Unternehmensporträt

Leica Camera AG: Hidden Champion der Fotografie – zwischen Mythos und Moderne

Sie gelten als der Porsche unter den Fotoapparaten – Kameras des Wetzlarer Herstellers Leica. Wie die Traditionsmarke mit deutscher Ingenieurskunst, ikonischem Design und High-End-Technologie den Markt für Premium-Fotografie prägt.
07.03.2025 16:45
Lesezeit: 6 min
Leica Camera AG: Hidden Champion der Fotografie – zwischen Mythos und Moderne
Wie die legendäre Kameramarke aus Wetzlar mit Handwerkskunst, Innovation und ikonischem Design den Fotomarkt prägt (Foto: Leica Camera AG).

Wie Leica aus Wetzlar die Fotografie neu erfand

Sie sind kaum größer als eine Handfläche, rechteckig, mit klaren Linien und einem massiven Metallgehäuse. Und ihre Bedienelemente wirken wie aus der Zeit gefallen: mechanische Drehknöpfe, präzise Gravuren, keine überflüssigen Anzeigen - nur pure Funktionalität. Ihr Äußeres glänzt in schlichtem Schwarz oder klassischem Silber, oft mit einem dezenten roten Punkt, den Kenner sofort identifizieren. Und sie sind gefragt wie nie: die Kameras von Leica aus Wetzlar in Hessen. Ihre ikonische Bauweise, ihr unverwechselbares Design und ihre kompromisslose Bildqualität haben sie zur Legende gemacht.

Die Geschichte der Leica-Kamera begann 1849 in Wetzlar, als Carl Kellner, ein deutscher Optiker und Mathematiker, das Optische Institut gründete. Auch der Name Leica hatte seinen Ursprung in Wetzlar: Er setzte sich zusammen aus "Leitz", dem Familiennamen des damaligen Firmeninhabers Ernst Leitz, und "Camera" – kurz: Leica. Was als Experiment begann, wurde zur Revolution.

Den entscheidenden Durchbruch brachte Oskar Barnack, ein deutscher Feinmechaniker und Pionier der Kleinbildfotografie, der 1913 mit der Ur-Leica die Fotografie neu definierte. Die kompakte Kamera ermöglichte eine völlig neue Art des Arbeitens und wurde schnell zum bevorzugten Werkzeug der großen Bildjournalisten des 20. Jahrhunderts. Henri Cartier-Bresson, Robert Capa und viele andere prägten mit Leica-Bildern das kollektive Gedächtnis der modernen Fotografie – und setzten damit Maßstäbe für Generationen von Fotografen.

Von der Fast-Pleite zur Premium-Brand

Als Andreas Kaufmann zum ersten Mal von Garry Winogrand hörte, ließ ihn die Geschichte nicht mehr los: 6.500 unentwickelte Filmrollen hinterließ der US-amerikanische Fotograf bei seinem Tod im Jahr 1984 – alle mit einer Leica aufgenommen. Die Faszination für diese Ikone der Fotografie war geweckt. Kaufmann, selbst leidenschaftlicher Fotograf, erkannte das Potenzial der Marke und stieg 2004 als Investor ein.

Der Spross einer anthroposophisch geprägten Unternehmerfamilie hatte zuvor als Waldorflehrer gearbeitet und war leidenschaftlicher Sammler von Fotografien und Renaissance-Kunst. Doch für ihn war der Einstieg bei Leica mehr als eine finanzielle Entscheidung – es war eine persönliche Mission: „Leica war eine Ikone, die wieder zu alter Größe zurückfinden musste. Ich konnte nicht zulassen, dass diese Legende verschwindet,“ so Kaufmann in einem Interview mit dem Handelsblatt im Jahr 2013.

Strategischer Neustart mit Finanzinvestor

Mit seinem Kapital und einer klaren Strategie brachte er das Unternehmen auf Kurs. Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Private-Equity- und Investmentfonds-Spezialisten Blackstone, den er 2011 als Partner gewann, übernahm Kaufmann schrittweise die Kontrolle und drängte die Minderheitsaktionäre aus dem Unternehmen.

Leica wurde von der Börse genommen, um langfristig strategische Entscheidungen ohne äußeren Druck treffen zu können. Die Wende gelang: Der Umsatz stieg 2012 um ein Fünftel auf fast 300 Millionen Euro, der Gewinn um 41 Prozent auf fast 60 Millionen Euro. Erstmals seit 1997 konnte das Unternehmen wieder eine Dividende ausschütten.

Ein Zentrale wie ein Objektiv

2018 setzte Leica ein architektonisches Statement: Die neue Firmenzentrale in Wetzlar, ein hochmodernes Gebäude mit klaren Linien und ikonischem Design, wurde für 165 Millionen Euro eröffnet. Die Form erinnert an ein 28-mm-Objektiv – eine Hommage an die Optik, die Leica weltweit berühmt gemacht hat. „Wir wollten zeigen, dass Leica wieder im Zentrum der Fotografie steht,“ erklärte Kaufmann in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Jahr 2018. Seine Vision: Leica sollte nicht nur überleben, sondern wieder Kult werden.

Neben Produktionsstätten und Verwaltungsbüros beherbergt der Leitz-Park ein Museum, das die Geschichte von Leica dokumentiert, eine gläserne Manufaktur, in der Besucher den Kamerabau live erleben können, sowie eine der weltweit führenden Leica Galerien. Darin werden regelmäßig Ausstellungen weltbekannter Fotografen gezeigt, um die Kunst der Fotografie zu zelebrieren. „Leica hat in die alte Heimat zurückgefunden“, sagte Kaufmann damals. „Und dieser Ort ist der sichtbare Beweis dafür.“

Leica-Boss Kaufmann: „Wir lernen, und Huawei lernt“

Heute steht Leica wirtschaftlich besser da als je zuvor. Mit der digitalen M-Serie, der L-Mount-Allianz mit Panasonic und Sigma sowie einer mittlerweile beendeten Kooperation mit Huawei im Smartphone-Bereich zeigte Leica, dass es Tradition und Innovation vereinen kann. „Wir lernen. Und Huawei lernt“, sagte Kaufmann damals.

Seit 2022 arbeitet Leica mit Xiaomi zusammen, um im Smartphone-Bereich weiter Innovationen voranzutreiben. Ein weiteres Beispiel: Die Leica M11-P, die als erste Kamera die sogenannte Content Authenticity Initiative (CAI) unterstützt und damit Fake-Bilder entlarven soll. „Das stärkt das Vertrauen in digitale Inhalte“, so Kaufmann. Die Entwicklung der spiegellosen SL-Serie, die enge Kooperation mit Sigma und Panasonic sowie neue Sensor-Technologien zeigen, dass Leica längst nicht nur von der Vergangenheit lebt.

Beckham-Sohn trägt Leica-Logo auf der Haut – als Tattoo

Leica verkauft längst mehr als nur Kameras. Die Marke ist ein Lebensgefühl. Limitierte Sondermodelle erzielen Höchstpreise, Leica-Armbanduhren kosten fünfstellig. Selbst Stars wie Brooklyn Beckham tragen das Leica-Logo auf der Haut – als Tattoo. „Leica ist der Porsche unter den Kameras“, sagt denn auch der Fotografie-Experte Frank Späth.



Diese Exklusivität spiegelt sich auch im Geschäftsmodell wider. Der durchschnittliche Leica-Kunde investiert zwischen 5.000 und 10.000 Euro in seine Ausrüstung, deutlich mehr als Käufer von Sony, Nikon oder Canon. Das Unternehmen verfolgt bewusst eine „Super-Premium“-Strategie und positioniert sich im Luxussegment des Kameramarkts.

„Der Leica-Look ist sofort erkennbar“

Vor allem für professionelle Fotografen sind Kameras von Leica ein unverzichtbares Werkzeug. „Seit gut zwei Jahren fotografiere ich fast alle meine Jobs weltweit mit der Leica Q2 – und das aus gutem Grund,“ sagt etwa der Hamburger Reisefotograf Lars Jacobsen, Herausgeber des preisgekrönten Reise- und Fotografiemagazins Waves & Woods.

Er habe es satt gehabt, auf Reisen einen 20-Kilo-Rucksack voller Objektive mitzuschleppen, erinnert sich Jacobsen. Anfangs sei er unsicher gewesen, ob er mit dem fest verbauten 28-mm-Objektiv auskomme. Doch mit der Zeit habe er gemerkt, dass die wenigen Bilder, die ihm dadurch entgehen, ohnehin nicht entstanden wären – schließlich hätte er sie früher verpasst, während er im Rucksack nach dem richtigen Objektiv suchte.

„Am Ende zählt für mich, wie für viele Fotografen, der unverwechselbare Leica-Look,“ sagt Jacobsen. Dieser sei schwer zu beschreiben, aber sofort erkennbar: eine besondere Tiefe im Bild, fast schon ein dreidimensionaler Effekt, kombiniert mit natürlichen, leicht warmen Farben und einem feinen, organischen Kontrast. „Dazu kommt die unglaubliche Schärfe der Bilder – das Summilux 28 mm-Objektiv liefert gestochen scharfe Details von der Bildmitte bis in die Ecken, ohne dabei steril zu wirken.“

Die Herausforderung der Nische

Die Positionierung im Luxussegment birgt aber auch Risiken. Während Sony, Nikon und Canon in der breiten Masse um Marktanteile kämpfen, bewegt sich Leica in einer Nische. Die Herstellungskosten sind hoch, die Margen zwar lukrativ, aber die Zielgruppe bleibt begrenzt. Langfristig stellt sich die Frage, ob die Marke neue Zielgruppen erschließen muss, um profitabel zu bleiben. Ein weiteres Problem ist die technologische Entwicklung. Smartphone-Kameras werden immer leistungsfähiger, KI-basierte Bildverarbeitung macht es immer schwieriger, mit klassischen Kameras zu konkurrieren.

Während Leica in der Smartphone-Partnerschaft mit dem chinesischen Hersteller Huawei zwischen 2016 und 2022 eine Chance sah, ging Leica im Mai 2022 eine Kooperation mit dem chinesischen Smartphone-Hersteller Xiaomi ein, um gemeinsam Lösungen im Bereich der Smartphone-Fotografie zu entwickeln. Seit dem 1. September 2017 ist Matthias Harsch CEO der Leica Camera AG. Unter seiner Führung setzt das Unternehmen verstärkt auf digitale Innovationen, strategische Partnerschaften und die Expansion in internationale Märkte.

Im Bereich der Kameratechnik intensivierte Leica 2022 die Zusammenarbeit mit Panasonic. Unter dem Namen ‘L² Technology’ bündeln beide Unternehmen ihre Kernkompetenzen, um neue Technologien und Lösungen für Kameras, Objektive und Software zu entwickeln. Darüber hinaus erweiterte das Unternehmen 2023 seine Mobilsparte durch die Übernahme des norwegischen Unternehmens Fjorden Electra AS, einem Entwickler von Apps und Zubehör für Smartphones. Im Jahr 2024 brachte Leica die gemeinsame iPhone-App ‘Leica LUX’ auf den Markt.

Wachstum und internationale Expansion

Während Investor Blackstone sich 2023 aus Leica zurückzog, will Kaufmann die Kontrolle behalten. „Meine Familie und ich werden das Schicksal der Firma weiterhin aktiv mitgestalten“, versichert er. Seit 2018 konzentriert sich Kaufmann auf seine Rolle als Chairman des Aufsichtsrats und ist nicht mehr operativ als CEO tätig. Wachstumspotenzial sieht er vor allem in der internationalen Expansion – neue Leica Galerien entstehen weltweit, um die Marke als Kultobjekt weiter zu festigen.

Kaufmanns Expansion folgt einer klaren Strategie: er setzt auf exklusive Stores, Partnerschaften mit Luxushotels und Markenbotschaftern wie dem deutsch-portugiesischen Bigwave-Surfer Nic von Rupp sowie einer verstärkten Präsenz im asiatischen Markt. Gerade in China wächst die Nachfrage nach High-End-Produkten rapide. In den Metropolen Shanghai, Hongkong und Peking werden Leica-Kameras längst als Prestigeobjekt gehandelt.

Leica hat sich nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich stark entwickelt. Das Unternehmen beschäftigt heute weltweit rund 1.200 Mitarbeiter, davon den Großteil am Hauptsitz in Wetzlar. Seit der Übernahme durch Andreas Kaufmann konnte zudem der Umsatz kontinuierlich gesteigert werden. Lag dieser 2012 noch bei knapp 300 Millionen Euro, wuchs er in den folgenden Jahren auf über 400 Millionen Euro an.

 

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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