Politik

Bundestag-Abstimmung zu historischem Schuldenpaket: Bundestag stimmt mit Mehrheit für Gesetzesänderung

Der Bundestag hat mit einer deutlichen Zweidrittelmehrheit für das größte Kreditpaket der deutschen Geschichte gestimmt, das Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz ermöglichen soll. Nun steht noch die Zustimmung des Bundesrats aus.
18.03.2025 17:37
Aktualisiert: 18.03.2025 17:37
Lesezeit: 4 min
Bundestag-Abstimmung zu historischem Schuldenpaket: Bundestag stimmt mit Mehrheit für Gesetzesänderung
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) verkündet das Ergebnis der Bundestag-Abstimmung zum Schuldenpaket (Foto: dpa). Foto: Bernd von Jutrczenka

Bundestag-Abstimmung: Ja zu historischem Schuldenpaket

Der Bundestag hat in der dritten Lesung am Dienstagnachmittag für ein milliardenschweres Kreditpaket für Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz gestimmt. Nach einer sechs Stunden langen Sitzung des Parlaments wurde das Milliarden-Finanzpaket von Union und SPD verabschiedet. Für die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Grundgesetzänderung sorgte eine künftige Oppositionspartei.

Um kurz nach 16 Uhr gab Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) das Ergebnis bekannt: Laut dem Ergebnis der Bundestagsabstimmung stimmten 512 Abgeordnete für die Änderung von vier Artikeln der Verfassung, 206 votierten dagegen, ohne Enthaltungen. Erforderlich waren mindestens 489 Stimmen. Neben CDU, CSU und SPD hatten auch die Grünen ihre Unterstützung angekündigt. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hatte zu Beginn der Sitzung abweichende Zahlen genannt: 513 Ja-Stimmen und 207 Nein-Stimmen. Diese Angaben wurden später korrigiert.

Am Freitag muss noch der Bundesrat zustimmen, um den Weg für milliardenschwere Investitionen in die deutsche Verteidigungsfähigkeit sowie in marode Verkehrswege, Energienetze, Schulen und Sportanlagen zu ebnen. Auch der Klimaschutz soll von diesen Milliarden profitieren.

Union und SPD verteidigen hohe Schuldenaufnahme

Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), der sich als neuer Bundeskanzler sieht, verteidigte die geplante Schuldenaufnahme im Hinblick auf die Sicherheit Deutschlands, Europas und der NATO. „Von der Entscheidung des Bundestags hängt nicht nur die deutsche Verteidigungsfähigkeit ab“, erklärte Merz. „Unsere Verbündeten in der NATO und der EU blicken ebenso auf uns wie unsere Gegner und die Feinde unserer demokratischen und regelbasierten Ordnung.“

SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil hob hervor, dass das Paket zahlreiche Vorteile für die Bürger bringen werde. „Dieses Paket wird die Mehrheit der Menschen im Alltag entlasten“, sagte Klingbeil. Die Grundgesetzänderung sei eine „wichtige Chance“, Deutschland wieder stärker zu machen. „Die Welt wird neu vermessen. Niemand wartet auf Deutschland – und niemand wartet auf Europa.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte, dass „unsere Sicherheit nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden darf.“

Bundestag-Abstimmung: Kritik von FDP und AfD an Schuldenmacherei

Kritik kam insbesondere von der FDP und der AfD. FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf der Union vor, sich gegen den wirtschaftlichen Erfolg des Landes zu wenden. „Viel Geld, keine Reformen. Das wird Ihre Kanzlerschaft kennzeichnen“, sagte Dürr an Merz gewandt. Dieser habe die Grundgesetzänderung als Anpassung an neue Herausforderungen verkauft. „In Wirklichkeit ist es der Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei.“

AfD-Fraktionsvorsitzender Tino Chrupalla kritisierte Merz als „wirbellos“ und warf ihm vor, „planlos die Staatsverschuldung in den Himmel zu treiben“. „Sondervermögen sind und bleiben Sonderschulden“, sagte Chrupalla.

Grüne rechnen mit Union ab

Obwohl die Grünen notwendig waren, um die Zweidrittelmehrheit zu erreichen, nutzte Fraktionschefin Britta Haßelmann die Gelegenheit, mit Merz abzurechnen. Sie erklärte, alle wüssten seit langem, dass Deutschland mehr Investitionen in Verteidigung brauche, doch Merz und seine Partei hätten dies nie öffentlich zugegeben und die Grünen für entsprechende Forderungen diffamiert. „Aber ich bin froh, dass wir heute so entscheiden, weil es notwendig für unser Land ist“, sagte Haßelmann.

Details zum geplanten Schuldenpaket

In Deutschland gibt es einen enormen Investitionsstau in Verteidigung und Infrastruktur. Union und SPD, die derzeit eine gemeinsame Bundesregierung verhandeln, wollen diesen über neue Schulden auflösen. In Zusammenarbeit mit den Grünen wurde Folgendes vereinbart:

Die Schuldenbremse, die die Neuverschuldung des Bundes begrenzt, wird für Ausgaben in den Bereichen Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert. Für Ausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen Kredite aufgenommen werden – das wären in diesem Jahr mehr als 44 Milliarden Euro.

Zudem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit bis zu 500 Milliarden Euro finanziert wird. Aus diesem Sondervermögen sollen die marode Infrastruktur und der Klimaschutz finanziert werden. 100 Milliarden Euro sind für die Länder vorgesehen, weitere 100 Milliarden Euro fließen in den Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft.

Union und SPD betonen Reformbedarf

Trotz der hohen Schuldenaufnahme betonten Union und SPD, dass Deutschland einen großen Reformbedarf habe. Diese Investitionen verringerten nicht den Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, sagte Merz. „Das Gegenteil ist richtig“, erklärte der CDU-Chef. „Steigende Verschuldung führt zu höheren Zinsen und erfordert Tilgungspläne“, sagte Merz. „Bund, Länder und Gemeinden werden in den nächsten Jahren unter erheblichem Konsolidierungsdruck stehen.“

SPD-Chef Klingbeil hob hervor, dass Deutschland eine grundlegende Modernisierung brauche. „Geld allein wird die Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht lösen. Wir müssen effizienter und zielgenauer werden“, sagte Klingbeil. In einer künftigen Bundesregierung wolle die SPD zusammen mit der Union Reformen angehen, um Bürokratie abzubauen und einen „Mentalitätswechsel“ zu ermöglichen.

Eklat des BSW

Der BSW sorgte mit einem Eklat für Aufsehen, als es sich aus dem Bundestag verabschiedete. Nach einer Rede der Vorsitzenden Sahra Wagenknecht hielten Abgeordnete Transparente mit der Aufschrift „1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!“ hoch. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) erteilte den acht Abgeordneten Ordnungsrufe für diese unzulässige Aktion. Wagenknecht hatte zuvor erklärt, dass Deutschland auf dem Weg zum wirtschaftlichen Zwerg sei und die verantwortlichen Politiker ihre Unfähigkeit durch außenpolitische Großmannssucht und Rüstungsaufrüstung kompensieren würden.

Nächste Schritte im Gesetzgebungsprozess

Nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Diese dürfte jedoch gesichert sein, nachdem sich die CSU und die Freien Wähler in Bayern auf eine Zustimmung geeinigt haben. Die Länder profitieren deutlich von diesem Paket: Neben den 100 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz dürfen sie künftig Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen – zuvor lag die Schuldengrenze bei null.

Sollte der Bundesrat zustimmen, fehlt nur noch die Ausfertigung des Gesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dieser muss prüfen, ob die Grundgesetzänderung nach den Vorgaben der Verfassung zustande gekommen ist. Berichten zufolge haben die Juristen im Bundespräsidialamt bereits parallel zum Gesetzgebungsverfahren mit der Prüfung begonnen, um diese schnell abzuschließen. Da das Bundesverfassungsgericht das Verfahren bereits für rechtens erklärt hat, dürfte Steinmeier keine Probleme haben, das Gesetz zu unterzeichnen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik BKA: Politisch motivierte Kriminalität steigt um 40 Prozent– Beratungsstellen schlagen Alarm
20.05.2025

Schon die erste Kriminalitätsstatistik, die Dobrindt vorstellt, zeigt, dass er ein schwieriges Amt übernommen hat. Bei Straftaten mit...

DWN
Finanzen
Finanzen BYD-Aktie auf Rekordjagd: Neue Technologie und Europa-Strategie beflügeln den Kurs
20.05.2025

Die BYD-Aktie bricht Rekorde, während Konkurrent Tesla schwächelt. Neue Technologien und Strategien sorgen für Aufsehen – doch wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland unter Druck: EU verschärft Sanktionen gegen Kreml
20.05.2025

Trotz der Bemühungen von US-Präsident Donald Trump ist ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiterhin nicht in Sicht....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wie China europäische Unternehmen vom Markt verdrängt – und Brüssel zuschaut
20.05.2025

China überschwemmt Europa mit Billigwaren, während europäische Exporte nach Peking einbrechen – und Brüssel steht hilflos daneben....

DWN
Immobilien
Immobilien Crowdinvesting in Immobilien: Hohe Risiken, hohe Renditen?
20.05.2025

Immobilien sind, trotz fallender Preise seit 2023, weiterhin attraktive Kapitalanlagen. Wer in Immobilien investieren möchte, aber nicht...

DWN
Technologie
Technologie SFC Energy-Aktie bricht nach Quartalszahlen ein – wie geht es weiter?
20.05.2025

Die SFC Energy-Aktie rutscht trotz ambitionierter Jahresziele tief ins Minus. Was steckt hinter dem Rückschlag – und wie sollten Anleger...

DWN
Politik
Politik Hybride Kriegsführung auf See – Provokation durch russische Schattenflotte?
20.05.2025

Russische Schattenflotten operieren unter dem Radar – bis ein Kampfjet über Estland auftaucht. Litauens NATO-Botschafter fordert jetzt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neue Perspektiven für KMU: EU und Großbritannien planen Handel und Stromkooperation
20.05.2025

Die geplante Annäherung zwischen EU und Großbritannien bietet dem deutschen Mittelstand konkrete Perspektiven – vor allem beim...