Banken-Aktien führen mit Rekordrenditen
Mit einer Rendite von 34 Prozent schneiden die Banken deutlich besser ab als andere Branchen. Doch die Fortsetzung des Wachstums erfordert eine deutliche Beschleunigung der Kreditvergabe, denn allein mit den Margen lässt sich kein weiterer Zuwachs erzielen. Europäische Aktien erleben ein sehr gutes Jahr: Seit Januar verzeichneten sie für die Investoren eine Gesamtrendite von 14 Prozent. Unangefochtener Spitzenreiter sind Banken mit einem Ergebnis von 34 Prozent. Dies ist umso bemerkenswerter, da der Zyklus von Zinssenkungen im Euroraum und in vielen anderen Währungsgebieten eigentlich einen negativen Einfluss auf die Margen des Finanzsektors ausübt. Dennoch liegen die Kurse der Banken-Aktien im September nahe den Jahreshöchstständen und so hoch wie seit 2009 nicht mehr.
Bargeld zieht an
Woher kommt dieser Vorsprung? Einer der Schlüsselfaktoren sind Rekordtransfers von Bargeld an die Aktionäre. Im Jahr 2025 wollen europäische Banken über 110 Milliarden Euro für Dividenden und Aktienrückkäufe verwenden – einer der höchsten Werte in der Geschichte, der die solide Kapitalposition und die starken Fundamentaldaten des Sektors belegt. Die CET1-Kapitalquote übersteigt 16 Prozent, was bedeutet, dass die Banken über einen großen Kapitalpuffer im Verhältnis zu den risikobehafteten Aktiva verfügen. Gleichzeitig bleibt der Anteil notleidender Kredite auf einem sehr niedrigen Niveau, was zeigt, dass sich die wirtschaftliche Abschwächung nicht in einem Kreditportfoliokrise niedergeschlagen hat.
Aus den am 1. August 2025 von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) veröffentlichten Ergebnissen der Stresstests geht hervor, dass selbst bei hypothetischen Verlusten in Höhe von 547 Milliarden Euro die europäischen Banken ihre starke Kapitalposition halten würden. Die durchschnittliche CET1-Quote, also das wichtigste Maß für die Sicherheit des Sektors, würde in einem extrem ungünstigen Szenario nur auf 12 Prozent sinken – ein Wert, der weiterhin einen sicheren Puffer und die Fähigkeit zur Unterstützung der Wirtschaft bietet. Wie die EBA in ihrer Mitteilung betonte: „Die starke Ertragsgenerierung der europäischen Banken ermöglichte es ihnen, Verluste im Szenario extremer Belastungen weitgehend zu neutralisieren.“ Genau diese Fähigkeit, auch unter schweren makroökonomischen Schocks profitabel zu bleiben, macht Banken-Aktien für Anleger so attraktiv. In Anbetracht der wirtschaftlichen Unsicherheit wächst auch die Zahl der Investoren, die auf unterbewertete Unternehmen mit stabilen Ergebnissen und hohen Dividenden setzen. Banken passen perfekt in dieses Profil.
Neben den Banken konnten auch Versicherungen und Telekommunikation überzeugen. Versicherungsunternehmen legten seit Jahresbeginn um 27 Prozent zu und profitierten von einem günstigen Marktumfeld: steigende Prämien, sinkende Schadensinflation und wachsende Renditen der Anlageportfolios stützen stabile Margen und ermöglichen hohe Ausschüttungen an die Aktionäre. Starke Bilanzen machen den Sektor attraktiv für Investoren, die sichere Cashflows suchen.
Telekommunikation stieg um 28 Prozent, angetrieben durch die wachsende Nachfrage nach schnellem Internet und den Ausbau der 5G-Netze. Automatisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz senken die Kosten, während Marktkonsolidierungen und der Verkauf von Infrastrukturanlagen die Kapitalrenditen verbessern. Industriewerte brachten Investoren 23 Prozent Rendite, gestützt durch Rekordinvestitionen in die Energiewende, Automatisierung und Modernisierung der Infrastruktur. Starke Nachfrage nach Komponenten für erneuerbare Energien, Rechenzentren und Elektromobilität – unterstützt durch EU-Fördermittel – kompensiert schwächere Ergebnisse der traditionellen Schwerindustrie. Hinzu kommen Hoffnungen auf eine starke Nachfrage durch Verteidigungsausgaben.
Deutsche Risiken bleiben entscheidend
Trotz der beeindruckenden Ergebnisse dieser Sektoren liegen die Banken klar vorne. Doch kann diese Hausse anhalten? In den kommenden Monaten werden drei Faktoren entscheidend sein. Erstens die Nettozinsmargen. EY prognostiziert, dass in der zweiten Jahreshälfte 2025 der Druck auf die Margen zunehmen wird, da die Zinssenkungen im Euroraum wirken. Den Gewinnen könnte helfen, dass Banken bereits zuvor den Anteil festverzinslicher Aktiva erhöht haben, um günstige Erträge für mehrere Jahre zu sichern.
Zweitens das Kreditwachstum. Der Rückgang der Finanzierungskosten sollte die Nachfrage nach Krediten – insbesondere Hypotheken und Unternehmenskredite – anregen. CFRA Research geht in seinem Basisszenario davon aus, dass das Kreditvolumen in Europa 2025 um rund 6 Prozent im Jahresvergleich wachsen wird. Drittens die Diversifizierung der Einnahmen. Wachsende Bedeutung von Gebühren, Provisionen sowie Asset-Management-Dienstleistungen soll die Ergebnisse in einem Umfeld niedrigerer Zinsen stabilisieren.
Für Deutschland ist die Entwicklung besonders relevant: Ein Konjunkturabschwung in Deutschland und Italien könnte die Kreditnachfrage dämpfen. Gleichzeitig steigen die regulatorischen Kosten durch die Umsetzung von CRR3 – einem neuen EU-Paket von Kapitalvorschriften, das strengere Risikobewertungen und höhere Kapitalanforderungen für Banken mit sich bringt. Für deutsche Banken bedeutet dies: Sie müssen trotz schwacher Konjunktur ihre Kreditvergabe ausweiten, um die Rallye der Banken-Aktien zu stützen.
Stabile Rallye mit Unsicherheiten
EY geht davon aus, dass die durchschnittliche Eigenkapitalrendite (ROE) der europäischen Banken im Jahr 2026 im zweistelligen Bereich bleibt – zwischen 11 und 12 Prozent. Allerdings wird sich die Ertragsstruktur ändern: Mit fallenden Zinsen werden die Zinsmargen nicht mehr der wichtigste Wachstumstreiber sein. Entscheidend werden steigende Kreditvolumina und der Ausbau von Dienstleistungen außerhalb des klassischen Bankgeschäfts. CFRA weist im optimistischen Szenario darauf hin, dass die Bewertung des Sektors vom aktuellen Niveau von rund 1,2 des Buchwerts auf 1,4–1,5 steigen könnte, wenn die hohe Rentabilität anhält und sich die Anlegerstimmung verbessert. Investitionen in Automatisierung, künstliche Intelligenz und digitale Kundenbetreuung werden entscheidend sein, um Kostenvorteile zu sichern, während starke Kapitalpuffer weiterhin hohe Ausschüttungen ermöglichen.
Im pessimistischen Szenario könnte eine tiefere Rezession im Euroraum und anhaltender Regulierungsdruck das Kreditwachstum bremsen und die ROE unter 9 Prozent drücken. Zudem könnte eine Verschlechterung der Kreditqualität in zyklisch anfälligen Sektoren zu höheren Rückstellungen führen, was Gewinne schmälert und eine vorsichtigere Dividendenpolitik erzwingen würde. Selbst in diesem Szenario bleiben die Banken jedoch kapitalstark – ihre Attraktivität als Investment würde aber deutlich sinken.
Auch wenn sich die Konjunktur verschlechtern sollte: Die Banken sind besser aufgestellt als je zuvor – zumindest seit den Zeiten vor der globalen Finanzkrise. Banken-Aktien bleiben daher im Zentrum der Aufmerksamkeit von Investoren.