Politik

"Sehr schwerer Schaden": Putin warnt Deutschland bei SPIEF

Konfrontation mit Russland? Beim neunten St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum (SPIEF) traf sich Putin mit Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen. Was er von Bundeskanzler Merz hält, wie er die Rolle Deutschlands im Ukraine-Krieg bewertet und welche Sprache seine Enkelin lernt.
19.06.2025 09:20
Lesezeit: 4 min
"Sehr schwerer Schaden": Putin warnt Deutschland bei SPIEF
Auf der von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik und dem Kreml über AP veröffentlichten Aufnahme trifft sich der russische Präsident Wladimir Putin mit Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen im neu renovierten St. Petersburger Rimski-Korsakow-Konservatorium am Rande des St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums. (Foto: dpa) Foto: Vyacheslav Prokofyev

Putin offen für Gespräch mit Merz: Warnung an Deutschland

Einmal im Jahr stellt sich der Kremlchef den Fragen internationaler Agenturjournalisten. Es wird ein Ritt durch viele Themen, bei dem Putin Deutschland Vorwürfe macht – und auch ein privates Detail preisgibt.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich zu einem Treffen mit Kanzler Friedrich Merz (CDU) bereiterklärt – wenn dieser den Kontakt zu ihm aufnehmen sollte. "Wir sind immer dafür offen", sagte Putin in St. Petersburg. Gleichzeitig warnte der Kremlchef vor einem "sehr schweren Schaden" für die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland, sollte die Bundesregierung den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine liefern.

Wie jedes Jahr beim St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum (SPIEF) traf sich Putin mit Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen, darunter der dpa. Auch bei dieser Fragerunde – laut staatlicher Agentur Tass war es die neunte ihrer Art – äußerte er sich erneut zu einer Vielzahl von Themen. Ein Überblick:

Deutschland I: Putin äußert sich zu Merz

Putin sprach sich erstmals öffentlich über Merz aus, seit dieser im Mai zum Kanzler gewählt worden ist. Merz hatte seit seinem Amtsantritt keinen Kontakt zu Putin, forderte den Kremlchef jedoch mehrfach in Reden und auch bei einem Besuch in Kiew zu einer Waffenruhe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf – ohne Ergebnis. Dem CDU-Vorsitzenden wird in Moskau vorgeworfen, er suche die Konfrontation mit Russland. Die deutsch-russischen Beziehungen befinden sich auf einem Tiefpunkt.

Putin zeigte sich auch nicht offen für eine Vermittlung Deutschlands im Ukraine-Krieg. Aus russischer Sicht sei die Bundesrepublik nicht neutral. Deutschland stehe auf der Seite der Ukraine, liefere Panzer und sei damit an den Kampfhandlungen beteiligt, erklärte Putin. "Nicht nur in der Ukraine, auch in Kursk – auf russischem Gebiet – war deutsche Technik im Einsatz."

Deutschland II: Warnung vor Taurus-Lieferung

Bezogen auf den Marschflugkörper Taurus warnte Putin vor einer Kriegsbeteiligung Deutschlands, sollte die Bundesregierung den Ukrainern den Einsatz dieser Waffe ermöglichen. "Nur deutsche Offiziere können den Taurus lenken. Was heißt das? Dass Soldaten der Bundeswehr mit deutschen Waffen Schläge gegen Territorium Russlands führen." Allerdings zählt der Taurus auch in den Armeen Spaniens und Schwedens zum Arsenal, ohne dass deutsche Soldaten beteiligt sind.

Auf den Kriegsverlauf selbst hätten die Marschflugkörper laut Putin keinen Einfluss, da die russische Armee entlang der gesamten Frontlinie die Initiative habe. "Die russischen Truppen haben strategische Vorteile in allen Richtungen. Unsere Streitkräfte greifen entlang der gesamten Front an." Tatsächlich rücken russische Einheiten in der Ostukraine vor, doch werden kleinere Geländegewinne häufig mit hohen Verlusten erkauft.

Ukraine I: Bedingungen für Treffen mit Selenskyj

Erneut formulierte Putin Bedingungen für ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die für Kiew unerfüllbar sind. "Ich bin bereit, mich mit allen zu treffen – einschließlich Selenskyj", sagte der Kremlchef. Für Russland stelle sich die Frage, wer eine Friedensvereinbarung unterzeichne – womit er andeutete, dass Selenskyj abgesetzt werden müsse.

Putin zog einmal mehr in Zweifel, dass der ukrainische Präsident legitimiert sei, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, da seine fünfjährige Amtszeit 2024 abgelaufen sei. Die ukrainische Führung hat klargestellt, dass wegen des Kriegsrechts keine Wahlen abgehalten werden können und Selenskyj weiterhin alle Machtbefugnisse besitzt. Umgekehrt wird Putin vorgeworfen, die politische Opposition im Land mit Hilfe seines autoritären Machtapparats zum Schweigen gebracht zu haben.

Ukraine II: Gespräche nach dem 22. Juni geplant

Die in diesem Jahr zweimal in Istanbul unter türkischer Vermittlung geführten Gespräche sollen nach dem 22. Juni fortgesetzt werden, kündigte Putin an. In humanitären Fragen hätten die Treffen Ergebnisse erzielt, darunter den Austausch von Gefangenen und getöteten Soldaten.

Verärgert reagierte der Kremlchef auf die Frage, wie seine Regierung die israelischen Luftangriffe auf iranische Städte verurteilen könne, während Russlands Militär selbst viele Menschen bei Luftangriffen auf die Ukraine töte. "Wenn ihre Journalisten gesehen hätten, wie unsere Raketen angeblich ganze Wohnviertel zerstören, hätten sie kaum davon erzählen können. Sie hätten es nicht überlebt." Russland greife ausschließlich militärische Ziele und Rüstungsbetriebe an, behauptete Putin.

Demgegenüber stehen die schweren Schäden an der zivilen Infrastruktur in der Ukraine und die hohe Zahl getöteter Zivilisten nach bald dreieinhalb Jahren Krieg. Erst in der Nacht auf Dienstag wurden wieder mindestens 28 Zivilisten bei einem russischen Luftangriff auf Kiew getötet, darunter allein 23 Bewohner und Bewohnerinnen eines Hochhauses.

Nato: Keine Angst vor Aufrüstung

Russland fürchtet laut Putin keinen Rüstungswettlauf mit der Nato. Moskau optimiere seine Streitkräfte. "Was immer die Nato unternimmt, das schafft natürlich gewisse Bedrohungen, doch wir stutzen die Bedrohungen zurück, die entstehen werden."

Die geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben in den Nato-Staaten auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sei sinnlos, da Russland ohnehin für seine Sicherheit sorgen werde. Putin bezeichnete es als Lüge, dass Russland einen Angriff auf Nato-Staaten vorbereite. Nachrichtendienste und Fachpolitiker warnen hingegen regelmäßig, dass die Eroberungspläne des Kremls über die Ukraine hinausgehen und Russland bis 2029 zu einem Angriff auf Nato-Gebiet in der Lage sein könnte.

Iran: Angebot zur Sicherung der Atomkraftnutzung

Russland biete sich zudem an, die friedliche Nutzung von Atomkraft durch den Iran abzusichern, sagte Putin. So solle Israel die Sorge vor einer nuklearen Bewaffnung des Erzfeinds genommen werden. Diesen "möglichen Ausweg" habe er Israel und den USA vorgeschlagen, die Entscheidung liege jedoch bei den Regierungen in Jerusalem und Teheran. Einen Sturz der iranischen Führung wegen der israelischen Luftangriffe erwartet Putin eigenen Worten zufolge nicht. "Die Gesellschaft schart sich doch um die politische Führung."

Familie: Putin nennt erstmals Enkelin

Der Kremlchef äußert sich selten zu seinem Privatleben. Umso bedeutender war es für russische Medien, dass Putin erstmals eine Enkelin erwähnte. "Als ich darüber sprach, dass einige mir nahestehende Menschen, Verwandte, Chinesisch lernen, sprach ich von meiner Enkelin, die eine Erzieherin aus Peking hat und mit ihr fließend auf Chinesisch spricht", sagte er. Dass Putin zweifacher Großvater ist, hatte er bereits früher angedeutet, ohne jedoch Namen, Alter oder Geschlecht der Enkelkinder zu nennen.

Die Fragerunde mit den Nachrichtenagenturen fand diesmal am ersten Tag des Wirtschaftsforums im restaurierten Konservatorium von St. Petersburg statt. Russland nutzt das Forum, um sich der Welt zu präsentieren und der vom Westen angestrebten internationalen Isolation zu trotzen. Bis Samstag werden 20.000 Teilnehmer aus 140 Ländern erwartet.

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