Der immer noch akute Mangel an Fachkräften stellt nach Meinung verschiedener Experten ein immer noch großes Problem für die deutsche Wirtschaft dar. Wie aus einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) hervorgeht, fehlten im März dieses Jahr insgesamt 387.000 Fachkräfte – jede dritte Stelle konnte nicht besetzt werden. Zwar waren dies 17,5 Prozent weniger als im vergangenen Jahr, die Lücke ist aber immer noch zu groß. Als Fachkräftelücke bezeichnet man die Anzahl der offenen Stellen, für die es rein rechnerisch keine entsprechend qualifizierten Arbeitslosen gibt.
Mehr als 12.000 Stellen konnten allein in den Branchen der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik nicht besetzt werden. Gravierend ist die Lage auch in der Dachdeckerei – hier fehlen im März 3.000 Fachkräfte. Allein die unbesetzten Stellen in diesen Bereichen führen dazu, dass sich die Umsetzung klimafreundlicher Baumaßnahmen, wie beispielsweise die Umrüstung von Heizungsanlagen oder der Anbau von Photovoltaikanlagen verzögert oder erst gar nicht in Angriff genommen werden kann.
Auch im Tiefbau, wo wichtige Infrastrukturprojekte gestemmt werden müssen, zeigen sich die Engpässe an allen Ecken und Enden. Insgesamt 4.300 Fachkräfte, Spezialisten und Experten werden hier händeringend gesucht. Gerade die Modernisierung der maroden deutschen Infrastruktur, die jetzt nach den Regierungsvorhaben schnell in Angriff genommen werden soll, kommt so ins Stocken. Wichtige Vorhaben, wie der Bau von Tunneln oder der Ausbau moderner Versorgungssysteme können nicht geplant, gebaut oder gewartet werden.
Fachkräfte sind weiterhin Mangelware
Insgesamt fehlen bei knapp sechs von zehn rechnerisch nicht besetzten Stellen Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Das ist deutlich mehr als bei Spezialisten und Experten, bei denen nur jede fünfte Stelle unbesetzt geblieben ist. Obwohl die Situation sich im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert hat, ist ein struktureller Mangel an qualifizierten Kräften weiterhin ein großes Problem für viele Unternehmen und lässt die Stellenbesetzung zu einer großen Herausforderung werden.
Wirtschaftliche Entwicklung wird gehemmt
Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt auf, dass in Deutschland rund 84 Prozent aller Betriebe vom Fachkräftemangel betroffen sind. Die Lösung des Problems ist dringend, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der gesamten deutschen Wirtschaft zu sichern.
Mit den von der neuen Regierung beschlossenen Fiskalpaketen in den Bereichen Infrastruktur und Verteidigung geht auch die Hoffnung einher, den wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland anzukurbeln. Allerdings könnten die fehlenden Fachkräfte in den Bau- und Verkehrsberufen dazu führen, dass die geplanten milliardenschweren Projekte nicht zeitnah umgesetzt werden können und die erhoffte wirtschaftliche Erholung zunichte machen. Gerade bei den Bauspezialisten, die für den Wohnungsbau oder die Sanierung von Straßen- und Schienennetzen gebraucht werden, bestehen bereits heute große Engpässe.
Insgesamt fehlen der deutschen Wirtschaft qualifizierte Arbeitskräfte in praktisch allen handwerklichen Berufen, den Gesundheits- und Sozialberufen und den Elektroberufen. Ferner fehlt es auch an qualifizierten Spezialisten in den sogenannten MINT-Berufen, die Qualifikationen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Technik und Naturwissenschaften bezeichnen.
Der aktuell insgesamt leichte Rückgang der Engpässe ist in erster Linie auf die konjunkturelle Schwäche zurückzuführen und bringt etwas Entspannung in den Arbeitsmarkt. Allerdings steht der Arbeitsmarkt in den kommenden 10 Jahren vor einer Reihe von strukturellen Herausforderungen, die sich einerseits aus dem demografischen Wandel und andererseits aus der Notwendigkeit neuer Qualifikationen ergeben, die durch die ökologische und digitale Transformation entstehen.
Wie die Fachkräfte-Experten der Kofa in ihrer Studie ausführen, müssen deshalb eine Reihe von Maßnahmen für den Arbeitsmarkt eingeleitet werden, damit ein wirtschaftlicher Aufschwung in den kommenden Jahren nicht durch einen Fachkräftemangel ausgebremst wird. Dabei können sowohl Politik als auch Unternehmen zur Fachkräftesicherung beitragen.
Gezielte strukturelle Maßnahmen für den Arbeitsmarkt
Die Folgen des demografischen Wandels könnten, nach Ansicht der Experten, durch ein gezieltes Suchen und Binden ausländischer Fachkräfte ausgeglichen werden. Dafür müssten auch bürokratische Hürden weiter abgebaut werden, um eine Beschleunigung von Anerkennungs- und Einreiseverfahren zu gewährleisten.
Außerdem sollten zusätzliche Anreize entwickelt werden, um ältere, qualifizierte Beschäftigte auch länger im Arbeitsmarkt zu halten. Erste Maßnahmen greifen bereits in diesem Bereich, wie beispielsweise der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze und die Rentenerhöhung für jedes Jahr, das über das Renteneintrittsalter hinaus gearbeitet wird.
Zusätzlich hilft auch die Erhöhung der Arbeitszeit von Teilzeitarbeitenden bei der Fachkräftesicherung. In diesem Bereich braucht es insbesondere bessere Angebote für die Kinderbetreuung, um eine höhere Wochenarbeitszeit für Eltern möglich zu machen. Das Gleiche gilt auch für Teilzeitbeschäftigte, die neben der Arbeit auch noch Angehörige pflegen oder betreuen. Auch weitere Unterstützungsangebote wie die Möglichkeit zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung helfen dabei, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen.
Viele Jugendliche ohne Berufsausbildung
Großes Potenzial haben auch die vielen jungen Menschen ohne Abschluss, die in Deutschland für Bildungs- und Berufsabschlüsse motiviert werden müssen.
Die Anzahl der jungen Menschen ohne Berufsabschluss ist mittlerweile auf einen Rekordwert in Deutschland gestiegen. So verfügten im Jahr 2022 2,86 Millionen der 20-34-Jährigen über keinerlei formale Qualifikation, das sind immerhin 19,1 Prozent in dieser Altersgruppe.
Die Zahl der jungen Menschen, die keinen Berufsabschluss haben, steigt von Jahr zu Jahr ungebremst an, wie Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), bekannt gab. Sie führte weiter aus, dass es trotz vieler unbesetzter Ausbildungsplätze nicht gelingt, allen Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen.
Der jährlich steigende Anteil von jungen Menschen ohne Berufsausbildung lässt sich nur teilweise durch den höheren Anteil an Flüchtlingen oder Zuwanderern erklären. In diesem Bereich liegt die Quote der nicht formal gebildeten zwar doppelt so hoch wie bei den Jugendlichen insgesamt in dieser Altersklasse, aber das erklärt nicht den jährlich ansteigenden Anteil der jungen Menschen ohne Qualifikation.
Qualifizierung von An- und Ungelernten
Zukünftige Fachkräfte können auch aus der Gruppe der An- und Ungelernten kommen, für die der Arbeitsmarkt sowieso kleiner werden wird in den kommenden Jahren. Durch eine gezielte Qualifizierung dieser Beschäftigten kann ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung geleistet werden. Das Gleiche gilt auch für Quereinsteiger, die in Branchen mit besonders starkem Fachkräftemangel angelernt werden können und durch Qualifizierungsmaßnahmen für Zukunftsberufe ausgebildet werden können.