Russlands Wirtschaft gerät zunehmend ins Wanken – das wachsende Haushaltsdefizit, stagnierende Industrie und galoppierende Inflation zeichnen ein düsteres Bild. 2025 könnte zum Wendepunkt werden: Entweder senkt Moskau seine immensen Militärausgaben oder das Land steuert auf ein Zwangsmodell mit Preisregulierungen, Enteignungen und Rationierungen zu.
Bereits im ersten Halbjahr verzeichnete Russland ein Defizit von 3,8 Billionen Rubel – fast dreimal so hoch wie ursprünglich im Haushalt eingeplant. Gründe sind unter anderem sinkende Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung sowie ein künstlich überbewerteter Rubel. Experten warnen, dass das Haushaltsloch bis Jahresende auf 6 Billionen Rubel anwachsen könnte.Die russische Zentralbank meldete eine 14-prozentige Ausweitung der Geldmenge binnen eines Jahres – eine direkte Folge des staatlich verursachten Finanzdrucks. Gleichzeitig sind die liquiden Mittel des Nationalen Wohlfahrtsfonds auf nur noch 3,3 Billionen Rubel geschrumpft. Das reicht kaum, um längerfristige Ausgaben zu decken.
Deutschland unter Druck: Energierisiken und geopolitische Rückwirkungen
Auch für Deutschland sind die wirtschaftlichen Entwicklungen in Russland von Relevanz. Als bedeutender Rohstoff- und Energiemarkt war Russland vor dem Krieg für viele deutsche Unternehmen ein zentraler Handelspartner. Zwar wurden viele Beziehungen abgebrochen, doch die Unsicherheit in der russischen Wirtschaft hat Auswirkungen auf globale Energiepreise, Transportketten und Investitionsströme.
Zudem trifft die massive Aufrüstung Russlands die Sicherheitsarchitektur Europas – und zwingt Deutschland, selbst enorme Mittel in Verteidigung, Abschreckung und Energiesicherheit zu investieren. Die wirtschaftlichen Verwerfungen in Russland sind also kein isoliertes Problem – sondern Teil einer tiefgreifenden Verschiebung internationaler Stabilität, die auch die deutsche Industrie durch höhere Rohstoffpreise, veränderte Märkte und neue geopolitische Risiken zu spüren bekommt.
Schulden, Inflation und Preisregulierung: Ein Staat unter Hochdruck
Trotz der kriegsbedingten Konjunktur lebt das russische Wachstum auf Pump. Unternehmen zahlen seit Anfang 2025 höhere Körperschafts- und Verbrauchsteuern, weitere Erhöhungen sind bereits angekündigt. Gleichzeitig steigen die Militärausgaben: 2024 beliefen sie sich auf 13,1 Billionen Rubel – ein Drittel des gesamten Haushalts. Die Zivilbereiche hingegen leiden: Bildung und Gesundheit erhalten zusammen weniger als die Söldnerarmee.
Gleichzeitig bricht das Rückgrat der Wirtschaft, die Ölindustrie, zunehmend weg. Sinkende Fördermengen, hohe Kosten in neuen Lagerstätten und ein starker Rubel reduzieren die Gewinne massiv. Branchenführer wie Lukoil melden Umsatzrückgänge von über 80 Prozent im Jahresvergleich.
Auch soziale Unterstützungsprogramme werden gestrichen: Subventionen für Wohnungsbau, Straßenbau oder Treibstoff wurden reduziert. Die Folge: Bauinvestitionen brechen ein, Wohnkosten steigen je nach Region um bis zu 40 Prozent – mit spürbaren Auswirkungen auf die Inflation.
Planwirtschaft reloaded? Enteignungen und Versorgungsengpässe nehmen zu
Die Situation zwingt Russland zu drastischen Maßnahmen. Die Regierung zwingt Banken, notleidende Unternehmen zu stützen, was deren Bilanzen belastet. Parallel wächst die Zahl der Enteignungen: Rund 200 Unternehmen wurden laut Medien seit Kriegsbeginn beschlagnahmt – ohne Entschädigung. Prominente Beispiele wie der Flughafen Domodedowo oder das Automobilunternehmen Rolf zeigen, dass auch große Akteure betroffen sind.
Zudem spitzt sich die Versorgungslage zu. Ein Importverbot für Saatgut, fehlende Arbeitskräfte und Investitionen führen zu Produktionsrückgängen in der Landwirtschaft. Ein akuter Kartoffelmangel hat sich ausgebreitet, Mehl und andere Grundnahrungsmittel sind knapp. Die Regierung zögert mit Preiskontrollen, weil dies Produzenten in den Bankrott treiben könnte – doch der Druck wächst.
Wirtschaftsexperten sehen Russland auf dem Weg in eine Planwirtschaft, geprägt von Zwangsmaßnahmen und wachsender staatlicher Kontrolle. Der Ökonom Igor Lipsits warnt: „Wenn Russland seine Militärausgaben nicht senkt, wird es Elemente der Zwangsarbeit und Güterrationierung geben.“
Ein fragiles Gleichgewicht mit globalen Folgen
Russlands Haushaltslage mag im globalen Vergleich auf den ersten Blick nicht extrem erscheinen. Doch in Kombination mit dem Ausschluss vom internationalen Kapitalmarkt, einer schrumpfenden Zivilwirtschaft und wachsender militärischer Abhängigkeit entsteht ein gefährlicher Mix. Die Fähigkeit des Staates, Wirtschaft und Gesellschaft zu steuern, schwindet.
Während andere Länder Schulden über globale Märkte finanzieren, bleibt Moskau auf Inlandsmaßnahmen angewiesen: Gelddrucken, Enteignung, Steuererhöhung. Das bremst Investitionen, erhöht die soziale Unzufriedenheit und zementiert die wirtschaftliche Isolation.
Selbst wenn kurzfristig keine Staatspleite droht, steht Russland am Rande eines tiefgreifenden ökonomischen Umbaus – weg von marktwirtschaftlichen Strukturen, hin zu autoritärer Ressourcenlenkung.
Fazit
Putins Russland erlebt eine wirtschaftliche Selbstdemontage im Zeitlupentempo. Hohe Militärausgaben, wirtschaftliche Isolation und eine erodierende Zivilwirtschaft gefährden langfristig nicht nur die Stabilität des Landes – sondern auch die wirtschaftliche Balance Europas. Für Deutschland bedeutet dies: wirtschaftliche Resilienz aufbauen, strategische Abhängigkeiten abbauen – und wachsam bleiben, wie weit Russland seine Wirtschaft noch dem Krieg unterordnet.