Handel, Sicherheit, Werte: Wo die EU und China aneinander geraten
Beim Gipfel mit China am Donnerstag in Peking sendete die EU zwei klare Warnungen. Statt Annäherung dominierten Differenzen über Handelsfragen und Chinas Verhältnis zu Russland. Die Zusammenkunft zwischen der EU und China hätte – so die Hoffnung einiger EU-Diplomaten – ein Neuanfang im schwierigen Verhältnis zwischen Brüssel und Peking sein können. Angesichts der Rückkehr von Donald Trumps protektionistischer „America First“-Politik wächst in Brüssel das Interesse an einem Gegengewicht – und damit an einer engeren Zusammenarbeit mit China. Doch die Erwartungen an einen kooperativen Gipfel wurden enttäuscht.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Antonio Costa machten am Ende des Treffens unmissverständlich deutlich, dass Brüssel von China Zugeständnisse erwartet. „Wir haben eine klare Grenze erreicht“, sagte von der Leyen mit Blick auf das „wachsende Ungleichgewicht“ in den Handelsbeziehungen. „Es ist essenziell, dass wir die Balance wiederherstellen“, forderte sie. Noch schärfer äußerte sich Antonio Costa zur Rolle Chinas im Ukraine-Krieg: „Wir fordern China auf, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen, um den Angriffskrieg zu beenden.“
Von der Leyen legte nach: „Chinas Umgang mit Putins Krieg wird ein entscheidender Prüfstein unserer künftigen Beziehungen.“ Der Gipfel hatte bereits im Vorfeld an diplomatischer Symbolik verloren. Xi Jinping verweigerte die Reise nach Brüssel. Das Treffen wurde auf einen Tag gekürzt. Ein EU-Offizieller erklärte kurz vor Beginn, man erwarte ohnehin keine greifbaren Ergebnisse: „Ein offener Austausch auf höchster Ebene ist für uns bereits ein Erfolg.“ Einzig beim Klimaschutz gelang eine gemeinsame Position – beide Seiten bekräftigten ihre Unterstützung für das Pariser Abkommen.
EU-China-Gipfel: Handelsstreit verschärft sich
Die eigentlichen Konfliktlinien verlaufen jedoch tiefer – in der Handelspolitik und im sicherheitspolitischen Umgang mit Russland. Seit dem von Trump angezettelten Zollstreit sind die globalen Handelsströme unter Druck geraten. Die EU wirft China seit Langem Dumpingpraktiken und marktverzerrende Subventionen vor. „Wir sind stark vom Handel mit China abhängig, doch die Beziehungen werden zunehmend kompliziert“, sagte ein EU-Diplomat.
Von der Leyen forciert daher eine gezielte Offensive gegen unfairen Wettbewerb. Allein im vergangenen Jahr leitete Brüssel über 25 Verfahren ein – etwa gegen chinesisches Sperrholz, Keramik, Reifen, Fahrräder und Folien. Zudem stellt die EU fest, dass chinesische Elektroautos durch Subventionen bevorzugt werden, während europäische Medizintechnik-Anbieter in China benachteiligt würden. 2024 betrug das Handelsvolumen zwischen der EU und China 730 Milliarden Euro – das Defizit lag bei 305 Milliarden. Ein „kritisches Ungleichgewicht“, so die Kommission.
Von der Leyen forderte daher von China drei Maßnahmen: mehr Marktzugang für EU-Produkte, Abbau von Überkapazitäten in strategischen Branchen wie Solar, Stahl und E-Autos sowie Lockerung der Exportkontrollen für Seltene Erden. „Europa ist offen für chinesische Waren – Peking erwidert diese Offenheit bislang nicht“, so von der Leyen. China versicherte, bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen künftig verlässlicher zu agieren – ein Punkt, auf den Brüssel großen Wert legt. Die chinesischen Gegenzüge – etwa Strafzölle auf europäische Spirituosen oder Ermittlungen gegen europäisches Schweinefleisch – hält die EU hingegen für unberechtigt.
Sicherheitsinteressen dominieren
Noch heikler ist das geopolitische Spannungsfeld mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine. Brüssel wirft China vor, Moskau indirekt zu unterstützen – etwa durch Lieferungen sogenannter Dual-Use-Güter mit ziviler und militärischer Verwendbarkeit. Erstmals verhängte die EU daher Sanktionen gegen zwei chinesische Banken. Beim Gipfel forderte die EU von China, solche Exporte zu unterbinden.
„Dual-Use-Güter werden im Krieg oft umfunktioniert. China muss sicherstellen, dass seine Exporte nicht für militärische Zwecke missbraucht werden“, sagte Costa. Peking jedoch zeigt keine Anzeichen für ein Umdenken. Beim jüngsten Besuch von Außenminister Wang Yi in Brüssel signalisierte China, dass es kein Interesse daran habe, dass Russland den Krieg verliert – aus Furcht, selbst ins Visier der USA zu geraten. Internationale Medien wie die South China Morning Post berufen sich auf diplomatische Quellen, wonach China die Kontrolle über den Kriegsverlauf in Europa als strategisches Sicherheitsinteresse betrachtet.
Deutschland zwischen den Fronten
Für Deutschland hat der wachsende Konflikt zwischen Brüssel und Peking weitreichende Folgen. Die Bundesrepublik ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner Chinas innerhalb der EU – und zugleich besonders abhängig vom Export industrieller Güter. Ein möglicher Verlust des Marktzugangs in China – etwa durch Gegensanktionen oder Marktverzerrungen – würde die deutsche Exportwirtschaft empfindlich treffen.
Zugleich erhöht sich der geopolitische Druck auf Berlin, klarer Stellung gegen Pekings Nähe zu Moskau zu beziehen – auch auf Kosten der wirtschaftlichen Interessen. Die Bundesregierung steht damit vor der Herausforderung, außenpolitische Prinzipientreue mit der Sicherung nationaler Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen.


