Die Koalitionsverhandlungen zwischen der rechten FPÖ und der konservativen ÖVP in Österreich sind gescheitert. FPÖ-Chef Herbert Kickl informierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen über den Abbruch der Gespräche und legte den Auftrag zur Regierungsbildung zurück, wie seine Partei bekanntgab. Wäre eine Einigung erzielt worden, hätte Kickl als erster Kanzler aus den Reihen der Rechtspopulisten das Amt übernommen.
Obwohl die FPÖ in vielen Punkten Zugeständnisse an die ÖVP gemacht habe, "waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt", schrieb Kickl in einem Brief an das Staatsoberhaupt.
Österreich: FPÖ und ÖVP scheitern bei Koalitionsverhandlungen - Neuwahlen möglich
Nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche sind Neuwahlen eine mögliche Option. Die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos hatten jedoch kürzlich verstärkt für einen zweiten Versuch von Dreier-Koalitions-Gesprächen mit der ÖVP plädiert, nachdem ein erstes Gesprächsangebot zwischen diesen Mitte-Parteien im Januar gescheitert war.
Als Alternative zu Neuwahlen wäre auch die Bildung einer Experten- oder Übergangsregierung durch Bundespräsident Van der Bellen denkbar.
Der Streitpunkt: Unterschiedliche Weltsichten von ÖVP und FPÖ Die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP waren von Beginn an von Differenzen, insbesondere in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, geprägt. So sprach sich die FPÖ gegen eine weitere Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland aus. Darüber hinaus steht die FPÖ der Europäischen Union sehr kritisch gegenüber, während die ÖVP stark an den Vorteilen der EU festhält. Ein weiterer zentraler Streitpunkt war das Innenministerium, das beide Parteien für sich beanspruchten.
FPÖ könnte bei Neuwahlen mit noch größerer Zustimmung rechnen
Im Verlauf der rund vierwöchigen Gespräche wurde vor allem deutlich, dass die beiden Parteien grundlegend unterschiedliche Vorstellungen über die politische Ausrichtung des Landes haben. Während die ÖVP auf eine enge internationale Zusammenarbeit setzt, propagiert die FPÖ immer wieder den Slogan einer "Festung Österreich". ÖVP-Chef Christian Stocker forderte die FPÖ auf, angesichts der neuen Verantwortung von ihrer extremen rechten Position in die politische Mitte zu rücken. Die Atmosphäre zwischen den Parteien wurde im Laufe der Verhandlungen zunehmend angespannt.
Im Falle neuer Wahlen müsste sich die FPÖ keine Sorgen machen. Nach ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im Herbst 2024 mit knapp 29 Prozent könnten die Rechtspopulisten aktuellen Umfragen zufolge mit etwa 34 Prozent rechnen. Die ÖVP und die SPÖ würden demnach jeweils rund 20 Prozent erhalten, die Neos rund 10 Prozent und die Grünen etwa 8 Prozent. Bis zur Bildung einer neuen Regierung bleiben die bisherigen Minister aus ÖVP und Grünen im Amt.