Panorama

"Kennen Ausmaß nicht": Vogelgrippe in USA beunruhigt Experten

Vor einem Jahr wurde die Vogelgrippe erstmals bei Milchkühen in den USA festgestellt. Dutzende Menschen infizierten sich, einer verstarb. Präsident Trump vermeidet das Thema, während Experten beunruhigt sind. Was muss jetzt passieren, damit H5N1 nicht zur nächsten Pandemie wird.
25.03.2025 07:23
Lesezeit: 4 min
"Kennen Ausmaß nicht": Vogelgrippe in USA beunruhigt Experten
Angestellte säubern Käfige und bringen Hühner zur Schlachtung: Vogelgrippewelle in den USA besorgt Experten (Foto: dpa). Foto: Andres Kudacki

Vogelgrippe in den USA: Der aktuelle Stand

Die größte dokumentierte Vogelgrippewelle grassiert weltweit. Der Erreger betrifft vor allem Vögel, wurde jedoch auch bei vielen Säugetieren nachgewiesen. Am Dienstag, dem 25. März, vor einem Jahr kam eine alarmierende Nachricht aus den USA: Zum ersten Mal wurde die Vogelgrippe H5N1 bei Milchkühen entdeckt, anfänglich in den Bundesstaaten Texas, Kansas und New Mexico. Was hat sich seitdem ereignet und wie geht es weiter?

Von einer Eindämmung der Vogelgrippe in den USA kann noch immer keine Rede sein. Laut der Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) sind in der aktuellen Vogelgrippewelle in den USA mehr als 12.500 Fälle bei Wildvögeln registriert worden. Rund 170 Millionen Nutzvögel, wie Hühner oder Enten, wurden gekeult. Ausbrüche wurden zudem in fast 1.000 Rinderherden in 17 Bundesstaaten festgestellt, wobei 70 Infektionen bei Menschen nachgewiesen wurden. Die Rinder zeigen häufig einen geringeren Appetit und eine reduzierte Milchproduktion. Den Behörden zufolge erfolgt die Ansteckung meist über Wildvögel, die das Virus durch Melkmaschinen und Euter weiterverbreiten.

Wie bewertet die Gesundheitsbehörde CDC die Lage für die Bevölkerung?

u Beginn des Jahres starb in den USA erstmals ein Mensch nach einer Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1. Der Bewohner des Bundesstaates Louisiana war über 65 Jahre alt und litt unter weiteren gesundheitlichen Problemen, wie die Behörden angaben. Diese Zahlen sind jedoch nur die offiziell veröffentlichten. Eine kleine CDC-Studie ergab, dass im September 3 von 150 Tierärzten Antikörper gegen das Virus trugen. Zwei von ihnen gaben an, keinerlei Kontakt zu infizierten Tieren oder Verdachtsfällen gehabt zu haben. Experten schließen daraus, dass das Virus sowohl unter Tieren als auch unter Menschen weitaus weiter verbreitet sein muss, als offiziell bekannt. "Wir kennen das Ausmaß dieses Ausbruchs in den USA nicht", erklärte Virologin Seema Lakdawala von der Emory University in Atlanta der "New York Times". "Es gibt offensichtlich Infektionen, die wir nicht mitbekommen."

Laut der CDC wurde bislang keine Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch nachgewiesen. Das Risiko für die allgemeine Bevölkerung sei gering, da es sich bei den Infizierten fast ausschließlich um Menschen mit intensivem Kontakt zu Rindern oder Geflügel handelt, wie etwa Farmarbeiter. Die Behörde empfiehlt, Kontakt zu kranken oder toten Tieren zu meiden.

Vogelgrippewelle: Wie sieht es mit Milch, Fleisch und Eiern aus?

Kommerziell produzierte Milch-, Fleisch- und Eierprodukte seien sicher, da Hitze und Pasteurisierung das Virus abtöten, betonen die CDC. Vom Konsum von Rohmilch wird jedoch abgeraten. Die Lieferung von Rinderfleisch und Milch sei nicht gefährdet, da die Rinder die Infektion überstehen können und nicht getötet werden müssen. Jedoch wurden seit Beginn des Ausbruchs rund 170 Millionen Nutzvögel in den USA gekeult, was zu einem Anstieg der Preise für Hühnerfleisch und besonders für Eier geführt hat. In vielen Supermärkten sind Eier knapp und oft wird pro Kunde nur noch eine Packung verkauft.

Das Thema hat auch politische Brisanz: US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf oft Joe Biden für die hohe Inflation verantwortlich gemacht und versprochen, dass mit ihm als Präsident die Preise sinken würden – bislang ohne Erfolg. Dies brachte ihm Spott von den Demokraten ein. Trump selbst betonte jedoch wiederholt, dass Biden die steigenden Preise für Eier in den USA "außer Kontrolle" habe, ohne dafür Beweise vorzulegen.

Was planen Trump und RFK Jr. nun?

Der Ausbruch der Vogelgrippe trifft die USA in einer turbulenten Zeit. Nach dem Regierungswechsel sind die zuständigen Behörden zum Teil noch führungslos und werden von Mittelkürzungen getroffen. Eine einheitliche Strategie wurde bislang nicht vorgestellt, und Trump lässt das Thema weitgehend unbeachtet.

Eine zentrale Frage betrifft Impfungen: Während die Vorgängerregierung entsprechende Studien in Auftrag gegeben hatte und ein Impfstoff bereits vorläufig zugelassen wurde, sieht der neue Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. diese Option sehr skeptisch. Alle seine Behörden würden ihm von Impfungen abraten, sagte Kennedy kürzlich dem TV-Sender "Fox News". Es sei möglich, dass Hühnerställe durch Impfungen zu "Mutationsfabriken" werden könnten.

Wie sehen Experten den Umgang der USA mit der Vogelgrippe?

Viele Experten äußern große Sorgen – sowohl für die USA als auch für den Rest der Welt. Aus Deutschland kommt scharfe Kritik: Es sei leider nicht zu erkennen, dass Maßnahmen ergriffen würden, die das Ausbreiten des Virus schnell stoppen könnten, erklärte Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald. Der Berliner Virologe Christian Drosten bestätigte den Eindruck, dass in den USA mehr Wert auf die Vermeidung von wirtschaftlichem Schaden gelegt werde, als auf die Verhinderung einer weiteren Zoonose: "Es ist schon frappierend, wie wenig Dateneinsicht und gezielte Infektionsüberwachung stattfindet, sowohl bei Tieren als auch bei Menschen."

Könnte die Vogelgrippe zur nächsten Pandemie werden?

Ob dies der Fall sein könnte, ist noch völlig unklar, erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sicher ist jedoch, dass Infektionen von Tieren auf Menschen das Potenzial haben, zu Pandemien zu führen, weshalb sie sorgfältig überwacht und, wo möglich, eingedämmt werden müssen. Das derzeit kursierende Vogelgrippe-Virus wurde im März erstmals bei einem Schaf nachgewiesen – einem weiteren Säugetier, das engen Kontakt zum Menschen hat. Wie das britische Ministerium für Umwelt, Lebensmittel und ländliche Räume mitteilte, wurde das Virus in der Grafschaft Yorkshire entdeckt. Zuvor war es schon bei Vögeln in diesem Betrieb nachgewiesen worden.

Die WHO warnt, dass bei jeder Übertragung des Virus Mutationen auftreten könnten, die dessen Eigenschaften verändern und möglicherweise das Gefährdungspotential für Menschen erhöhen könnten. So wurde in den USA kürzlich eine neue Virusvariante bei Kühen entdeckt. D1.1 wurde in Kuhmilch in Nevada nachgewiesen. Zuvor waren Infektionen mit der Variante B3.13 in Verbindung gebracht worden.

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