Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Bandholz, US-Präsident Trump hat 25-Prozent-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte ins Gespräch gebracht. Wie ernst sollten deutsche Mittelständler diese Ankündigung nehmen?
Harm Bandholz: Zunächst einmal scheinen sich die Zölle nur auf eine kleine Produktgruppe zu beziehen. Schließlich gehen lediglich drei Prozent der deutschen Stahlproduktion in die USA. Allerdings werden die Auswirkungen in vielen Wirtschaftsbereichen spürbar werden und nicht nur die Stahl- und Aluminiumhersteller betreffen. Da die USA einer der größten Stahlkonsumenten der Welt sind – vor allem in der Bauindustrie und im Automobilsektor – könnten sich Trumps Maßnahmen nämlich auf den Weltmarktpreis auswirken. Während der Preis für Stahl in den USA durch die Zölle mit Sicherheit steigen wird, dürfte der Weltmarktpreis leicht zurückgehen, weil die Nachfrage aus den USA sinkt. Das betrifft dann auch die Exporte deutscher Stahlproduzenten in europäische Nachbarländer oder nach Asien, die ja eigentlich von den Zöllen gar nicht betroffen sind.
DWN: Stahl- und Aluminiumhersteller wären direkt betroffen – aber welche Folgen hätten solche Zölle für mittelständische Zulieferer, etwa im Maschinenbau oder in der Automobilbranche?
Bandholz: Es kommt darauf an, wo die Unternehmen produzieren. Wer in Deutschland oder Europa fertigt, könnte kurzfristig profitieren, weil Stahl günstiger wird. Wer aber bereits Kapazitäten in den USA aufgebaut hat, steht nun vor höheren Kosten. Trump will ja bekanntermaßen die Lieferketten in die USA holen, aber gerade Unternehmen mit Produktionsstätten in den USA würden ironischerweise leiden, da sie durch die Zölle mehr für Stahl zahlen müssten. Unter anderem in der Automobilindustrie könnten sich solche Zölle spürbar auf die gesamte Wertschöpfungskette auswirken.
DWN: Bundeskanzler Scholz hatte bereits Anfang Februar betont, dass Europa auf Zölle mit ‘eigenen Maßnahmen’ antworten werde. Was könnte das konkret bedeuten?
Bandholz: Die EU hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie reagieren kann. Beim letzten Handelskonflikt unter Trump wurden Gegenzölle auf Produkte wie Bourbon-Whiskey oder Harley-Davidson verhängt – also auf Branchen, die gezielt in bestimmten US-Bundesstaaten wehtun und politischen Druck erzeugen. Genau das müsste die EU jetzt wieder tun. Trump versteht nur Druck. Wer glaubt, er lasse sich mit diplomatischen Mitteln überzeugen, irrt sich. Gerede ohne Taten interpretiert Trump vielmehr als politische Schwäche.
DWN: Wie wichtig sind solche Zölle eigentlich für den Haushalt des US-Präsidenten?
Bandholz: Ein wesentlicher Faktor ist, dass Trump seine kostspieligen Steuersenkungsprogramme zumindest teilweise gegenfinanzieren muss – und Zölle sind ein Instrument, das ihm dabei helfen soll. Da der Handelskonflikt mit China allein sicherlich nicht „profitabel“ genug sein wird, müssen die USA auch andere Länder, wie Kanada, Mexiko und eben europäische Staaten mit Zöllen belegen.
DWN: Trump verfolgt mit seinen Strafzöllen auch geopolitische Ziele. Welche Entwicklungen halten Sie hier für besonders relevant?
Bandholz: Trump nutzt Zölle nicht mehr primär, um das Handelsbilanzdefizit der USA auszugleichen. Er nutzt sie viel genereller als politisches Druckmittel. Die jüngste Zolldrohung gegen Kanada dient hier als hervorragendes Beispiel. Insgesamt weisen die USA zwar ein Leistungsbilanzdefizit gegenüber Kanada auf – aber das liegt ausschließlich am hohen Energiebedarf der USA. Rechnet man Energie aus den Handelsdaten heraus, haben die USA sogar einen Handelsüberschuss gegenüber Kanada. Aber genau Energie bleibt von den Zöllen verschont, weil die USA sie weiter aus Kanada beziehen wollen. Das zeigt, dass diese Maßnahmen nicht wirtschaftlich begründet sind, sondern Zölle vor allem ein geopolitisches Druckmittel für Trump darstellen.
DWN: Trump übt mit möglichen Strafzöllen zusätzlichen Druck auf die ohnehin angespannte wirtschaftliche Situation hierzulande aus. Unternehmen haben den Eindruck, dass die hiesige Politik nicht an ihrem Erfolg interessiert ist. Was muss sich ändern?
Bandholz: Die Unternehmen müssen wieder Vertrauen in die Politik gewinnen und das Gefühl vermittelt bekommen, dass die Bundesregierung und Wirtschaftspolitik an ihrem Erfolg interessiert ist. Derzeit ist genau das Gegenteil der Fall. Unternehmen haben eher den Eindruck, dass die Politik nach Wegen sucht, um ihnen das Leben schwerer zu machen. Das stimmt natürlich so nicht ganz, aber in den letzten drei Jahren stand der Erfolg der Unternehmen definitiv nicht im Zentrum der Wirtschaftspolitik. Es müssten funktionieren wie bei einem erfolgreichen Trainerwechsel in der Bundesliga. Denn auch dort kann ein neuer Trainer ja nicht alle Spieler von heute auf morgen besser machen; aber er kann motivieren und das Gefühl verbreiten, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern, weil man ein gemeinsames Ziel verfolgt.
DWN: Was müsste eine kommende Bundesregierung tun, damit es dem Mittelstand besser geht?
Bandholz: Die größten Probleme lauten Energiepreise, Energieversorgung und Bürokratie, gefolgt von hohen Steuern und Sozialabgaben. Geopolitische Probleme, vom Ukraine-Krieg bis zu Trumps Handelskriegen, folgen erst mit gehörigem Abstand. Das zeigt, dass wir die Bewältigung der dringlichsten Aufgaben in der eigenen Hand haben. Ein Signal durch die neue Bundesregierung, dass sie die Anliegen der Unternehmen ernst nimmt und wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen schafft, wäre dabei ein sehr wichtiger Start, dem natürlich möglichst zeitnah dann konkrete Maßnahmen folgen müssen.
DWN: Ihr Fazit: Wie wahrscheinlich sind US-Strafzölle gegen die EU – und was ist jetzt die klügste Strategie für betroffene Mittelständler?
Bandholz: Trump wird Zölle erheben und vermutlich während seiner gesamten Amtszeit immer wieder mit neuen Strafmaßnahmen drohen. Unsicher ist eigentlich nur, in welchem Umfang, auf welche Produkte und zu welchem Zeitpunkt. Zumindest für die kommenden vier Jahre wird diese Art von Handelskonflikten also nicht mehr die Ausnahme, sondern die neue Normalität sein. Viele Mittelständler haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten aber ja auch schon versucht, sich auf ein derartiges Szenario einzustellen.
Info zur Person: Harm Bandholz, Jahrgang 1975, ist seit 2019 Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Fachhochschule Kiel. Von 2007 bis 2019 war er bei der UniCredit Group in New York beschäftigt, wo er als US-Chefvolkswirt und Managing Director fungierte. Während seiner Zeit in New York erlebte er bedeutende wirtschaftliche Ereignisse aus nächster Nähe, darunter die Weltfinanzkrise, die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA und den Handelskonflikt mit China. Seine Erfahrungen in den USA und Deutschland haben ihm einen einzigartigen Blick auf wirtschaftliche und politische Themen im transatlantischen Kontext verliehen.