Wer ist für die Wirtschaftsschwäche Deutschlands verantwortlich? Schaut man sich die Wirtschaftskompetenzen der Abgeordneten im Deutschen Bundestags an, wird klar, dass die wenigsten Vertreter über eine praktische oder handwerkliche Berufserfahrung verfügen. Ist das ein Grund, dass die verabschiedeten Gesetze immer weniger in der Praxis funktionieren?
21. Deutscher Bundestag: Handwerk unterrepräsentiert
Handwerker sind seit Gründung der Bundesrepublik noch nie sonderlich zahlreich in der Bundespolitik vertreten. Auch mit Beginn der neuen Wahlperiode werden nur rund 40 Personen mit Handwerksbezug ins Parlament einziehen. Einige sind alte Bekannte, wenige Handwerker sind neu im Bundestag. Mitglieder des Bundestags (MdB) mit Nähe zum Handwerk machen kaum sieben Prozent der Abgeordneten aus. Das zeigt eine Analyse der Deutschen Handwerks Zeitung.
In allen Fraktionen, die im 21. Deutschen Bundestag vertreten sind, finden sich Abgeordnete, denen das Handwerk nicht fremd ist. In den Parteien und Regionen ist der Mittelstand allerdings unterschiedlich repräsentiert. Die meisten Abgeordneten mit Bezug zum Handwerk finden sich in bürgerlich-konservativen oder rechten Parteien wie der Union oder der AfD – und sie kommen häufig aus ländlichen Gegenden.
Mindestens 52 Politiker haben Ahnung von Wirtschaft: Es gibt 24 studierte Volkswirte, 28 Betriebswirte.
Alle Handwerksmeister im Bundestag
Insgesamt 41 Personen haben einen handwerklichen Hintergrund oder eine Nähe zum Handwerk. Lediglich sechs Handwerksmeister sitzen im neuen Bundestag:
- Maler- und Lackierermeister Tino Chrupalla (AfD)
- Metallbaumeister Danny Meiners (AfD)
- Metzgermeister Alois Rainer (CSU)
- Dachdeckermeister Otto Strauß (AfD).
- Neu im Parlament vertreten sind Landmaschinenmechanikermeister Sieghard Knodel (AfD)
- und Fleischermeisterin Nora Seitz (CDU)
Einige der neuen Abgeordneten haben zwar keinen Meistertitel, aber eine Lehre im Handwerk oder dem Handwerk verwandten Berufen absolviert.
Bayern und die AfD an der Spitze
Die Analyse zeigt auch, dass die meisten Abgeordneten mit Handwerkshintergrund der AfD-Fraktion angehören, darauf folgen Union und SPD. Mit neun Abgeordneten sind bayerische Handwerker am stärksten im künftigen Parlament vertreten, gefolgt von Sachsen (7) und Niedersachsen (6).
Die Abgrenzung von Handwerkern zur Industrie oder zum Dienstleistungssektor war mitunter nicht leicht zu analysieren. Deshalb wird in der Auswertung auch als Handwerker gezählt, wer eine Ausbildung in einem verwandten Beruf anderer Branchen gemacht hat. Aufgeführt werden überdies nicht nur aktive Handwerksmeister, sondern auch Frauen und Männer, die in ihrer Jugend eine Ausbildung mit Bezug oder Nähe zum Handwerk absolviert haben, längst aber anderweitig tätig sind, sich also womöglich gar nicht mehr als Handwerker definieren.
Es geht also vor allem darum aufzuzeigen, welche Abgeordnete schon einmal eine Werkstatt, Fabrikhalle oder einen Betrieb als Beteiligte von innen gesehen haben.
Welche Berufsgruppe den Bundestag dominiert
Juristen, Rechtsanwälte und Richter – diese Berufsgruppe dagegen ist besonders stark repräsentiert: mit 118 Abgeordneten. Das ist fast jeder 5. Abgeordnete!
Zum Vergleich: In ganz Deutschland gibt es rund 421.000 Juristen (Stand 2023) – das sind gerade einmal 0,6 Prozent aller Deutschen über 18 Jahre. Heißt: Im Verhältnis zur deutschen Bevölkerung sind Juristen im Deutschen Bundestag deutlich überrepräsentiert.
20. Bundestag: Auch unter der Ampelregierung dominieren Anwälte
Diese Statistik zeigt eine Auswahl der verschiedenen Berufsgruppen aus der 20. Legislaturperiode (2021-2025).
Die dominierende Berufsgruppe ist dabei die Rechtsanwälte. Insgesamt 109 der 735 Parlamentarier sind Juristen. Das macht einen Anteil von 14,8 Prozent.
Das Handwerk hingegen war nur mit sieben Handwerksmeistern vertreten. Damit ist die Anzahl der Personen mit Handwerkshintergrund in der SPD und bei den Linken stark zurückgegangen. Einen Handwerksmeister sucht man in den Reihen der linken und sozialdemokratischen Abgeordneten vergeblich.
Fortschreitende Akademisierung des Bundestages: Kaum Praktiker
Die Zusammensetzung des Bundestags wird deshalb seit Jahren kontrovers diskutiert. Kritiker mahnen an, dass verschiedene gesellschaftliche Kräfte im Parlament besser vertreten sein müssten. Es gibt zu wenig Volksvertreter, die aus praktischen Berufen in die Politik wechseln. Ein Grund dafür sind die Nominierungskriterien innerhalb der Parteien. Immer mehr Akademiker verdrängen Praktiker von Landeslisten. Damit spiegelt sich die repräsentative Demokratie nicht mehr in der Vielfalt des Bundestages wider.
Auch der Anteil der Frauen bildet die deutsche Bevölkerung nicht repräsentativ ab. Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen sind weiblich, im Bundestag ist es aber weniger als ein Drittel (32,4 Prozent). Der Anteil der Frauen im Vergleich zum vorigen Bundestag ist sogar zurückgegangen.
Dafür ist der Anteil von Politikerinnen und Politikern mit Migrationsgeschichte im neuen Bundestag leicht gestiegen, meldet der Mediendienst Integration. Er liegt nun bei 11,6 Prozent. In der zurückliegenden Wahlperiode waren es 11,3 Prozent.
Brisant: 40 Abgeordnete geben sich selbst die Berufsbezeichnung „Politiker“. Unklar bleibt also, ob und was sie vorher gelernt oder studiert haben.
Künftig sitzen insgesamt 630 Abgeordnete (statt wie bisher 733) im Plenarsaal. Damit ist der Bundestag das drittgrößte Parlament der Welt (nach China und Großbritannien).