Immobilien

Hamburger Westfield-Überseequartier: Ist das die Renaissance der Shopping-Malls?

In Hamburg hat ein gigantisches Einkaufszentrum auf 419.000 Quadratmetern eröffnet. Ein Tor, wer dabei nur an Shopping denkt. Der multifunktionale Komplex bündelt Einkaufen, Sport, Kultur und Unterhaltung zu einer großen Erlebniswelt – und positioniert sich so als Gegenkonzept zum Einzelhandel der Innenstädte. Die Entwicklungen auf dem Gewerbeimmobilien-Markt zeigen: Investoren haben den Trend hin zu Mischnutzungs-Konzepten längst erkannt.
Autor
22.06.2025 14:48
Lesezeit: 3 min
Hamburger Westfield-Überseequartier: Ist das die Renaissance der Shopping-Malls?
Westfield Hamburg-Überseequartier - ist der Einkaufstempel ein Signal für Investoren auf dem Gewerbeimmobilien-Markt? (Foto: dpa) Foto: Christian Charisius

Euphorie zur Eröffnung des Hamburger Überseequartiers

Dienstagnachmittag in der Hamburger Hafencity. Kreischende Teenager strömen an Absperrgittern und ungläubig dreinschauenden Sicherheitsleuten vorbei. Der Ansturm stockt im Schatten zweier nagelneuer Hochhäuser, die sich in den leicht bewölkten hanseatischen Himmel schrauben. Langsamer nun, in stiller Vorfreude auf das, was nun kommt, schieben sich die Massen weiter durch ein Eingangstor, über dem in rot leuchtenden Gothic-Lettern ein Schriftzug prangt: „Westfield“.

Es sind Szenen vom 8. April dieses Jahres. Nach acht Jahren Bauzeit öffnete das Westfield-Überseequartier in der Hamburger Hafencity zum ersten Mal seine Pforten. Zehntausende Besucher, Medienvertreter sowie Lokalprominenz aus Politik und Wirtschaft wollten sich den Jungfern-Gang im neueröffneten Einkaufscenter nicht entgehen lassen. Das Überseequartier repräsentiert nicht nur eines der größten Shopping-Malls des Landes, sondern auch so etwas wie die Renaissance des einstigen Sorgensegments der Immobilienbranche.

Hamburger Westfield-Überseequartier: Kein gewöhnliches Einkaufszentrum

Die Euphorie zum Start der neuen XXL-Mall dürfte daher beim französischen Investor Unibail-Rodamco-Westfield (URW) für eine gewisse Genugtuung gesorgt haben. Schließlich war der Weg bis zur Eröffnung zäh. Baupannen, Skandale und Unfälle kosteten Menschenleben, miese Publicity und ließen die Kosten explodieren, die mit 2,45 Milliarden Euro das Budget der Elbphilharmonie locker in den Schatten stellen.

Dafür, dass die Begeisterung anhält, soll das beinahe unerschöpfliche Angebot des Überseequartiers sorgen – ein riesiges Einkaufs-, Sport- und Amüsement-Programm. In Zahlen ausgedrückt: Auf 419.000 Quadratmeter und 14 Gebäude erstreckt sich ein Mischnutzungskonzept mit 600 Wohnungen, 4000 Büroarbeitsplätzen, drei Hotels, einem Kino mit zehn Sälen, Kunstausstellungsräumen, 40 Restaurants und über 170 Geschäftseinheiten. Auf den Einzelhandel entfallen aber 80.000 Quadratmeter, daneben gibt es Gastronomie, Unterhaltung und medizinische Versorgung. Kurzum: Das Hamburger Westfield-Überseequartier ist weit mehr als nur ein Einkaufszentrum.

Nur so erklären sich wohl die anachronistisch anmutenden Jubelschreie vor der Eröffnung eines vermeintlichen Einkaufscenters. Denn die Boomjahre von Shopping-Malls in den Nuller- und Zehnerjahren, in denen deutschlandweit zu Hochzeiten pro Jahr rund 50 Center eröffnet wurden, sind längst vorbei. Seither drücken schwindende Besucherzahlen und Leerstand auf das Geschäft.

Immobilienexpertin: „Malls von heute müssen Alltagsbedürfnisse miteinbeziehen“

Doch in der Post-Pandemie-Zeiten drängt nun ein neues Konzept auf den Markt, das sich von der Idee des reinen Shopping-Tempels verabschiedet hat. Sandra Ludwig, EMEA Head Retail Investment beim Immobilienberater JLL, hat hierin einen paneuropäischen Trend ausgemacht: „Der Wandel hin zum Erlebniseinzelhandel hat sich schon seit Jahren abgezeichnet, aber jetzt sehen wir tatsächlich, wie er an vielen Orten in Europa Fahrt aufnimmt”

Gemeint sind multifunktionale Einkaufs- und Erlebniswelten wie das Überseequartier in Hamburg, das Livat Hammersmith in London oder das La Part-Dieu in Lyon. Gemeinsam ist ihnen ein neues Konzept, das auf dichtem Raum neben Einkaufsmöglichkeiten ein Freizeit- und Amüsement-Rundumpaket inklusive sozialer Begegnungsstätten bieten soll. Auch die Besucherinnen und Besucher des neuen Hamburger Shopping-Eldorados sollen möglichst lange auf dem Areal an der Nordelbe verweilen. Dafür ist ein räumlich ansprechendes und abwechslungsreiches Angebot erforderlich, das – so JLL – die „Einbeziehung der Alltagsbedürfnisse“ der Menschen berücksichtigt.

Gewerbemarkt 2024: Einstiges Sorgensegment mit hohen Transaktionsvolumen und Spitzenrenditen

Investoren jedenfalls haben das Momentum für die gestiegene Nachfrage nach Shopping- und Erlebniswelten längst erkannt. So stieg 2024 laut dem Immobilien-Dienstleister CBRE der Anteil der Transaktionsvolumen im Segment Shopping-Center innerhalb des Einzelhandelsmarktes um 9 auf insgesamt 15 Prozent. Eine satte Steigerung, die jedoch im Vergleich zu klassischen Handelsimmobilien in A-Lagen (Plus 27 Prozent) moderat ausfiel.

Ein Blick auf die eingefahrenen Spitzenrenditen im selben Zeitraum zeigt jedoch: Shopping-Center an B-Standorten (7,5 Prozent) und A-Standorten (5,9 Prozent) hatten im letzten Jahr die Nase vorn vor allen anderen Einzelhandelsflächen. Doch Shopping-Center ist nicht gleich Shopping-Center. Die Trennlinie verläuft zwischen dem Konzept des Hamburger Überseequartiers und dem seiner Vorgänger, den ein bisschen spröde und aus der Zeit gefallenen reinen Einkaufszentren.

„Die Renditeschere bei Shopping-Centern in verschiedenen Lagen hat sich 2024 weiter geöffnet. Dieser qualitätsbedingte Renditeunterschied ist beispielhaft für das gesamte Segment und zeigte sich vielerorts auch jenseits der Spitzenrenditen“, erklärt Anne Gimpel, Immobilienanalystin bei CBRE in Deutschland. Bezeichnend dafür ist, dass der Übersee-Investor URW einerseits Milliarden in sein neues Hamburger Gewerbeobjekt steckt und sich gleichzeitig von anderen trennt. So prüft das Unternehmen laut einem Bericht der Immobilien Zeitung (IZ) den Verkauf seiner Anteile an Einkaufszentren wie dem „Minto“ in Mönchengladbach, den „Höfen am Brühl“ in Leipzig oder den „Gropius-Passagen“ in Berlin. Häuser, die aufgrund ihrer monofunktionalen Ausrichtung den Anschluss an den Wandel des Segments verpasst haben.

Hamburger Westfield-Überseequartier: Konkurrenz oder Bereicherung für die Innenstadt?

Für den Einzelhandel bedeutet der Trend hin zu XXL-Malls als Erlebniswelten ein weiteres Absatzhemmnis in einem ohnehin schon angespannten Marktumfeld. Wie in anderen A-Lagen ist auch in der Hamburger Mönckebergstraße und am Jungfernstieg eine hohe Fluktuation von Geschäften und Leerständen nicht zuletzt durch den florierenden Online-Handel zu beobachten. Von nicht wenigen Kaufleuten der Hamburger City wird das „Westfield“ daher auch als existenzbedrohend wahrgenommen, zumal viele Ketten wie Pull & Bear, Deichmann oder Calzedonia bereits Filialen in der nahegelegenen Fußgängerzone haben.

Brigitte Nolte vom Handelsverband Nord sieht daher harte Zeiten für die Hamburger City aufziehen: „Die Kaufkraft reicht natürlich nicht aus, um an beiden Standorten die nötigen Umsätze zu erzielen. Wir werden eine Kaufkraft-Verlagerung haben“, so die Verbandchefin gegenüber dem NDR. Doch die Herausforderung bietet auch Chancen für die Innenstadt, ein Gegenkonzept aufzustellen, das die Attraktivität der Fußgängerzone erhöht. Dann dürften sie auch von den Touristen profitieren, die das Überseequartier als neuer Shopping-Magnet anzieht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Raketen-Start-up HyImpulse: Mit Kerzenwachs ins Weltall – ist das die Zukunft?
25.07.2025

Das Unternehmen HyImpulse hat erfolgreich eine Kleinrakete mit Paraffin-Antrieb getestet. Der Vorteil: Der Brennstoff ist günstiger als...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bitcoin-Kurs auf Zwei-Wochen-Tief: Lohnt sich der Einstieg wirklich?
25.07.2025

Der Bitcoin-Kurs hat am Freitag einen spürbaren Rückschlag erlitten und ist auf ein Zwei-Wochen-Tief gefallen. Während kurzfristige...

DWN
Politik
Politik Wahlumfrage: AfD gewinnt in Sonntagsfrage an Zustimmung, Regierung verliert
25.07.2025

Die aktuelle Sonntagsfrage offenbart politische Verschiebungen, schwindende Zustimmung und wachsende Unzufriedenheit mit der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla-Aktie: Trotz Zahlen-Schock soll Aktienkurs um 680 Prozent explodieren
25.07.2025

Tesla liefert enttäuschende Quartalszahlen, die Tesla-Aktie steht unter Druck. Doch Ark Invest malt ein ganz anderes Bild: Der...

DWN
Politik
Politik EU-China-Gipfel: Brüssel droht Peking wegen Putin und Billigexporten
25.07.2025

Die Europäische Union geht in die Offensive: Beim EU-China-Gipfel warnt Brüssel vor Pekings Nähe zu Russland – und droht wegen...

DWN
Finanzen
Finanzen VW-Aktie dreht ins Plus trotz schwacher Zahlen und gesenkter Prognose – die Hintergründe
25.07.2025

Volkswagen steckt in der Krise: Gewinne brechen ein, teure Marken enttäuschen, der Elektrotrend zeigt Schattenseiten. Anleger haben...

DWN
Panorama
Panorama Wie tief steckt Europa in der Wasserkrise?
25.07.2025

Die Grundwasservorräte in der EU sinken, Trinkwasserreserven geraten in Gefahr – und die EU-Kommission präsentiert keine wirklichen...

DWN
Panorama
Panorama Boden, Macht, Kapital: Wem Deutschland heute tatsächlich gehört
25.07.2025

Wem gehört Deutschland – dem Staat, den Reichen, dem Volk? Der Besitz von Boden, Kapital und Ressourcen ist ungleich verteilt. Wer...