Politik

Misstrauensvotum gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Politik-Beben in Brüssel

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat – wenig überraschend – das Misstrauensvotum im Europaparlament überstanden. Konkret werfen der Rumäne Gheorghe Piperea und die Antragsteller zum Beispiel vor, bis heute Informationen zu in der Corona-Krise ausgetauschten Textnachrichten zwischen von der Leyen und dem Chef des US-Pharma-Konzerns Pfizer zu verweigern.
10.07.2025 09:11
Lesezeit: 2 min

Die EU-Abgeordneten sprechen über ein Thema, das bisher nur sehr selten auf der Tagesordnung des Parlaments stand: ein Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission.

Misstrauensvotum gegen EU-Kommission: In Brüssel wackelt die proeuropäische Mehrheit

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich im Europäischen Parlament der Debatte über einen Misstrauensantrag gegen sie und ihr Team stellen.

Eine Sprecherin der Kommission bestätigte, dass von der Leyen anwesend sein wird. Vorgesehen ist, dass jeweils ein Abgeordneter pro Fraktion sprechen soll. Die Kommissionspräsidentin kann im Plenum auf die Redebeiträge reagieren.

Der Misstrauensantrag war von einem rechten rumänischen Abgeordneten initiiert worden. Damit über ihn im Parlament diskutiert und abgestimmt werden kann, muss ihn mindestens ein Zehntel der mehr als 700 Abgeordneten unterstützen.

Von der Leyen und ihrem Team wird in dem Antrag unter anderem mit Blick auf die Corona-Politik Intransparenz und Missmanagement vorgeworfen. Die Abstimmung darüber findet am Donnerstag statt.

Konsequenz: Bei einem angenommenen Misstrauensantrag, muss die EU-Kommission geschlossen zurücktreten

Sollte der Misstrauensantrag angenommen werden, müsste die EU-Kommission geschlossen zurücktreten. Ein solches Szenario gilt allerdings als unwahrscheinlich, da es dafür die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und gleichzeitig die Mehrheit der Mitglieder des Parlaments brauchen würde. Das wären mindestens 361, wenn alle Abgeordneten anwesend sind und ihre Stimmen abgeben, sogar 480 Stimmen. Bei der Wahl im vergangenen November hatte die Kommission von Ursula von der Leyen 370 von 688 abgegebenen Stimmen bekommen.

Für die deutsche CDU-Politikerin, die der europäischen Parteienfamilie EVP angehört, ist der Vorstoß aus dem rechten Lager trotz der geringen Aussichten auf Erfolg eine Belastungsprobe. Grund ist, dass die 66-Jährige mit manchen politischen Initiativen zuletzt auch bei ihr eigentlich wohlgesonnenen Abgeordneten für Unmut sorgte und etwa ein milliardenschweres Kreditprogramm für Verteidigungsinvestitionen als Notfallmaßnahme ohne Parlamentsbeteiligung plante. Letzterer Punkt wird auch in dem Misstrauensantrag kritisiert.

Zudem hat sie bei Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen Unmut erregt, indem ihre Behörde ankündigte, ein Gesetz gegen Greenwashing zurückziehen zu wollen. Mit dem Begriff wird der Versuch von Unternehmen bezeichnet, Menschen nur vorzugaukeln, dass sie viel für den Umweltschutz tun.

Von der Leyen: Vorwürfe zur Corona-Politik

Konkret werfen der Rumäne Gheorghe Piperea und die Antragsteller aus dem rechten Lager der EU-Kommission zudem zum Beispiel vor, bis heute Informationen zu in der Corona-Krise ausgetauschten Textnachrichten zwischen von der Leyen und dem Chef des US-Pharma-Konzerns Pfizer zu verweigern. In diesem Fall urteilte jüngst auch das Gericht der EU, dass dies bislang ohne ausreichende rechtliche Begründung geschehe.

Darüber hinaus wird etwa kritisiert, dass Corona-Impfstoffe im Wert von rund vier Milliarden Euro an Impfdosen ungenutzt blieben und die Kommission angeblich über eine verzerrte Anwendung des Gesetzes über digitale Dienste auf Wahlen in Mitgliedstaaten wie Rumänien und Deutschland Einfluss nahm.

EVP-Chef Manfred Weber bezeichnete den Antrag in einer ersten Reaktion als ein parteitaktisches Spielchen, das auch nicht im Ansatz eine Mehrheit im Parlament finden werde. „Europa hat vor einem Jahr gewählt und Ursula von der Leyen führt die EU in turbulenten Zeiten mit einem starken Mandat“, sagt der CSU-Politiker. In Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit und globalem Umbruch sei es vollkommen unverantwortlich, solche Öffentlichkeitsstunts durchzuziehen. Die Antragsteller verfolgten das Ziel eines instabilen und schwachen Europas.

EU-Kommission: Letzter Misstrauensantrag wurde 2014 gestellt

Misstrauensanträge gegen die Kommission sind äußerst selten. Zuletzt waren Rechtspopulisten im Jahr 2014 mit einem Misstrauensantrag gegen die damalige EU-Kommission um Jean-Claude Juncker gescheitert. Bei der Abstimmung damals votierten lediglich 101 Abgeordnete für den Vorstoß aus dem EU-kritischen Lager. 461 lehnten ihn ab, 88 enthielten sich.

Hintergrund des Misstrauensantrags waren damals Enthüllungen über Steuervorteile für international tätige Großkonzerne in Luxemburg. Juncker war knapp 19 Jahre lang Regierungschef des Großherzogtums gewesen. Kritiker warfen ihm deswegen „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ von Unternehmen vor.

Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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