Kehren westliche Firmen nach Russland zurück - das könnte riskant sein
Drei Jahre nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine laufen in einer russischen Produktionsstätte des Elektronikherstellers LG wieder testweise Maschinen zur Fertigung von Haushaltsgeräten. Ziel sei es, nach langer Pause Korrosion vorzubeugen, da es Anzeichen für ein mögliches Kriegsende gebe, wie ein Unternehmenssprecher russischen Medien sagte.
Auch Hyundai zeigt erste Aktivitäten. Beim führenden russischen Online-Jobportal HeadHunter schalteten Hyundai-Tochtergesellschaften kürzlich mehrere Stellenanzeigen – unter anderem für Logistikexperten und IT-Fachkräfte. Das deutet auf eine mögliche Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit in Russland hin, berichten südkoreanische Medien. Zwar wurde Ende 2023 die Autofabrik in Sankt Petersburg für symbolische 7000 Rubel (aktuell rund 80 Euro) verkauft, doch eine Rückkaufklausel wurde gesichert.
Mit der neuen Haltung der US-Regierung gegenüber Russland bewerten nicht nur asiatische Konzerne ihre Optionen neu. "In letzter Zeit reisten mehrere Topmanager nach Russland", sagt ein deutscher Brancheninsider. Offiziell will sich kaum jemand äußern. Die Sanktionen bestehen fort, was das Thema für westliche Investoren weiterhin brisant macht.
Deutschland war lange wirtschaftlicher Hauptpartner Russlands
Über Jahre hinweg zählten deutsche Firmen zu den führenden Investoren in Russland. Der bilaterale Handel wuchs nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schnell und erreichte laut Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft 2012 mit über 80 Milliarden Euro seinen Höchstwert. Russland exportierte vor allem Öl und Gas, Deutschland Maschinen und Industrieanlagen. Vor dem Krieg investierten deutsche Firmen auch im zweistelligen Milliardenbereich in Russland. Selbst im Jahr 2022 betrugen die Investitionen noch über 18 Milliarden Euro. Trotz politischer Spannungen, insbesondere seit der Krim-Krise 2014, war das Geschäft für deutsche Unternehmen äußerst lukrativ.
Doch unter gesellschaftlichem und politischem Druck schrumpfte die Zahl deutscher Firmen in Russland von 3.400 auf etwa 2.000. Noch gravierender war der Rückgang der Umsätze, da viele ihre Aktivitäten eingefroren haben. Dabei zogen sich nicht nur Deutsche zurück. Fast alle bekannten westlichen Marken verließen Russland. Neben VW, Mercedes, Henkel, Adidas und Siemens verabschiedeten sich auch McDonalds, Coca-Cola, Mars, Nike, Apple, IKEA, Toyota, Sony, Samsung sowie Hyundai und LG.
Russlands Wirtschaft trotzt Sanktionen
Die westlichen Sanktionen haben ihr Ziel verfehlt. Russland verzeichnete laut offiziellen Zahlen 2024 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von vier Prozent – deutlich mehr als die EU. Auch wenn der Anstieg größtenteils durch die Rüstungsindustrie bedingt ist, hat Präsident Putin weiterhin breite Zustimmung in der Bevölkerung. In ländlichen Gebieten haben sich die Einkommen durch neue Jobs im Rüstungsbereich, Sold für Söldner oder Renten für Angehörige der Gefallenen erhöht.
Putin zeigt sich daher zunehmend siegessicher – auch wirtschaftlich. Ausländische Firmen interessierten sich in großer Zahl für eine Rückkehr nach Russland, so seine Aussage bei öffentlichen Terminen. "Schon jetzt führen wir hinter verschlossenen Türen Gespräche mit einigen Partnern über eine Rückkehr", erklärte er im März. Der 72-Jährige, der den Angriff auf die Ukraine weiterhin als "militärische Spezialoperation" bezeichnet und westliche Sanktionen als "Wirtschaftskrieg" verurteilt, betonte, dass es keine Vergünstigungen für Rückkehrer gebe. Im Gegenteil: Russische Firmen sollen Vorrang behalten. Wer geblieben sei, werde belohnt. Bei allen anderen werde das Verhalten beim Rückzug genau geprüft.
Aktuell keine konkreten Rückkehrpläne
Trotz der optimistischen Darstellung aus Russland bleibt eine schnelle Rückkehr unwahrscheinlich, meint das unabhängige Medium "The Bell". Man habe rund 60 der größten aus Russland ausgezogenen Unternehmen befragt. "Nur 21 antworteten – keine davon plant klar eine Rückkehr nach Russland", heißt es. Unternehmen wie Nokian Tyres, IKEA, Henkel, Nissan oder Wintershall DEA sehen momentan keine Perspektive. Lediglich drei Konzerne – Baker Hughes, Otis und Bosch – beobachten die Situation, bleiben aber passiv.
Nur beim geplanten Verkauf von Russland-Geschäften zögern Unternehmen seit Trumps Amtsantritt. Grund: Für ihre Betriebe erhalten sie kaum Gegenwert. Nach russischer Vorschrift dürfen Firmen maximal 60 Prozent des geschätzten Werts erzielen – abzüglich 35 Prozent an Steuern und Abgaben. Somit bleibt kaum Gewinn – und oft treten Putin-nahe Kreise als Käufer auf, wie ein Branchenexperte berichtet. So übernahm etwa der Clan des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow die russischen Töchter von Danone. Viele Unternehmen bevorzugen daher das Abwarten.
Neue Investitionen plant indes niemand. "Kein ausländischer Investor kommt ohne Garantien aus dem Heimatland nach Russland", stellt Ulf Schneider klar, Präsident der weiterhin dort tätigen Beratergruppe Schneider Group. Eine solche Absicherung aus Deutschland ist aktuell nicht denkbar.
Vorhandenes Kapital in Russland nutzen
Geht es um die Neubewertung des russischen Markts, steht nicht die Überweisung neuer Gelder im Fokus. Vielmehr möchten Unternehmen ihre bereits in Russland gebundenen Mittel sinnvoll einsetzen. Diese Gelder sind erheblich. Nach Schätzungen der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer übersteigen deutsche Vermögenswerte in Russland inzwischen 100 Milliarden Euro. Hintergrund ist das Verbot zur Kapitalausfuhr. Gewinne verbleiben somit zwangsweise in Russland.
Selbst das russische Finanzministerium hat mittlerweile eingeräumt, dass es bisher keine formellen Anfragen ausländischer Firmen zur Rückkehr nach Russland gegeben hat. Vizeminister Iwan Tschebeskow bestätigte: Eine Rückkehr sei bislang nicht beantragt worden.