Wirtschaft

Stellenabbau: Deutsche Industrie verliert in nur einem Jahr 100.000 Arbeitsplätze

Die desaströse Wirtschaftspolitik der letzten Jahre führt in der Konsequenz zu immer mehr Stellenabbau in der deutschen Industrie. Vor allem bei Autoherstellern verlieren viele Menschen ihre Arbeit – und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Andere Branchen kommen im Moment noch glimpflich weg.
22.06.2025 19:28
Lesezeit: 2 min
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Stellenabbau: Deutsche Industrie verliert in nur einem Jahr 100.000 Arbeitsplätze
Volkswagen baut in seinem Werk in Zwickau seit 2020 nur noch Elektroautos. Nun scheint die Zukunft des Mehrmarken-Standorts infrage zu stehen. (Foto: dpa) Foto: Hendrik Schmidt

Die andauernde Wirtschaftskrise hat die deutsche Industrie binnen eines Jahres mehr als 100.000 Arbeitsplätze gekostet. Am härtesten traf es die Autobranche, zeigt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Alleine dort wurden demnach netto rund 45.400 Jobs abgebaut.

Stellenabbau: Deutsche Industrie verliert in einem Jahr 100.000 Arbeitsplätze

Zum Ende des ersten Quartals beschäftigte die deutsche Industrie 5,46 Millionen Menschen - 1,8 Prozent oder 101.000 weniger als ein Jahr zuvor, heißt es in der Studie, die auf Daten des Statistischen Bundesamts basiert. Seit dem Vor-Corona-Jahr 2019 sank die Zahl der Beschäftigten demnach unterm Strich um 217.000, ein Rückgang um 3,8 Prozent. Noch 2018 hatte es einen Rekord mit rund 5,7 Millionen Industrie-Beschäftigten gegeben.

Industrieunternehmen stünden gewaltig unter Druck, sagt Jan Brorhilker, Managing Partner bei EY. „Aggressive Wettbewerber etwa aus China drücken die Preise, wichtige Absatzmärkte schwächeln, in Europa stagniert die Nachfrage auf niedrigem Niveau, hinter dem gesamten US-Markt steht ein großes Fragezeichen. Gleichzeitig kämpfen die Unternehmen mit hohen Kosten – etwa für Energie und Personal.“

Abbau von weiteren 70.000 Jobs erwartet

Der Umsatz der deutschen Industrie sei nach einem Einbruch 2024 zu Jahresbeginn weiter leicht gesunken. Ein Ende des Stellenabbaus sei noch nicht in Sicht, sagt Brorhilker. Er rechnet mit dem Wegfall von mindestens 70.000 weiteren Industrie-Jobs bis Jahresende. Gerade im Maschinen- und Autobau hätten Firmen Sparprogramme initiiert. „Wir werden vorerst noch viele schlechte Nachrichten hören, bevor es wieder aufwärtsgeht.“

Alleine in der Autobranche, die mit einer Absatzflaute, Konkurrenz aus China und dem Wandel zur E-Mobilität kämpft, gingen binnen eines Jahres knapp sechs Prozent der Stellen verloren. Die Beschäftigung fiel damit auf rund 734.000 Menschen per Ende März. Auch in der Metallerzeugung und Textilbranche sank die Beschäftigung deutlich mit je über vier Prozent. Kaum Jobs fielen dagegen in der Chemie- und Pharmabranche weg (-0,3 Prozent).

Industrie-Beschäftigung langfristig gewachsen

Die Krise der deutschen Industrie hat längst eine Debatte über den Standort Deutschland entfacht – Kritiker sprechen von einer Deindustrialisierung. Im langfristigen Vergleich ist die Beschäftigung in der Industrie aber gewachsen: Ende 2024 lag sie laut Statistischem Bundesamt um 3,5 Prozent oder 185.000 Menschen höher als 2014.

EY-Manager Brorhilker meint: „Der Industriestandort Deutschland wurde schon oft totgesagt – und hat sich immer wieder dank einer sehr starken Substanz als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen.“ Jedoch müssten sich die Bedingungen verbessern: Neben niedrigeren Kosten und weniger Bürokratie sei es nötig, die Binnennachfrage zu stärken, um die Wirtschaft weniger exportabhängig zu machen. Hier könne das Milliarden-Investitionspaket der Bundesregierung Impulse setzen.

Autobranche fordert Reformen

Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht die Politik in der Pflicht. Der Handlungsdruck sei hoch, denn in den vergangenen Jahren sei die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland erodiert, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. „Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität müssen deshalb Leitmotiv der neuen Bundesregierung sein. Denn Fakt ist: Diese Faktoren entscheiden darüber, wo und in welchem Umfang investiert wird – und somit auch darüber, wo entsprechende zukünftige Arbeitsplätze entstehen.“

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