Drei Brandherde und kein Feuerlöscher in Sicht
Johan Javeus, Chefanalyst der SEB-Bankengruppe, benannte zentrale Probleme, mit denen sich die Weltwirtschaft und die Märkte derzeit konfrontiert sehen. Trotz der wachsenden Unsicherheit erwähnte er auch einige positive Aspekte, berichtet das Wirtschaftsportal Verslo žinios.
Der Experte, der am vergangenen Wochenende beim Investorenfestival nahe Tallinn sprach, betonte: Derzeit erleben wir die größte Unsicherheit der vergangenen drei Jahrzehnte. Die Lage werde dadurch erschwert, dass die Gefahren aus drei verschiedenen Quellen drohen: der Abschwächung des Konjunkturzyklus, einer möglichen Technologiespekulationsblase und einer neuen Weltordnung. Letztere sei ein besonders seltenes Phänomen.
„Meiner Meinung nach geschah das zuletzt in den 1990er-Jahren, als die Berliner Mauer fiel und die baltischen Staaten unabhängig wurden. Damals war dies ein positiver Wandel, der die Globalisierung stärkte – und das war für die Märkte sehr vorteilhaft“, sagte J. Javeus und betonte: Heute seien die Veränderungen negativ, der Protektionismus nehme zu. Der Analyst lieferte auch konkrete Zahlen: Demnach liegt das aktuelle Niveau der US-Importzölle bei etwa 10 %. Zuletzt erreichten sie diesen Stand in den 1940er-Jahren. In der Folge sei der Unsicherheitsindex für Handelspolitik stark gestiegen. „In den letzten Monaten ist dieser Index jedoch gesunken. Wissen Sie, warum? TACO!“, sagte er und verwies darauf, dass die Märkte zuletzt von der Hoffnung leben, dass Donald Trumps Worte und Taten nicht übereinstimmen. Tatsächlich sei sogar ein Begriff dafür entstanden: TACO („Trump Always Chickens Out“) – Trump mache letztlich immer einen Rückzieher.
Weitere Herausforderungen
Doch es gibt noch andere Hürden, die das Wirtschaftswachstum ausbremsen könnten – etwa die Staatsverschuldung. Während deren Höhe nicht zwingend gefährlich sei, könnten die Kosten des Schuldendienstes die wirtschaftliche Entwicklung stark hemmen. Javeus präsentierte Daten, wonach die USA derzeit etwa 3,5 % ihres BIP für Schuldendienst aufwenden – in zehn Jahren könne dieser Anteil auf über 6 % steigen. Gleichzeitig warnte der Analyst davor, das Schlimmste – etwa einen Zahlungsausfall der USA – zu erwarten. „Die US-Schulden sind in Dollar denominiert. Und die USA können so viele Dollar drucken, wie sie wollen“, erklärte der Experte, merkte aber an: Dies könne Folgen haben – zum Beispiel Inflation. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass der Dollar zuletzt gegenüber anderen Währungen stark abgewertet habe. Auch wenn es noch zu früh sei, vom Verlust seines Status als Leitwährung zu sprechen, hätten Europa und der Euro langfristig durchaus das Potenzial, einige Funktionen des Dollar zu übernehmen.
Innovationen werden die Welt retten
Trotz allem lenkte Javeus die Aufmerksamkeit auf einen Hoffnungsschimmer: Auch inmitten der Unsicherheit gedeihe der Fortschritt. „Und das sind gute Nachrichten.“ Er erinnerte daran, dass im frühen 19. Jahrhundert Telegraf und Dampfmaschine viele wirtschaftliche Abläufe revolutionierten. Spätere Technologieschübe senkten Lieferzeiten und -kosten. In unserem Zeitalter habe das Internet den Welthandel auf ein neues Niveau gehoben. „All dies hat die Globalisierung beschleunigt“, so Javeus über die positive Wirkung neuer Technologien auf die Märkte. Heute habe die Künstliche Intelligenz (KI) das Potenzial, neuer Wachstumsmotor der Weltmärkte zu werden – sie könne Kosten senken, das Wachstum fördern und protektionistische Hürden überwinden. Doch im KI-Sektor, so der Experte, seien auch erste Überhitzungs- und Blasenanzeichen erkennbar. Möglicherweise sei diesmal tatsächlich alles anders. „KI hat enorme Auswirkungen auf uns und die Wirtschaft. Sie steigert die Produktivität und kurbelt das Wachstum an, ohne die Inflation anzutreiben. Genau dieses Potenzial verspricht uns diese fantastische Erfindung“, resümierte der Analyst.



