Politische Debatte über Steuererhöhungen für „Superreiche“ entfacht
Steuerungerechtigkeit führt zu immer mehr Vermögensungleichheit in Deutschland. Während Superreiche immer reicher werden, wird die Mittelschicht aufgrund der hohen Einkommenssteuern immer ärmer. In Deutschland besitzt die Gruppe der Reichen rund 20 Prozent des gesamten Nettovermögens. Damit hat der typische deutsche Millionär ein Vermögen von 23 Millionen Euro, das überwiegend aus dem Familienerbe und Immobilien stamme, gleichzeitig belegt eine Studie, dass Reiche nur halb so viele Steuern zahlen wie die Mittelschicht.
Selbst einige superreiche Erben fordern inzwischen höhere Steuern, wie etwa die Organisation „Tax Me Now“ zeigt. So fordert Unternehmer Sebastian Klein in einem Interview mit dem Netzwerk Impulse, höhere Erbschaftssteuern und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer – damit sich Leistung lohnen könne.
Blinkist-Gründer Sebastian Klein: „Ich bin für Umverteilung. Jeder soll gleiche Startbedingungen haben.“
Steuererhöhungen: SPD-Politiker fordern Ende des Tabus
In diese Richtung geht auch ein Vorstoß von SPD-Politikern am Wochenende. Sie fordern Steuererhöhungen nicht weiter zu tabuisieren. Es werden nun wieder Forderungen laut, das große Kapital in die Pflicht zu nehmen. „Die Vermögensungleichheit in unserem Land wird größer. Sich die Frage zu stellen, wie besonders hohe Vermögen und Erbschaften mehr zum Gemeinwohl beitragen, ist mehr als logisch und fair“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Wiebke Esdar gegenüber dem Tagesspiegel: „Konkret wären das Erhöhungen für die Superreichen. Diese Überlegungen besprechen wir mit unserem Koalitionspartner.“
Angesprochen auf das Thema Steuererhöhungen betonte auch SPD-Finanzminister Lars Klingbeil bei der Vorstellung des Bundeshaushalts für 2026, dass aufgrund der Milliardenlücken „das alles denkbar sein müsse. Allein über Wachstum werden wir die Lücke nicht schließen können“, so Klingbeil dazu.
Erbschaftssteuer steht im Fokus der SPD
Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hatte bereits im Mai eine Erhöhung der Erbschaftssteuer für große Vermögen ins Gespräch gebracht, um damit die Kosten für den Erwerb von Wohneigentum zu senken. Mit dem eingenommenen Geld könne man vielleicht „das erste Haus, den Eigentumsaufbau für Familien, grunderwerbssteuerfrei stellen“, sagte Hubertz damals der Zeit.
Dabei sieht die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Wiebke Esdar keinen Interessenskonflikt mit der Union als Koalitionspartner: „Ich gehe davon aus, dass es auch im Interesse der Union ist, dass die in Deutschland sehr große Vermögensungleichheit nicht noch weiter zunimmt“, sagte sie.
Die Linke für Wiedererhebung der Vermögenssteuer
In Deutschland wird seit 1997 keine Vermögenssteuer erhoben. Wer über ein Vermögen von 100 Milliarden Euro verfügt, kann sein Kapital vermehren, ohne davon der Gesellschaft etwas zurückzugeben. In Deutschland wurde diese Steuerfreiheit weder in der Merkel-Ära noch den großen Koalitionen angegriffen. Dass eine Vermögenssteuer möglich ist, zeigen andere Länder: Von den europäischen OECD-Staaten erheben laut Friedrich-Ebert-Stiftung derzeit Frankreich, Luxemburg, Spanien, Norwegen und die Schweiz eine Vermögensteuer.
Die Linke Parteichefin Ines Schwerdtner fordert von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) eine klare Haltung: „Ich erwarte von einem SPD-Minister, dass er nicht sinnlos kürzt, sondern für neue Einnahmen sorgt, in dem er die Reichen endlich gerecht besteuert“, verlangte Schwerdtner weiter. Sie bekräftigte die Forderungen ihrer Partei nach einer Vermögensabgabe für alle privaten Nettovermögen von mehr als zwei Millionen Euro und der Wiedererhebung der Vermögenssteuer, um die Finanzprobleme von Bund und Länder zu lösen.
Milliardendefizit: Steuererhöhungen statt Sozialkürzungen?
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sagte dem Tagesspiegel: „Wir dürfen Steuererhöhungen nicht tabuisieren.“ Deutschland gebe „so viel für Rüstung aus wie nie, und wir senken einige Steuern“. Wenn die Union nun Sozialkürzungen will und gleichzeitig Einnahmeverbesserungen ausschließt, dann gerate „die Statik der Koalition und des Landes ins Wanken“.
Mit Kanzlerin Angela Merkel und der Union habe die SPD ab 2007 die Reichensteuer für Spitzenverdiener erhöht, erinnerte Ex-SPD-Vize Stegner: „Das kann ein Modell sein. Wer als Single 250.000 Euro verdient oder als Paar 500.000 Euro im Jahr, kann mehr als 45 Prozent Steuern zahlen. Höhere Steuern für absolute Spitzenverdiener haben keine soziale Schlagseite. Unter Helmut Kohl lag die Spitzensteuer bei bis zu 56 Prozent.“
„Es gibt keine Steuererhöhungen“ – Union kritisiert Klingbeils Aussage
Die Aussagen des SPD-Parteivorsitzenden und Bundesfinanzministers Lars Klingbeil über mögliche Steuererhöhungen sind beim Koalitionspartner allerdings auf Kritik gestoßen. „Wir haben Rekord-Steuereinnahmen und machen Rekord-Schulden. (...) Unsere Unterstützung auch für harte Sparmaßnahmen hat der Finanzminister ausdrücklich. Steuererhöhungen sind im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen“, äußerste sich der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn noch Ende Juli gegenüber der Bildzeitung.
Fazit: Steuererhöhungen kein Allheilmittel
Fakt ist, dass es ein ganzes Bündel an Maßnahmen braucht, um das Land wieder zukunftsfähig zu machen. Die Regierung muss dringend Wirtschaftswachstum stimulieren, die klammen Sozialkassen reformieren und die marode Infrastruktur sanieren – die Debatte um mögliche Steuererhöhungen für eine gerechtere Besteuerung darf kein Tabu, aber auch kein Allheilmittel sein.
Doch dass Friedrich Merz Politik gegen das große Kapital macht, scheint bisher unwahrscheinlich. Nicht nur wegen der industrie- und wirtschaftsfreundlichen Verbindungen der Union. Kanzler Merz zählt selbst zu wohlhabendsten Deutschen, auch wenn er sich mit Blick auf sein Vermögen grundsätzlich lieber bedeckt: „Ich spreche nicht gern darüber, dass ich Millionär bin – weil es nach Angeberei klingt“, hatte er 2018 gegenüber der Bild geäußert.