne als Antwort. „Relativ“ ist natürlich immer richtig, reich in Berlin ist etwas anderes als reich in Singapur, aber das sind schon zu viele Details, das will ja keiner hören. Originell ist immerhin die Antwort von Elon Musk: „Wirklich reich ist nur, wer ein anderes Land überfallen kann.“ Womit er meinte, dass Putin reicher sei als er. Mit seiner Kommunikationsplattform X überfällt aber auch Musk in gewisser Weise andere Länder und Politiker. Weniger originell, aber weit verbreitet ist: „Reich ist nur, wer wahre Freunde hat.“ das klingt doch schon sehr nach „Reich ist nur, wer an Waren Freude hat.“ Oder: „Reichtum ist mehr als nur Geld.” Klar, es gehören auch noch Aktien, Immobilien und andere Anlagen dazu. Warren Buffett hat angeblich einmal gesagt: “Der wahre Reichtum liegt darin, das zu tun, was man liebt.” Das kann natürlich sehr teuer sein, zu tun, was oder wen man liebt. Nicht bei dem sehr bescheidenen Warren Buffet, freilich.
Man merkt, die Leute werden unheimlich cheesy und fangen bei dem Thema an, herumschleimen. Es ist offenbar schambehaftet oder gilt als unfein und angeberisch, sich als reich zu bezeichnen - es sei denn, man ist es nicht, da gibt es dann schon einige, die gerne so tun mit ihren geleasten Porsches, falschem Schmuck und lauten Versace-Hemden.
Money can’t buy Happiness
Andererseits: Manche wollen auch Rücksicht nehmen auf die Gefühle des Fragestellers und deshalb die Rolle des Geldes herunterspielen. “Money can’t buy happiness” ist natürlich ein Spruch, den man zum Trost derer verwendet, die keins haben. Das ist immerhin einfühlsam und taktvoll.
Auf derselben Linie liegt ja die These, dass Geld nur bis zum Grenznutzen von etwa 80 oder 100.000 $ im Jahr glücklicher macht und darüber hinaus kein weiterer Zugewinn an Glück zu erzielen ist. Wahrscheinlich ist diese Studie auch nur zum Trost all derer erfunden, die sich keine Hoffnungen machen, jemals über 80.000 im Jahr hinauszuzukommen.
“Ja”
„I am confortably well off“, sagt der Brite, was bei seinem feinen Understatement einem glatten Ja schon sehr nahekommt.
Aber, vielleicht sollte man mit diesen peinlichen Tabus, diesen Verlegenheitsgesten und dem Herumeiern brechen und einfach mal geradeheraus sagen: “Ja”. Was passiert denn dann? Offensiv an die Situation herangehen, dem Fragenden die Hand auf die Schulter legen, ihn empathisch, aufmunternd anblicken und sagen: “Ja …. und ich habe hart dafür gearbeitet und Sie können das auch schaffen.” Damit sollten doch alle Neider eingefangen sein.
Wir stehen vor so massiven Verteilungskämpfen, da sollte man froh sein, solange man es überhaupt noch mit Recht sagen kann.