Die Börsen nach der Wahl - drei Szenarien im Fokus
Die Finanzmärkte warten insbesondere auf eine Anpassung der verfassungsmäßigen Schuldenbremse, die das strukturelle Defizit der Zentralregierung auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt. Eine Reform könnte Deutschland den finanziellen Spielraum verschaffen, um langfristiges Wachstum zu sichern.
Doch es bleibt fraglich, ob die nächste Regierung diese Reform umsetzen kann. Die geopolitische Unsicherheit und ein drohender Handelskonflikt mit den USA könnten jedoch genügend Druck erzeugen, um wirtschaftspolitische Maßnahmen voranzutreiben. Kurzfristig ist jedoch Vorsicht geboten.
Herausforderungen der neuen Regierung
Zum einen könnten die Koalitionsverhandlungen sich lange hinziehen. Zum anderen steht die Regierung vor großen finanzpolitischen Problemen. Der aktuelle Finanzplan bis 2028 zeigt eine jährliche Finanzierungslücke von bis zu 0,5 Prozent des BIP. Zudem steigen die Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben und mehr Investitionen in Infrastruktur, was die finanziellen Mittel weiter belastet.
Es gibt drei Hauptmöglichkeiten, um den notwendigen Spielraum zu schaffen. Erstens könnte eine Reform der Schuldenbremse erfolgen, indem eine gestaffelte Defizitregel eingeführt wird. Zweitens könnte ein neuer Verteidigungsfonds entstehen, um die Militausgaben über das NATO-Ziel von 2 Prozent des BIP hinaus zu erhöhen. Drittens könnte ein spezieller Fonds für Infrastrukturinvestitionen geschaffen werden. Jede dieser Maßnahmen erfordert jedoch eine verfassungsmäßige Mehrheit.
Drei Szenarien für die Aktienmärkte
Viele Analysten halten eine Reform der Schuldenbremse für wahrscheinlich, ebenso wie steigende Verteidigungsausgaben. Doch die Opposition könnte eine Sperrminorität bilden und eine Lockerung der Finanzpolitik blockieren. Das würde den Spielraum der Regierung begrenzen und mittelfristig zu einem niedrigeren Schuldenstand führen.
Angesichts dieser Unsicherheiten lohnt sich ein Blick auf mögliche Szenarien. Das wahrscheinlichste Szenario wäre eine Koalition zwischen CDU/CSU und SPD mit einer begrenzten Reform der Schuldenbremse. Eine Stufenregelung würde das zulässige Defizit anheben, während Steuerreformen umgesetzt werden könnten. Dies würde die Aktienmärkte stabilisieren, jedoch kaum für starken Optimismus sorgen. Gleichzeitig könnte es zu einem leichten Rückgang der Renditen deutscher Staatsanleihen kommen, was den Druck auf die EZB erhöht, Zinssenkungen in Betracht zu ziehen.
Im zweitwahrscheinlichsten Szenario würden keine Steuerreformen durchgesetzt. Es gäbe zwar einige Verschiebungen im Haushaltsplan, aber keine wesentlichen Wachstumsimpulse. Dies wäre negativ für die Finanzmärkte, da die Erwartung von Reformen enttäuscht würde. Die Renditen der Bundesanleihen würden sinken, und die bisherige Versteilerung der Renditekurve könnte sich umkehren.
Das unwahrscheinlichste Szenario wäre eine umfassende Reform der Schuldenbremse mit größerem Defizitspielraum und einem gestärkten Verteidigungsfonds. Eine weitreichende Steuerreform könnte die Aktienmärkte beflügeln, während höhere Anleiherenditen einen Teil dieses Optimismus dämpfen könnten. Die Renditekurve hat sich bereits deutlich verändert, was darauf hindeutet, dass die Finanzmärkte solche Entwicklungen einpreisen.
Der DAX im Blickpunkt
Die Entwicklung des DAX hängt stark von der Regierungsbildung ab. Trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen zeigt sich der deutsche Leitindex robust. Dies ist vor allem auf die internationale Präsenz von Konzernen wie SAP und Infineon zurückzuführen. Der DAX gehört zu den stärksten Indizes in Europa und folgt oft den Trends des US-Marktes. Im Gegensatz dazu stehen der MDAX und der SDAX, die stärker von der Binnenkonjunktur abhängen und in den letzten Jahren schwächer performt haben.
Die wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland haben auch Auswirkungen auf Europa. Viele der Herausforderungen, mit denen Deutschland kämpft, betreffen die gesamte EU. Falls es Deutschland gelingt, Reformen durchzusetzen, könnte dies auch europaweit positive Effekte haben. Das würde den Druck auf die EZB verringern, über Zinssenkungen nachzudenken.
Der europäische Aktienmarkt bleibt unter Beobachtung. Seit der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 hat sich der MSCI Europe Index schwächer entwickelt als der S&P 500. Ende letzten Jahres erreichte die Bewertungslücke zwischen Europa und den USA ihren Höchststand. Seither hat sich der europäische Markt erholt. Spekulationen über ein Friedensabkommen für die Ukraine haben zudem eine Kursrallye ausgelöst und führten dazu, dass europäische Anleihen zuletzt schlechter abschnitten als US-Staatsanleihen.
Sollte sich das erste Szenario bewahrheiten, könnte dies zu einer leichten Neubewertung europäischer Aktien führen. Die Friedensverhandlungen bleiben jedoch ungewiss. Zugleich haben sich die Ertragsaussichten in Europa bislang kaum verbessert.
Auf der anderen Seite sorgt das starke Gewinnwachstum in den USA für eine anhaltend positive Stimmung gegenüber US-Aktien. Ein schwächeres makroökonomisches Umfeld in anderen Ländern reduziert die Attraktivität internationaler Aktien im Vergleich zu US-Werten. Gleichzeitig bleiben die Renditen hoch, was festverzinsliche Wertpapiere attraktiv macht. Dadurch bleibt die Entscheidung bestehen, internationalen Anleihen gegenüber US-Treasuries den Vorzug zu geben.