Panorama

Ungewisse Dimensionen: Vogelgrippe in den USA alarmiert Fachleute

Vor einem Jahr wurde die Vogelgrippe in den USA erstmals bei Milchkühen nachgewiesen. Zahlreiche Menschen haben sich infiziert. Präsident Trump schweigt weitgehend zu dem Thema – Experten zeigen sich alarmiert.
18.03.2025 07:21
Lesezeit: 3 min

Wie ist der aktuelle Stand der Vogelgrippe in den USA?

Die aktuell weltweit grassierende Vogelgrippewelle breitet sich weiter aus. Das Vogelgrippe-Virus betrifft hauptsächlich Vögel, hat sich aber auch auf viele Säugetiere ausgeweitet. Am Dienstag (25. März) im vergangenen Jahr kam eine schockierende Nachricht aus den USA: Zum ersten Mal wurde die Vogelgrippe USA vom Typ H5N1 bei Milchkühen nachgewiesen, zunächst in den Bundesstaaten Texas, Kansas und New Mexico. Wie ist die Lage heute - und wie geht es weiter?

Von einer Eindämmung kann keine Rede sein. Laut der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) gibt es inzwischen mehr als 12.500 registrierte Fälle bei Wildvögeln, über 166 Millionen Nutzvögel wie Hühner oder Enten wurden gekeult. Zudem wurden Infektionen in fast 1.000 Rinderherden in 17 Bundesstaaten festgestellt. 70 Menschen haben sich nachweislich angesteckt.

Die betroffenen Rinder zeigen oft Appetitlosigkeit und produzieren weniger Milch. Laut Behörden erfolgte die Ansteckung hauptsächlich durch Wildvögel und wurde dann über Melkmaschinen und das Euter weitergegeben. Anfang des Jahres wurde in den USA erstmals ein Mensch infolge einer Infektion mit dem H5N1-Vogelgrippevirus gemeldet. Der Verstorbene aus dem Bundesstaat Louisiana war laut Behörden älter als 65 Jahre und litt unter weiteren gesundheitlichen Problemen.

Die offiziellen Zahlen zeigen jedoch nur einen Teil des Problems. Eine kleine CDC-Studie vom September ergab, dass 3 von 150 untersuchten Tierärzten Antikörper gegen das Virus aufwiesen. Zwei von ihnen hatten jedoch keinen bekannten Kontakt mit infizierten Tieren oder Verdachtsfällen. Experten folgern daraus, dass das Vogelgrippe-Virus weiter verbreitet sein muss als bekannt. "Wir kennen das Ausmaß dieses Ausbruchs in den USA nicht", sagte Virologin Seema Lakdawala von der Emory University in Atlanta der "New York Times". "Es gibt offensichtlich Infektionen, die nicht erfasst werden."

Wie schätzt die Gesundheitsbehörde das Risiko für die Bevölkerung ein?

Laut CDC wurde bislang keine Übertragung von Mensch zu Mensch nachgewiesen. Das allgemeine Risiko für die Bevölkerung sei gering. Die meisten Infizierten hatten direkten Kontakt mit Rindern oder Geflügel, insbesondere Farmarbeiter. Die Behörde empfiehlt grundsätzlich, den Kontakt mit kranken oder toten Tieren zu vermeiden.

Sind Milch, Fleisch und Eier sicher? Kommerziell verkaufte Milch-, Fleisch- und Eierprodukte gelten als sicher, da das Virus durch Hitze und Pasteurisierung inaktiviert wird, betont die CDC. Vom Verzehr von Rohmilch wird jedoch abgeraten. Die Versorgung mit Rindfleisch und Milch sei nicht bedroht, da Rinder eine Infektion überstehen können und nicht gekeult werden müssen.

Anders sieht es bei Geflügel aus: Seit Beginn des Ausbruchs wurden in den USA mehr als 160 Millionen Nutzvögel gekeult. Dies führte zu steigenden Preisen für Hühnerfleisch und insbesondere Eier. In vielen Regionen sind Eier knapp, Supermärkte rationieren den Verkauf auf eine Packung pro Kunde.

Auch politisch ist das Thema brisant: US-Präsident Donald Trump kritisierte seinen Vorgänger Joe Biden mehrfach wegen der hohen Inflation und versprach, Preise zu senken - bislang jedoch ohne Erfolg.

Demokraten spotten darüber, während Trump immer wieder - ohne Beweise - behauptet, Biden sei verantwortlich für die "außer Kontrolle" geratenen Eierpreise in den USA.

Welche Pläne haben Trump und RFK Jr.?

Der Ausbruch trifft die USA inmitten politischer Unruhen. Viele zuständige Behörden sind nach dem Regierungswechsel noch nicht voll besetzt und leiden unter Budgetkürzungen. Eine kohärente Strategie gegen die Vogelgrippe USA fehlt bislang, während Trump das Thema meidet.

Ein entscheidender Punkt ist die Impfung: Die vorherige Regierung hatte Studien dazu in Auftrag gegeben, und es gibt bereits eine vorbehaltliche Impfstoffzulassung. Doch der neue Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. steht Impfungen skeptisch gegenüber. "Alle meine Behörden raten mir davon ab", sagte er kürzlich dem TV-Sender "Fox News". Zudem befürchtet er, dass Hühnerställe durch Impfungen zu "Mutationsfabriken" werden könnten.

Wie bewerten Experten die US-Strategie gegen die Vogelgrippe? Viele Wissenschaftler sind besorgt - nicht nur in den USA, sondern weltweit. Kritik kommt unter anderem aus Deutschland: "Es ist leider nicht ersichtlich, dass effektive Maßnahmen ergriffen werden, um die Situation schnell unter Kontrolle zu bringen", sagt Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Greifswald.

Der Berliner Virologe Christian Drosten bestätigt diesen Eindruck: "Es ist erstaunlich, wie wenig Transparenz und gezielte Überwachung des Infektionsgeschehens stattfindet - sowohl bei Tieren als auch bei Menschen."

Kann die Vogelgrippe zur nächsten Pandemie werden?

Das bleibt unklar, sagt die WHO. Klar sei jedoch, dass von Tieren auf Menschen übertragene Infektionskrankheiten ein Pandemiepotenzial haben - und daher streng überwacht und eingedämmt werden müssen. Jede Übertragung kann zu Mutationen führen, die das Virus verändern und somit das Risiko für Menschen erhöhen.

Kürzlich wurde in den USA eine neue Variante des Vogelgrippe-Virus bei Kühen nachgewiesen. Die D1.1-Variante wurde in Kuhmilch in Nevada entdeckt, während zuvor die B3.13-Variante dominierte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...