Politik

Bulgarien bekommt den Euro - nicht alle freuen sich darüber

Die EU-Kommission macht den Weg frei: Bulgarien darf 2026 den Euro einführen. Doch im Land regt sich massiver Widerstand. Während Brüssel den Schritt als wirtschaftlichen Fortschritt feiert, fürchten viele Bulgaren steigende Preise und einen Verlust nationaler Souveränität. Was hinter den Protesten steckt – und wie realistisch der Beitritt wirklich ist.
04.06.2025 17:22
Lesezeit: 3 min

EU-Kommission: Grünes Licht für Euro-Einführung in Bulgarien

Der Club der Euroländer bekommt voraussichtlich im nächsten Jahr ein neues Mitglied: Bulgarien bemüht sich schon länger um Aufnahme. Nun hat das Land eine wichtige Hürde genommen.

Bulgarien kann nach Einschätzung der Europäischen Kommission die Gemeinschaftswährung Euro einführen. Das EU-Mitgliedsland erfülle die dafür notwendigen Kriterien, teilte die Brüsseler Behörde mit. Bulgarien will seine Landeswährung Lew (Deutsch: Löwe) zum 1. Januar 2026 durch den Euro ersetzen.

Das Balkanland ist seit 2007 Teil der Europäischen Union und wäre das 21. Land mit der Gemeinschaftswährung. Zuletzt war Kroatien zum 1. Januar 2023 in den Kreis der Eurostaaten aufgenommen worden.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete den Euro als "ein greifbares Symbol der europäischen Stärke und Einheit". Dank des Euro werde die bulgarische Wirtschaft robuster – durch mehr Handel mit Partnern im Euroraum, ausländische Direktinvestitionen, Zugang zu Finanzmitteln, hochwertige Arbeitsplätze und steigende Realeinkommen. In Bulgarien formiert sich teils heftiger Protest gegen die Euro-Einführung.

Einführung bereits verschoben

Bulgarien gehört zu den wirtschaftlich schwächeren EU-Staaten und ist beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf auch 2024 EU-Schlusslicht – obwohl das Wachstum höher ausfiel als anderswo. Nach vorläufigen Angaben von Eurostat lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf 2023 in Bulgarien um 34 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.

Ein weiteres Land im gemeinsamen Währungsraum vereinfacht Handel und Reisen. Wer investieren oder Geschäfte machen will, muss sich dann nicht mehr um Wechselkurse sorgen. Auch Touristen profitieren, da sie sich nach Bulgariens Euro-Beitritt keine Landeswährung mehr beschaffen müssen – was in der Regel mit Kosten verbunden ist.

Ursprünglich war die Einführung des Euro in Bulgarien für Anfang 2024 vorgesehen. Wegen der damals vergleichsweise hohen Inflationsrate von 9,5 Prozent wurde der Beitritt verschoben. Aus Sicht der EU-Kommission war das Kriterium der Preisstabilität damals nicht erfüllt.

Alle EU-Staaten außer Dänemark sind nach den EU-Verträgen verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Neben Bulgarien steht die Einführung der Gemeinschaftswährung noch in Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn aus.

Bestimmte Kriterien müssen erfüllt werden

Für einen Euro-Beitritt gelten verbindliche Voraussetzungen. Dazu zählen Preisstabilität, solide Staatsfinanzen und stabile Wechselkurse. Die Inflation darf etwa nicht aus dem Ruder laufen, damit der Geldwert gewahrt und die Kaufkraft erhalten bleibt.

Euro-Kandidaten müssen außerdem belegen, dass sie ihre Staatsverschuldung kontrollieren. Zudem ist entscheidend, dass der Wechselkurs ihrer Landeswährung stabil bleibt – damit Unternehmen zum Beispiel vorausschauend planen können.

Die Fortschritte der Euro-Kandidaten bei diesen sogenannten Konvergenzkriterien bewerten regelmäßig die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission. Ob ein Land bereit ist für den Euro, entscheidet letztlich der Rat der Europäischen Union. Vertreter aller EU-Staaten treffen ihre Entscheidung auf Vorschlag der EU-Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments.

Auch grünes Licht von der EZB

Auch die EZB hält Bulgarien für bereit zum Euro-Beitritt. Das Land habe seit 2024 gute Fortschritte bei den relevanten wirtschaftlichen Kennziffern erzielt, die für den Beitritt zum Währungsraum erfüllt werden müssen. "Diese positive Bewertung der Konvergenz ebnet den Weg dafür, dass Bulgarien am 1. Januar 2026 den Euro einführen und als 21. EU-Mitgliedstaat dem Euroraum beitreten kann", sagt EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane.

Um die wirtschaftliche Stabilität im Balkanland zu sichern, fordern die Euro-Währungshüter allerdings weitreichende Strukturreformen. Dazu zählt die Verpflichtung Bulgariens, Korruption weiter einzudämmen, ein unabhängiges und effizientes Justizsystem sicherzustellen und das Bildungssystem zu verbessern. Wichtig sei zudem, dass das Land seine Infrastruktur modernisiere, um das Produktionspotenzial zu steigern.

Proteste in Bulgarien

In Bulgarien stößt die geplante Einführung des Euro auf teils massiven Widerstand. Erst am vergangenen Samstag demonstrierten Anhänger prorussischer und nationalistischer Parteien in der Hauptstadt Sofia und in weiteren Städten. Sie fordern, dass die Landeswährung Lew erhalten bleibt, da sie steigende Preise durch den Euro befürchten.

Im Februar entzündeten Nationalisten vor dem Gebäude der EU-Vertretung in Sofia ein Feuer. Sie überschütteten die gläserne Fassade mit roter Farbe – es flogen Molotow-Cocktails und Eier.

Die prorussische, nationalistische Oppositionspartei Wasraschdane (Wiedergeburt) wirft den Behörden vor, Daten zu manipulieren, um die Einführung des Euro zu ermöglichen. Mit dem Euro verliere Bulgarien seine nationale Souveränität, beklagt die Partei.

Euro-Gegner fordern Referendum

Wasraschdane-Chef Kostadin Kostadinow forderte eine Volksabstimmung über den Erhalt der bulgarischen Landeswährung Lew. 604.000 Unterschriften für ein Referendum wurden gesammelt, doch das Parlament lehnte zwei Volksabstimmungen zur Währungsfrage ab – 2023 und im Mai 2025.

Laut Umfragen ist Bulgariens Bevölkerung in der Euro-Frage gespalten. Einer Erhebung des Instituts Mjara vom 10. bis 13. Mai zufolge sind 54,9 Prozent der Volljährigen gegen eine Euro-Einführung im Jahr 2026. Rund ein Drittel (34,4 Prozent) befürwortet einen Beitritt zur Eurozone im kommenden Jahr.

Nach einer Umfrage des Instituts Gallup International Balkan in der zweiten Mai-Hälfte erwarten 33,4 Prozent "eher Nutzen" von der Einführung des Euro. Demgegenüber befürchten 32,9 Prozent "eher Nachteile". 22,6 Prozent rechnen mit keinen nennenswerten Effekten.

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