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Vattenfall übernimmt Nordlicht-Projekt – BASF zieht sich überraschend aus deutscher Windenergie zurück

Ein unerwarteter Rückzieher sorgt für Unruhe im europäischen Energiemarkt: Der Chemiekonzern BASF verkauft seinen Anteil am Offshore-Windprojekt Nordlicht an den schwedischen Staatskonzern Vattenfall – und erleidet dabei einen Milliardenverlust. Die Gründe sind vielschichtig und werfen Fragen zur Stabilität der deutschen Energiewende auf.
17.04.2025 06:04
Lesezeit: 2 min

Vattenfall drosselt erneut die deutsche Windenergie

Die Energiewende in Deutschland bekommt einen Dämpfer – ausgerechnet durch den Rückzug eines der größten Industrieunternehmen des Landes. BASF, einst ambitionierter Mitstreiter beim Ausbau der Offshore-Windkraft, zieht sich nur wenige Monate nach dem Einstieg wieder aus dem Großprojekt Nordlicht 1 und 2 in der deutschen Nordsee zurück. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall übernimmt nun überraschend die vollständige Kontrolle über das Gigaprojekt – und verschweigt die Rückkaufs-Konditionen.

Ein strategischer Rückzieher – mit hohen Kosten

Offiziell verweist BASF auf eine strategische Neuausrichtung: Man wolle sich „disziplinierter“ auf Projekte mit unmittelbarem wirtschaftlichem Nutzen konzentrieren. Hinter vorgehaltener Hand heißt es jedoch, dass die drastisch gestiegenen Projektkosten und die unsicheren energiepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland eine Rolle spielten.

Der Rückzug ist teuer: Laut Unternehmensangaben beläuft sich der Verlust auf rund 300 Millionen Euro – umgerechnet über 3,3 Milliarden schwedische Kronen. Noch im April 2024 hatte BASF für den Erwerb von 49 Prozent an Nordlicht 501 Millionen Euro gezahlt – ein Rekordgeschäft, das sich nun als kostspieliger Fehlschlag entpuppt.

Vattenfall schweigt – doch die Zahlen sprechen für sich

Der schwedische Staatskonzern hält sich über die Rückkaufkonditionen bedeckt, verweist lediglich auf die Veröffentlichung seines Q1-Berichts am 29. April. Doch im Vattenfall-Geschäftsbericht 2024 taucht bereits eine brisante Zahl auf: Der ursprüngliche Verkauf der Anteile an BASF brachte Vattenfall einen Kapitalgewinn von über 5 Milliarden SEK. Dieser Gewinn scheint sich nun teilweise wieder aufzulösen – in einer Zeit, in der die Energiebranche ohnehin unter Druck steht.

Ein Signal mit politischer Sprengkraft

Der BASF-Rückzug sendet ein beunruhigendes Signal: Wenn selbst ein Konzern dieser Größenordnung aus einem Vorzeigeprojekt der deutschen Energiewende aussteigt, stellt sich die Frage, wie tragfähig das derzeitige Investitionsklima im Bereich erneuerbare Energien wirklich ist. Besonders problematisch: Der Rückkauf erfolgt nicht etwa aufgrund technischer Hürden oder Genehmigungsproblemen, sondern offenbar aus rein wirtschaftlichen Gründen.

Wende im Wind?

Noch im vergangenen Jahr hatte BASF erklärt, seinen Anteil an Windstrom zur Versorgung seiner Werke – allen voran in Ludwigshafen – zu nutzen. Doch nun gibt Sprecher Thomas Nonnast zu: „Wir sehen mittlerweile eine schwächere Nachfrage und rechnen nicht mehr damit, dass wir so schnell zusätzlichen Zubau an erneuerbarem Strom benötigen wie zuvor.“ Das wirft Fragen zur realen Energiebedarfsentwicklung in der deutschen Industrie auf – in einem Moment, in dem die Bundesregierung unter Hochdruck für mehr Versorgungssicherheit wirbt.

Zunehmende Unsicherheit am Markt

Die Kehrtwende bei Nordlicht ist symptomatisch für eine wachsende Unsicherheit im Markt für Großprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien. Vattenfall selbst hatte im vergangenen Jahr den Bau des schwedischen Offshore-Projekts Kriegers Flak aus Rentabilitätsgründen gestoppt – nun investiert man trotzdem Milliarden in Deutschland. Ein wirtschaftliches Risiko, das nun allein der schwedische Staat über sein Energieunternehmen trägt.

Fazit: Windkraft in Schieflage – Energiewende in der Kritik

Was als Leuchtturmprojekt begann, endet vorerst in einem symbolträchtigen Rückzieher. BASF verabschiedet sich – zumindest finanziell – aus einem zentralen Baustein der deutschen Offshore-Windstrategie. Vattenfall bleibt als alleiniger Eigentümer zurück, doch der Preis dafür ist hoch – ökonomisch wie politisch.

Die Debatte um die Kosten, Risiken und Realisierbarkeit der Energiewende wird durch diese Entwicklung neuen Auftrieb bekommen. Und die Frage bleibt: Wer soll künftig noch in Milliardenprojekte investieren, wenn selbst Branchengrößen wie BASF das Handtuch werfen?

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