Politischer Druck trifft auf Realität der Transportbranche mit Elektro-Lkw
Heute ist es noch nicht realistisch, dass ein Transportunternehmen einen Elektro-Lkw anstelle eines Diesel-Lkw in seine Flotte aufnimmt. Vielleicht einen oder zwei – und das auch nur mit kräftiger Unterstützung des Auftraggebers.
In den letzten fünf Jahren hat sich der politische Druck zur Dekarbonisierung in der Automobilindustrie massiv erhöht – in kleinerem Umfang, aber mit immer größeren Schritten auch im Transportsektor, also bei der Herstellung von Lieferwagen und Lastwagen. Dies geschieht über Strafzahlungen bei Emissionsüberschreitungen: Seit Juli dieses Jahres kostet jedes überschrittene Gramm den Hersteller – und damit den Kunden – 4.250 Euro. Der Druck wird in den kommenden Jahren noch steigen: Bis 2030 müssen die Emissionen von Lastwagen über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht um 45 Prozent sinken, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent. Das ist nur mit Elektrifizierung möglich, der Diesel hat keine technischen Reserven mehr.
Widerstand der Kunden: Angst vor Kosten und Stillstand
Doch was sagen die Kunden, also die Transportunternehmen? Sie wehren sich mit allen Mitteln. Anfangs war es die Angst vor dem Unbekannten, heute hat diese Angst eine reale Grundlage: Furcht vor Illiquidität, vor unrealistischen Anpassungen der Logistikrouten – von der Beladung im heimischen oder logistischen Depot bis zum Kunden. So sehen Transportunternehmen in der emissionsfreien Antriebsart fast ausschließlich Probleme und keine Chancen.
Und sie haben nicht ganz unrecht. Noch ist es nicht realistisch, dass Spediteure Elektro-Lkw in großem Maßstab einsetzen. Vielleicht ein oder zwei Fahrzeuge, und auch das nur mit kräftiger finanzieller Hilfe der Kunden, die bereit sind, den Transport zum doppelten oder dreifachen Kilometerpreis zu bezahlen – einzig, um ihre Waren klimafreundlich zustellen zu lassen und sich damit ein grünes Image sowie bessere Werte in ihrer Umweltbilanz zu verschaffen. Selbst für diese wenigen Elektro-Lkw müssen die Unternehmen jedoch mehrere Hunderttausend Euro in Ladeinfrastruktur investieren und die Fahrten sowie Ladevorgänge minutengenau planen. Derzeit gibt es dafür kaum praktikable Optionen: Die Infrastruktur hält mit den politischen Zielen nicht Schritt.
Hersteller im Spannungsfeld zwischen Politik und Realität
Die dritte Partei in diesem Geschäft „in den Wolken“ sind die Lkw-Hersteller. Diese versuchen selbstverständlich, sowohl den gesetzlichen Vorgaben als auch den Kundenwünschen gerecht zu werden – schlicht, weil sie keine andere Wahl haben. Sie sind auf den grünen Wandel vorbereitet, doch ihre Kunden sind es nicht. Wann diese so weit sein werden, ist unklar. Klar ist lediglich: Die Hersteller müssen diese Übergangszeit so gesund wie möglich überstehen, am besten mit Gewinn, um die Aktionäre zufriedenzustellen und Mittel für die Weiterentwicklung bereitzustellen.
Dabei gehen sie unterschiedliche Wege: Manche agieren überhastet, andere zu zurückhaltend. Der deutsche Hersteller MAN etwa verfolgt einen Kompromissansatz. In den Sommermonaten stellte das Unternehmen seine Elektro-Lkw, seine Produktionsphilosophie und seine kundenorientierte Strategie vor: flexible Fertigungslinien, die sowohl Diesel- als auch Elektroantriebe produzieren können, lokale Batterieproduktion und intensive Unterstützung für Kunden, damit sie beim Übergang zur grünen Mobilität nicht in eine Sackgasse geraten.
Der Transportsektor ist schwer belastet – nicht nur durch den regulatorischen Druck zum grünen Wandel, sondern auch durch ungelöste Probleme wie Fahrermangel, Verkehrsstaus, das Vordringen unlauterer Konkurrenz aus Ländern mit laxeren Vorschriften, die hohen Kosten der Digitalisierung und vieles mehr. Statt diese Herausforderungen anzugehen, konzentriert sich die Gesetzgebung auf eine grüne Transformation, die derzeit noch ohne wirkliche Grundlage im Alltag der Branche ist.
Transport in der Sackgasse: Warum Spediteure Elektro-Lkw ablehnen
Spediteure hierzulande kämpfen schon heute mit hohen Energiekosten, Fachkräftemangel und dem Druck internationaler Konkurrenz. Eine überhastete Elektrifizierung ohne flächendeckende Ladeinfrastruktur könnte viele mittelständische Transportunternehmen in die Insolvenz treiben. Gleichzeitig droht die deutsche Industrie ihre Rolle als Leitmarkt zu verlieren, wenn die Politik zwar ambitionierte Klimaziele vorgibt, aber die Realität der Transportwirtschaft ignoriert.
Die Zukunft der Transportbranche führt zweifellos in Richtung Elektro-Lkw. Doch solange Infrastruktur, Finanzierung und Praxislösungen nicht mit den politischen Zielvorgaben Schritt halten, bleibt der grüne Wandel ein Projekt „in den Wolken“. Hersteller wie MAN versuchen, durch flexible Strategien den Spagat zwischen Regulierung und Realität zu meistern. Für Spediteure jedoch bleibt die Umstellung vorerst ein riskantes Geschäft – und für Deutschland ein strategisches Risiko im internationalen Wettbewerb.


