Panorama

Deutschland: Was beim Klimaschutz funktioniert - und wer davon profitiert

Der klimafreundliche Umbau hat einen Investitionsbedarf von 135 bis 255 Milliarden Euro pro Jahr. Der „Expertenrat für Klimafragen“ hat jetzt den Klimakurs der Bundesregierung geprüft und die Wirksamkeit der verschiedener Maßnahmen untersucht. Dabei wird das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ausdrücklich gelobt. Doch es gibt eine soziale Schieflage.
09.02.2025 14:43
Lesezeit: 5 min

Deutschland ist aus Sicht von Fachleuten nicht auf Kurs bei seinen Klimazielen für das Jahr 2030. Außerdem gehe es beim Thema Förderung nicht sozial gerecht zu. Das erhöht den Handlungsdruck für die nächste Bundesregierung – die sich beim Thema Klimaschutz aus Sicht des „Expertenrats für Klimafragen (ERK)“ ganz neu organisieren sollte.

Der Expertenrat ist ein unabhängiges fünfköpfiges Gremium, das die Wirksamkeit der deutschen Klimaschutzpolitik überprüft und der Politik Anregungen gibt. Seine Aufgaben sind gesetzlich festgeschrieben.

Wie steht Deutschland da beim Klimaschutz?

Deutschland ist besser geworden. Das liegt an CO₂-Minderungen vor allem in der Energie und der Industrie. Zu tun hat das mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne, aber auch mit Produktionsrückgängen in der Industrie wegen der Wachstumsschwäche.

Laut Rat scheint es aber fraglich, dass das Klimaziel für 2030 „ohne wesentliche Anpassungen“ erreicht wird. Bis dahin soll der Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. In den Gebäuden werden weiter Öl- und Gasheizungen eingebaut. Außerdem werden weiter viele neue Pkw zugelassen, die noch lange mit Benzin oder Diesel auf deutschen Straßen unterwegs sein dürften. Fortschritte gibt es dank vieler neuer Windräder und Solaranlagen im Energiebereich.

Aber ist das alles effizient?

Wie wirksam und wie teuer die Klimaschutzbemühungen sind, hängt vom jeweiligen Instrument ab. Einige haben sich die Fachleute genauer angesehen.

Europäischer Emissionshandel: Hier müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen und können nach Bedarf damit untereinander handeln. Ab 2027 umfasst dieses System auch Gebäude und Verkehr. Der Rat bewertet das Ganze als „potenziell weitreichendes Instrument“. Für Deutschlands Klimaziele reiche es aber nicht aus.

Klimaschutzverträge: Hier übernimmt der Bund für eine Übergangszeit die Extrakosten, die Unternehmen durch die Umstellung auf klimafreundlichere Produktionsweisen entstehen. Das soll auch neue Technologien fördern. Potenziell könnten sie „ein effektives Instrument“ sein, meint der Rat. Aber weitere Schritte seien nötig, damit nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Branchen neues Wissen nutzen könnten.

Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG): Hier unterstützt der Bund unter anderem den Einbau klimafreundlicher Heizungen, energetische Sanierungen sowie Bau und Erstkauf klimafreundlicher Gebäude. Das sei einen „zentrale klimaschutzpolitische Maßnahme im Gebäudesektor“, lobt der Rat.

Gebäudeenergiegesetz (GEG) und kommunale Wärmeplanung: Das vieldiskutierte Heizungsgesetz sieht vor, dass neu eingebaute Anlagen spätestens ab 2028 mit 65 Prozent erneuerbaren Energieträgern betrieben werden müssen. Kommunen müssen je nach Größe bis 2026 oder 2028 Wärmepläne erstellen, die festlegen, welche Technologien und Energieträger für die jeweilige Region geeignet sind. Beides sind „relevante Instrumente“ bei der Umsetzung von EU-Vorgaben für Klimaschutz bei Gebäuden, befindet der Rat. Es sei aber umstritten, ob die Förderung mit sozialer Staffelung reicht, „um den gesellschaftlichen Frieden bei der Umsetzung des GEG zu wahren“.

Er hielte es für gefährlich, das Paket aus Heizungsgesetz, Gebäudesanierung und Wärmeplanung wieder zurückzudrehen, sagte der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning. Planungssicherheit sei wichtig und auch das Erreichen der Klimaziele. Die CDU will das Heizungsgesetz abschaffen.

Umweltbonus: Von Juni 2016 bis Dezember 2023 förderte der Staat Kauf oder Leasing von Elektroautos. Für den Großteil dieses Zeitraums profitierten davon neben Privatleuten auch Unternehmen, zudem wurden lange auch Hybridautos gefördert. Das hat Einsparungen von Energie und Treibhausgasen bewirkt. Profitiert haben laut Rat aber vor allem wohlhabendere Haushalte, zudem waren die Kosten für den Staat im Verhältnis zur CO₂-Ersparnis ziemlich hoch.

Deutschlandticket: Damit konnten Nutzer den öffentlichen Nahverkehr zunächst für 49 Euro, inzwischen für 58 Euro pro Monat nutzen. Es gebe Hinweise, dass dies zu einer stärkeren Nutzung des ÖPNV und einer geringeren Nutzung von Pkw führe, schreibt der Rat. Umfragen deuteten darauf hin, dass tendenziell gebildetere Pendler aus dem städtischen Umland profitierten. Die Klimaschutzwirkung hänge davon ab, ob Menschen langfristig auf öffentliche Verkehrsmittel umstiegen – noch seien hier Fragen offen.

Wem hilft der Staat finanziell beim Klimaschutz?

Die Kosten für das Heizen und Tanken mit fossilen Brennstoffen werden mit der CO₂-Bepreisung weiter steigen. Doch gerade Menschen mit wenig Geld können sich nicht einfach ein Elektroauto kaufen oder eine Wärmepumpe zulegen – selbst, wenn es staatliche Förderung gibt – die beim E-Auto inzwischen ausgelaufen ist. Von Fördermaßnahmen profitierten fast ausschließlich gut situierte Gruppen, stellt der Expertenrat fest. Für die Akzeptanz der Maßnahmen müsse sich das ändern – zum Beispiel, indem Förderprogramme umgestaltet werden, die öffentliche Infrastruktur klimafreundlicher wird oder auch durch staatliche Ausgleichszahlungen wie das Klimageld, das die Ampel-Koalition eigentlich auf den Weg bringen wollte.

Wie viel kostet der Klimaschutz?

Für den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sehen Studien, die der Expertenrat ausgewertet hat, einen Investitionsbedarf von 135 bis 255 Milliarden Euro pro Jahr – eine gewaltige Summe. Sie entspricht 3,2 bis 6 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der Wirtschaftsleistung. Aber ein beachtlicher Teil würde demnach bei Modernisierungen ohnehin ausgegeben, so der Rat. Da auch die Privatwirtschaft investiere, werde für den Staat wohl eine Finanzierungslücke im Umfang eines mittleren bis zweistelligen Milliardenbetrags pro Jahr bleiben.

Ist dann noch Geld für anderes da?

Das ist ein Problem. Schließlich gibt es auch eine Diskussion um höhere Verteidigungsausgaben, marode Schulen, bröselnde Brücken, Lücken in den Sozialsystemen, ganz zu schweigen von den Kosten, die die Erderwärmung noch auslösen wird. Der Staat müsse Prioritäten setzen, schreibt der Rat. Er müsse entscheiden, ob er mehr gesetzliche Vorgaben macht, die ihn nichts kosten, aber die Bürger – oder Geld in Fördermaßnahmen steckt. Die sollten dann aber auch effizient sein. Der Bund sollte den nötigen Finanzbedarf rechtzeitig einplanen.

Was gibt der Expertenrat der nächsten Bundesregierung mit?

Die Bundesregierung müsse sich mehr Gedanken machen über die Auswirkungen von Klimaschutz auf andere Bereiche wie Wirtschaft, Umwelt oder Sozialpolitik. Hier könne es zu Zielkonflikten kommen. Diese müsse die Politik klar benennen – denn sonst stehe die Akzeptanz für den Klimaschutz auf dem Spiel.

Dass ein einzelnes Ministerium – derzeit das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – für das Thema zuständig ist, hat sich aus Sicht des Rats nicht bewährt. Denn die Verantwortung für den Klimaschutz im Verkehr etwa liege ja weiter bei dem dafür zuständigen Ministerium. Deshalb schlägt der Rat vor, dass das Kanzleramt die Maßnahmen der Ministerien stärker koordinieren soll. Für das Thema besonders wichtige Minister könnten sich regelmäßig als Klimakabinett treffen. Zudem müssten Formate für eine gesellschaftliche Diskussion und Beteiligung gefunden werden.

Was bedeuten die Klimaschutzbemühungen für die deutsche Wirtschaft?

Generell habe die deutsche Politik bisher nur versucht, klimaschädliche fossile Brennstoffe durch andere Energieträger zu ersetzen, so der Expertenrat. Doch wie viele Fachleute zweifelt er daran, dass Deutschland den Schwenk zu klimafreundlicherem Wirtschaften ohne Strukturwandel schafft. Die Herstellung vieler Rohstoffe dürfte günstiger möglich sein in Ländern mit viel erneuerbaren Energien, zum Beispiel, weil sie sonnenreicher sind. Statt also Wasserstoff im großen Stil zu importieren, würden deutsche Unternehmen sich dann auf die Weiterverarbeitung von Rohstoffen konzentrieren. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verfolgt eine andere Politik, er will bestehende Industriearbeitsplätze mit staatlicher Unterstützung in Deutschland halten.

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