Technologie

Klimawende: Temperatursprung durch weniger Wolken

Weil niedrige Wolken Sonnenlicht reflektieren, kühlen sie die Erde. Daten von Satelliten zeigen: Im vergangenen Jahr gab es besonders wenige davon. Das könnte zur Klimakrise beitragen.
05.12.2024 20:01
Lesezeit: 2 min

Das vergangene Jahr brach alle Rekorde: Auf der Erde war es wärmer als je zuvor gemessen. Deutsche Wissenschaftler haben nun eine Idee, was zu dem großen Temperatursprung geführt haben könnte: Es gab weniger Wolken in geringer Höhe. Das sei aus der Analyse von Satellitendaten und der Anwendung von Computermodellen klargeworden, schreibt das Team aus Bremerhaven, Bonn und Bremen in der Fachzeitschrift «Science».

Als Hauptgrund für den stetigen Anstieg gelten die menschengemachten Treibhausgase. Zusätzlich gab es zuletzt noch andere Effekte: die derzeit erhöhte Aktivität der Sonne, das Wetterphänomen El Niño, vulkanische Aktivitäten und weniger Feinstaub über den Ozeanen. Das alles zusammen aber könne den Temperatursprung nicht vollständig erklären, meinen die Forscher.

Die globale mittlere Oberflächentemperatur lag im vergangenen Jahr bei nahezu 1,5 Grad Celsius über dem Vergleichszeitraum von 1850 bis 1900. Im Jahr davor hatte die Temperatur noch 0,3 Grad niedriger gelegen.

Erde hat mehr Sonnenstrahlung aufgenommen

Helge Gößling von Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und seine Kollegen ermittelten aus den analysierten Daten einen ungewöhnlich hohen Wert für die aufgenommene Sonneneinstrahlung. Das ist gleichbedeutend mit einer geringen Rückstrahlkraft des Planeten, der sogenannten Albedo. Sie gibt den Anteil der Sonneneinstrahlung an, der ins Weltall zurückgeworfen wird.

Viele Jahre haben sich Forschende vor allem mit der Albedo in den Polargebieten beschäftigt. Gibt es dort weniger helles Eis, sondern mehr dunkle Ozeanfläche, wird weniger Sonnenstrahlung reflektiert. Doch der Wandel in den Polarregionen erkläre den Rückgang der Oberflächen-Albedo nur zu einem kleinen Teil, erklärt Gößling. Deswegen schauten sich die Forscher die Wolken an.

Weniger niedrige Wolken = weniger Kühlung

Hohe Wolken kühlen die Erde, weil sie an der Oberseite Sonnenlicht reflektieren. Sie erzeugen aber auch einen wärmenden Effekt, weil sie von der Erde abgestrahlte Wärme in der Atmosphäre halten.

Bei niedrigen Wolken fehlt der Wärmeeffekt weitestgehend. „Gibt es weniger niedrigere Wolken, verlieren wir nur den Kühleffekt, es wird also wärmer“, erklärt Gößling. Für das vergangene Jahr zeigten Satellitenaufzeichnungen den niedrigsten Wert für niedrige Wolken seit dem Jahr 2000 an.

Der Rückgang tief hängender Wolken war in den Tropen und in den mittleren Breiten der nördlichen Erdhalbkugel besonders ausgeprägt. „Auffallend ist, dass der östliche Nordatlantik, der einer der Haupttreiber für den jüngsten Anstieg der globalen Mitteltemperatur ist, nicht nur 2023 einen deutlichen Rückgang von niedrigen Wolken verzeichnete, sondern – wie fast der gesamte Atlantik – bereits in den letzten zehn Jahren“, sagt Gößling. 2023 zeigte sich also eine extreme Ausprägung eines mehrjährigen Trends.

Ursache unklar

Derzeit ist laut den Wissenschaftlern noch nicht klar, was zur Verringerung der niedrigen Wolken führt. Im vergangenen Jahr haben schwächere Winde besonders wenig Saharastaub auf den Atlantik hinausgetragen. Zudem könnten strengere Auflagen beim Schiffsdiesel zu einem geringeren Feinpartikelausstoß geführt haben. Beide Entwicklungen bedeuten weniger Schwebteilchen in der Luft, an denen sich Wasser niederschlagen könnte, wodurch sich Wolken bilden.

Doch die Studienautoren vermuten noch ein anderes Phänomen: Der Klimawandel selbst könnte erheblich zur Reduzierung niedriger Wolken beitragen. Die Forscher verweisen auf Studien, die gezeigt haben, dass die Erwärmung der Meeresoberfläche die niedrige Wolkenbedeckung verringern kann.

„Sofern hinter dem Albedo-Rückgang eine verstärkende Rückkopplung zwischen Erderwärmung und Wolken steckt, wie auch einige Klimamodelle nahelegen, müssen wir mit einer recht starken zukünftigen Erwärmung rechnen“, betont Gößling. Die Erde könnte deshalb einer globalen Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad bereits näher sein als bislang gedacht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russland im Fokus: Finnlands Ex-Präsident warnt vor schnellem Ukraine-Frieden
03.12.2025

Finnlands früherer Präsident Sauli Niinistö verfolgt den Krieg in der Ukraine mit wachsender Sorge und warnt vor trügerischen...

DWN
Technologie
Technologie Jeder Sechste sorgt sich wegen KI um eigenen Arbeitsplatz
02.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt rasant. Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland fürchtet, dass sein Job bedroht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln
02.12.2025

Die wirtschaftliche Lage in Russland wird spürbar fragiler, da strukturelle Schwächen und geopolitische Belastungen zunehmen. Damit...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehreinheit der Bundespolizei in Dienst gestellt
02.12.2025

Die Bundespolizei verstärkt ihre Drohnenabwehr erheblich. Mit 130 Spezialkräften, KI-gestützten Störsystemen und automatischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple XRP News: Digitale Zahlungen im Asien-Pazifik-Raum wachsen stark
02.12.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, könnte sich bald von Bitcoin abkoppeln. In Singapur erhält das Unternehmen eine erweiterte Lizenz, um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das italienische Wunder: Geschaffen mit EU-Geld und Schattenwirtschaft
02.12.2025

Italien feiert eine Hochstufung seiner Bonität und spricht vom „neuen Wirtschaftswunder“. Doch unter der Oberfläche zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährung kaufen: So erkennen Anleger gute Einstiegsphasen
02.12.2025

Kryptowährungen gewinnen weltweit an Bedeutung, zugleich bleibt der richtige Einstiegszeitpunkt für viele Anleger schwer zu bestimmen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mindestlohnerhöhung 2026: Praxisleitfaden mit Checkliste und Rechenbeispielen für Betriebe
02.12.2025

Die Mindestlohnerhöhung ab 2026 bringt spürbare Veränderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wie stark Betriebe tatsächlich...