Unternehmensporträt

Start-up Automotive: Der Weg ist für Bareways das Ziel

Navigationssysteme zeigen den schnellsten oder kürzesten Weg von A nach B. Das Start-up Bareways geht noch einen Schritt weiter: Es liefert je nach Marke und Modell einen maßgeschneiderten Routenplaner für die Automobilindustrie. Big Data und künstliche Intelligenz sollen für unvergessliche Fahrerlebnisse sorgen.
02.05.2025 16:45
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Start-up Automotive: Der Weg ist für Bareways das Ziel
Moritz von Grotthuss (links) und Sascha Klement (Foto: Bareways).

Die Zeit drängt. Seit Wochen suchen Sascha Klement und Moritz von Grotthuss nach eingängigen Namen und verfügbaren Domains für ihr Start-up. Doch die zündende Idee für den passenden Namen fehlt bislang. Es sind nur noch 48 Stunden bis zum entscheidenden Notartermin, da erreicht Moritz von Grotthuss eine Nachricht seines Geschäftspartners: Ein Foto des Magazins „Barefoot“. Es ist der entscheidende Hinweis für den Namen, den ihr Start-up heute trägt: Bareways.

Bareways bedeutet so viel wie „nackte Straßen“. „Der Name geht auf den Ursprung unseres Unternehmens zurück“, erklärt Moritz von Grotthuss. „Damals haben wir eine Navigationslösung für nicht asphaltierte Straßen entwickelt.“ Damit die Wettervorhersage zur gewünschten Route passte, kombinierte Bareways zahlreiche Datenquellen und leitete daraus Handlungsempfehlungen ab. Dafür sammelt das Start-up mit Sitz in Lübeck Daten von Wetterdiensten, Satellitenaufnahmen, Straßenbehörden, um die Befahrbarkeit von Straßen besser bestimmen zu können.

Heute zählt Bareways Unternehmen wie Porsche zu seinen Kunden. „Wir entwickeln Location Services für Automotive, also alles, was mit Örtlichkeit zu tun hat. Und das ist in erster Linie Navigation“, erklärt Moritz von Grotthuss. Die herkömmlichen Navigationssysteme wie Google Maps liefern den gleichen Service für alle Autofahrer überall auf der Welt, egal ob in Brasilien, Lettland oder den USA. „Sie werden immer auf der schnellsten Route von A nach B navigiert“, so von Grotthuss. Diese Art von Navigation sei auf Effektivität und Standardisierung ausgelegt. So funktioniere sie hervorragend. „Wenn Sie aber lieber an der Küste entlang oder durch die Berge fahren wollen, können Sie dies nur durch das Definieren von Zwischenzielen innerhalb der Route.“

Big Data, künstliche Intelligenz und Machine Learning aus Lübeck

Bareways entwickelt individualisierte Navigationslösungen, zugeschnitten auf den Fahrzeughersteller. „Ein Sportwagenfahrer erhält andere Routenvorschläge als der Family Van-Fahrer“, erklärt von Grotthuss. „Wenn wir mit einem Luxus-Fahrzeughersteller zusammenarbeiten, dann reden wir über Michelin-Restaurants und Whisky-Distillerien entlang der Route. Bei einem Motorradhersteller können es auch Zeltplätze und Badeseen sein.“

Für die Erstellung der individualisierten Routen wertet Bareways Big-Data mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Machine Learning aus. Als Start-up stehen dem Unternehmen nur begrenzte finanzielle Mittel zur Gewinnung der Daten zur Verfügung. „Wir können weder zehntausend Fahrzeuge in die Welt schicken und alles filmen lassen, noch können wir die nötigen Daten kaufen.“ Bareways geht daher einen anderen Weg: „Wir reichern Open Street Map massiv mit Daten von Straßen, Höhen, Wetter, Verkehr, Öffnungszeiten, Restaurants, Hotels, Kunst und vielem mehr an. Zunächst mit Standardalgorithmen, aber auch mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellen wir Analysen, finden Koordinaten und stellen eine Individualisierung her. So liefern wir dem Kunden das für ihn bestmögliche Ergebnis.“

Die großen Konkurrenten wie Google Maps und Mapbox stammen aus den USA, doch keines der Unternehmen liefert eine individualisierte B2B-Version zugeschnitten auf die Brand des Automobilherstellers wie Bareways. Calimoto aus Potsdam hat eine B2C-Lösung für Motorradfahrer entwickelt.

Sascha Klement und Moritz von Grotthuss haben Bareways im Jahr 2017 gegründet. Es ist bereits die zweite Zusammenarbeit. Im Jahr 2011 hatte Sascha Klement bei Gestigon eine Software zur Gestensteuerung mitentwickelt. Kunden waren unter anderem Audi, VW und Renault, die die Software zur Steuerung von Infotainment-Systemen eingesetzt haben. Moritz von Grotthuss stieß 2012 dazu.

Nach dem Verkauf von Gestigon an den französischen Automobilzulieferer Valeo gründeten Sascha Klement und Moritz von Grotthuss 2019 Bareways. Sowohl die Kontakte als auch das Wissen waren ausschlaggebend dafür, der Automobilbranche treu zu bleiben. Während der Informatiker Klement die Organisation und IT verantwortet, kümmert sich der Jurist von Grotthuss um das Netzwerk des Unternehmens. „Ich bin der Außenminister von Bareways“, sagt er. Mit fast 10.000 Kontakten bei LinkedIn sorgt er für die notwendige Außenwirkung des Unternehmens. „Ich beantworte Fragen, mache Vorschläge, bringe mich selbst aktiv ein.“

Das Ziel: Aus zwei Kunden zwanzig machen

Gemeinsam kümmern sich die Geschäftspartner um Mitarbeiter und Bewerbungen. Derzeit arbeiten 15 Softwareentwickler für das Unternehmen. An Bewerbungen von Ingenieuren und Informatikern mangelt es nicht. „Wir ziehen es vor, angestellte Mitarbeiter fortzubilden als neuen hinterherzurennen“, erklärt von Grotthuss. „Bevor wir den Falschen einstellen, stellen wir lieber gar niemanden ein.“

Fast sechs Jahre brauchte das Produkt bis zur Marktreife. „Unser Ziel ist es, aus zwei Kunden zwanzig zu machen“, so formuliert von Grotthuss den Anspruch für die kommenden Jahre. Die schlechten Prognosen für die Automobilindustrie sowie die angekündigten Zölle der US-Regierung könnten auch negative Auswirkungen auf Unternehmen wie Bareways haben. Das will Moritz von Grotthuss nicht ausschließen. „Als westlicher Automobilhersteller muss ich mir die Frage stellen, wie ich mich von der chinesischen Konkurrenz absetzen kann“, so von Grotthuss. „Man kann Motoren mit mehr PS ausstatten, den Verbrauch reduzieren, den Innenraum mit Leder ausstatten – doch das alles kostet sehr viel Geld.“ Die Lösung sieht der Unternehmer in anderen Komponenten: „Autos anhand von digitalen Services zu differenzieren ist eine der preisgünstigsten Möglichkeiten.“

Derzeit arbeitet Bareways an einer Navigationslösung für einen japanischen Automobilhersteller. Ein sogenanntes Scenic Routing für die Kirschblüte im Land soll entwickelt werden. Dafür sammelt Bareways Mengen an Daten: In welchem Tal blüht wann welcher Baum bei welchen Temperaturen? Wo macht man die schönsten Fotos? Im Ergebnis erhält der Autofahrer die ideale Route, um die Kirschblüte in ihrer vollen Pracht erleben zu können. Und der Automobilhersteller überzeugt einen Fahrer vom einzigartigen Navigationssystem in seinen Fahrzeugen.

Anzeige
DWN
Finanzen
Cristina Prinz

                                                                    ***

Cristina Prinz ist freiberufliche Journalistin und Geschäftsführerin einer Agentur für Corporate Publishing. Sie schreibt Unternehmerportraits für die DWN. 

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität stärken: Bundesregierung plant Verlängerung der Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge
08.10.2025

Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Steigende Anforderungen an Klimaschutz, die Transformation hin zur...

DWN
Politik
Politik Von der Leyen wirft Russland hybriden Krieg gegen EU vor
08.10.2025

Plant Russland einen Angriff auf die EU? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht schon jetzt Zeichen für einen Krieg – und...

DWN
Politik
Politik Kranken- und Rentenversicherung wird für Gutverdiener teurer
08.10.2025

Erwerbstätige mit höheren Einkommen müssen sich darauf einstellen, im kommenden Jahr mehr für die Renten- und Krankenversicherung zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrieproduktion sinkt erneut deutlich - Einbruch in der Autobranche
08.10.2025

Die deutschen Unternehmen drosseln ihre Produktion stärker als erwartet. Vor allem eine Branche verbucht ein sattes Minus. Hat das...

DWN
Panorama
Panorama Deutschlandticket: Boom vorbei - weniger Fahrgäste im Nahverkehr als vor Corona
08.10.2025

Das Deutschlandticket hat viele in Busse und Bahnen gelockt, doch der Boom ist vorbei. Fahrgastverbände und Verbraucherschützer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Pflichttermin zum Strategiewerkzeug: Jahresgespräche im Wandel
08.10.2025

Was lange als lästige Pflicht galt, entwickelt sich zum strategischen Machtfaktor: Jahresgespräche sollen nicht mehr nur Protokoll...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU kämpft mit Umweltabgaben und Wettbewerbsdruck in der Düngemittelindustrie
08.10.2025

Die europäische Düngemittelindustrie steht unter erheblichem Druck. Hohe Produktionskosten, steigende Emissionsabgaben und der wachsende...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis klettert über 3.450 Euro: Zahl neuer Goldkäufer in Deutschland vervierfacht sich
08.10.2025

Der Goldpreis erreicht ein Rekordhoch nach dem anderen, auch in Euro, trotz ruhiger Märkte. Auch immer mehr Anleger in Deutschland...