Abrechnung mit Trump?
Donald Trump bezeichnet sich selbst gerne als dominierende Figur der Weltgeschichte. Doch einer, der ihn aus dem Inneren des Weißen Hauses kennt wie kaum ein anderer, hält ihn für nichts weiter als eine vorübergehende Episode. John Bolton, ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater der USA unter Trump, sieht in ihm eine „historische Anomalie“ – und ist überzeugt: Vieles von dem, was Trump zerstört hat, lässt sich rückgängig machen.
Der Mann, der die Welt mit sich selbst verwechselt
In einem Interview äußert sich Bolton überraschend hoffnungsvoll – obwohl er Trumps Amtsführung als „Tragödie“ bezeichnet. Trump habe zwar der transatlantischen Allianz geschadet, einen Handelskrieg losgetreten und das US-Demokratieverständnis erschüttert. Dennoch glaubt Bolton: „Trump ist rückabwickelbar.“
„Er ist ein Ausnahmephänomen, das maximal 15 bis 20 Prozent der Wähler repräsentiert“, so Bolton. Der Grund für Trumps Wahlsieg sei nicht dessen Außen- oder Handelspolitik, sondern die Ablehnung von Kamala Harris und die Ängste der Bevölkerung vor Inflation und Migration. Isolationistische Strömungen seien in den USA nicht neu – und würden auch diesmal wieder eingedämmt werden.
Sein Appell an Europa: „Verliert nicht den Kopf. Die Welt endet nicht mit Trump.“
Innenansicht aus der Flippermaschine
John Bolton war von 2018 bis 2019 Nationaler Sicherheitsberater und beschreibt die Trump-Regierung als „Arbeiten in einem Flipperautomaten“. Struktur, Planung oder strategisches Denken habe es nicht gegeben. Trump sei unfähig, Ursache und Wirkung zu verbinden, könne sich kaum auf ein Thema konzentrieren – und halte sich trotzdem für den klügsten Menschen auf dem Planeten.
Trump habe bei sicherheitspolitischen Briefings meist selbst gesprochen – obwohl er auffällig wenig über internationale Zusammenhänge wusste. „Er ist bemerkenswert ungebildet“, so Bolton.
Und doch: „Heute ist Trump besser vorbereitet. Er weiß nun, wie er Macht nutzt.“ Dennoch sieht Bolton drei Gründe, warum der Schaden begrenzt bleiben dürfte.
Warum Trump an Tempo verliert
Erstens werde sich Trumps Aktivität verlangsamen. „Er ist manisch, aber das Tempo ist nicht durchhaltbar“, sagt Bolton. Zweitens werde das US-Rechtssystem Trumps Handeln stoppen – etwa bei der Anwendung von Notstandsgesetzen für die Einführung von Zöllen. Und drittens sei Trump politisch bereits eine „lame duck“, weil er keine Wiederwahl mehr anstreben könne.
Bolton erwartet, dass sich republikanische Abgeordnete zunehmend von ihm distanzieren – aus Sorge um ihre Wiederwahl 2026.
„Die Institutionen werden halten“
Angesprochen auf die Gefahr, dass Trump die demokratische Ordnung bewusst untergräbt, bleibt Bolton gelassen. „Er wird das System herausfordern, aber es wird standhalten.“ Zwar sei er enttäuscht über die Schwäche von Kongress und Parteien – doch er sei überzeugt, dass diese „früh oder später aufwachen“ würden.
Trumps Geschwindigkeit sei keine Strategie – sondern Selbstinszenierung. Die Institutionen arbeiteten langsam, aber solide.
Europa muss Trump nicht zur Krise machen
Trotz seines Optimismus richtet Bolton eine klare Warnung an Europas politische Elite. Wer jetzt voreilig auf Konfrontation gehe, könne mehr Schaden anrichten als Trump selbst. „Trump ist nicht das Ende der Welt – es sei denn, andere machen ihn dazu.“
Konkret kritisiert er Äußerungen westlicher Regierungschefs wie Friedrich Merz („Unabhängigkeit von den USA“), Kaja Kallas („die freie Welt braucht eine neue Führung“) oder Mark Carney („die Ära der engen Bande mit den USA ist vorbei“). Sie alle würden vorschnell urteilen – und könnten damit die NATO gefährden.
„Wir dürfen Trump keinen Vorwand liefern, sich von Europa abzuwenden“, so Bolton. Der Appell: Durchhalten – bis zum Ende seiner Amtszeit in weniger als 1.400 Tagen.
Handelskrieg: „Europa sollte nicht zurückschlagen“
Auch zur drohenden Eskalation im Handelskonflikt mit den USA hat Bolton eine klare Meinung. Die EU hat angekündigt, Strafzölle in Höhe von rund 95 Milliarden Euro zu verhängen, falls keine Einigung mit den USA zustande kommt. Bolton rät davon ab.
„Zölle sind versteckte Steuern auf die eigene Bevölkerung“, warnt er. Stattdessen solle Europa Trump taktisch entgegenkommen – besonders in der gemeinsamen Front gegen China.
NATO-Frage: Kommt Trump im Ernstfall Europa zu Hilfe?
Würde Trump – trotz aller Zweifel – die NATO verteidigen, wenn etwa ein osteuropäisches Land angegriffen würde? Bolton antwortet klar: Ja – wenn das betroffene Land seinen Verteidigungsbeitrag leistet. Trump habe dies wiederholt gesagt – und Bolton glaubt ihm.
Putin, so Bolton, habe weder Interesse noch Kapazitäten für einen Angriff auf ein NATO-Land. Russlands Armee müsse sich nach dem Ukraine-Krieg erst neu aufstellen.
Europas Illusion von Unabhängigkeit
Für Bolton ist klar: Europa kann und wird die USA in Verteidigungsfragen nicht ersetzen. „Die logistische und nachrichtendienstliche Infrastruktur, die NATO trägt, ist amerikanisch. Das kann man nicht duplizieren.“Trotz aller europäischer Rhetorik sieht er keine Beweise für strategische Autonomie. Sein Rat: „Lenkt Trump ab. Haltet ihn in der NATO. Und repariert, was zu reparieren ist, wenn er wieder weg ist.“