Politik

Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige EZB-Chef fordert einen Investitionsschub, ein Moratorium für das KI-Gesetz und gemeinsame Schulden für Energie- und Technologieprojekte – sonst drohe Europa den Anschluss an die USA und China endgültig zu verlieren.
18.09.2025 06:03
Lesezeit: 2 min
Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
Der Draghi-Report gegen Beschaffungsvorschriften und eine Politik der staatlichen Beihilfen, die „in Protektionismus abgleitet“, um einigen Ländern auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. (Foto: dpa) Foto: Virginia Mayo

Europa „in einer schwierigeren Lage“ als vor einem Jahr, so der Draghi-Report

Ein Jahr nach der Veröffentlichung seines viel beachteten Draghi-Reports zur Wettbewerbsfähigkeit der EU zieht Mario Draghi eine ernüchternde Bilanz. „Unser Wachstumsmodell bröckelt, die Verwundbarkeiten nehmen zu, und es gibt keinen klaren Weg, die notwendigen Investitionen zu finanzieren“, sagte der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank auf einer Konferenz in Brüssel. Die EU befinde sich „in einer härteren Lage“ und brauche „Einigkeit im Willen und Dringlichkeit in der Reaktion“, um wieder aufzuschließen.

Draghi warnte, dass Europa bei zentralen Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) und Energie massiv hinter den USA und China zurückfalle. Besonders kritisierte er die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die mit „kostspieligen Verzögerungen“ die Entwicklung von KI-Modellen behindere. Er plädierte für eine „radikale Vereinfachung“ der Regeln und sprach sich für eine Pause bei der Einführung des EU-KI-Gesetzes aus – zumindest in den Bereichen kritische Infrastruktur und Gesundheitswesen.

Zudem forderte er ein entschlosseneres Vorgehen bei Energiefragen. Zwar solle die EU weiterhin gemeinsam Flüssiggas einkaufen, entscheidend sei jedoch ein viel stärkerer Ausbau erneuerbarer Energien, einschließlich der Kernkraft. „Die Erdgaspreise in der EU liegen immer noch fast viermal höher als in den USA. Industrielle Strompreise sind im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch. Solange diese Lücke nicht kleiner wird, wird der Übergang zur Hightech-Wirtschaft ins Stocken geraten“, betonte Draghi.

Um Investitionen zu beschleunigen, forderte er koordinierte nationale Subventionen, eine Quote für öffentliche Aufträge zugunsten europäischer Unternehmen und ein „Fast-Track“-Verfahren für Fusionen. Gleichzeitig warnte er vor einem Abrutschen in reinen Protektionismus, der einzelne Mitgliedstaaten auf Kosten anderer begünstigen könnte.

Gemeinsame Schulden als Lösung?

Zentraler Punkt bleibt für Draghi die Finanzierung: Europa müsse sich von Tabus lösen und gemeinsame Schulden für große Technologie- und Energieprojekte aufnehmen. „Unsere Wettbewerber in den USA und China sind weit weniger eingeschränkt, selbst wenn sie im Rahmen der Gesetze handeln. Wenn wir weitermachen wie bisher, resignieren wir uns selbst zum Zurückfallen.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verteidigte in Brüssel ihre Arbeit an den Empfehlungen des Draghi-Reports. Sie verwies auf einen geplanten Wettbewerbsfonds im nächsten EU-Haushalt sowie auf ein neues Verteidigungsdarlehensprogramm in Höhe von 150 Milliarden Euro. „Jeder Mitgliedstaat und auch das Europäische Parlament haben den Draghi-Report gebilligt. Wir alle wissen, was getan werden muss. Business as usual funktioniert nicht mehr“, sagte von der Leyen.

Draghis Kernforderungen an die EU

  • Investitionen beschleunigen
  • Bürokratie abbauen
  • KI-Politik anpassen
  • Energiepreise senken

Der Draghi-Report hat die Debatte über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig geprägt. Ein Jahr später fällt die Bilanz ernüchternd aus: Europa verliert an Boden bei KI, Energie und Industriepolitik. Draghi mahnt mehr Geschwindigkeit, weniger Bürokratie und gemeinsame Finanzierungsinstrumente an. Ob die EU den Mut hat, alte Tabus zu brechen und die dringend notwendigen Investitionen zu stemmen, bleibt jedoch offen. Ohne tiefgreifende Reformen droht dem Kontinent ein strukturelles Abgehängtwerden im globalen Wettbewerb.

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