Politik

Emissionshandel 2027: Klima-Sozialfonds soll Folgen der Teuerung abfedern

In Deutschland sind wegen der hohen Energiepreise, die auch durch den CO₂-Preis getrieben werden, bereits Hunderttausende Arbeitsplätze weggefallen – noch mehr könnten folgen, warnen Experten. Dafür soll der sogenannte Klima-Sozialfonds der EU, finanziert aus eingenommenen CO₂-Geldern, die wirtschaftlichen Folgen des „Green Deals“ ausgleichen.
10.11.2025 08:05
Lesezeit: 5 min
Emissionshandel 2027: Klima-Sozialfonds soll Folgen der Teuerung abfedern
Beim Emissionshandel müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen. Ab 2027 sollen auch Brennstoffe einbezogen werden, was besonders den Verkehrs- und Gebäudebereich betrifft. (Foto: dpa) Foto: Jens Büttner

Emissionshandel 2027: EU plant Klima-Sozialfonds für Preissprünge

Im Jahr 2027 steht eine Reform des Emissionshandels an – klingt kompliziert und vor allem teuer für den Verbraucher. Die EU-Kommission will nun riesige Preissprünge beim Tanken und Heizen ab 2027 verhindern – und dafür in das Handelssystem mit Treibhausgas-Zertifikaten eingreifen. Beim sogenannten Emissionshandel müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen. Ab 2027 sollen auch Brennstoffe einbezogen werden, was besonders den Verkehrs- und Gebäudebereich betrifft.

Brüssel will Preissprung bei Tanken und Heizen verhindern

Bei einem Treffen der Umweltminister der Staatengemeinschaft in Luxemburg schlug EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra den Mitgliedsstaaten unter anderem vor, schneller mehr Zertifikate freizugeben – um mit mehr Angebot den Preis zu senken.

Zuvor hatte es Druck von Mitgliedsstaaten gegeben, gegen die zu erwartenden Preissprünge vorzugehen. Deutschland und rund ein Dutzend andere Länder forderten etwa in einem Brief an die EU-Kommission, „Verbesserungen bereits vor dem Marktstart“ in Betracht zu ziehen.

Was ist das europäische Emissionshandelssystem?

Um Treibhausgase zu verringern, wurde 2005 das sogenannte Emissionshandelssystem (ETS) eingerichtet. Dies gilt bisher für die Industrie und den Energiesektor: Bestimmte Unternehmen müssen Zertifikate für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid (CO2) vorweisen und können nach Bedarf auch damit handeln. Das soll als Anreiz dienen, um Treibhausgase einzusparen.

ETS2: Was sich ab 2027 ändert

Ab 2027 soll das System EU-weit auf das Heizen von Gebäuden und den Verkehr ausgeweitet werden (ETS2). Mit einer steigenden CO₂-Bepreisung soll ein Anreiz für mehr Sparsamkeit sowie zum Umstieg auf klimafreundliche Technologien gesetzt werden – also zum Beispiel auf Elektroautos oder klimafreundlichere Heizungen. Derzeit gilt in Deutschland dafür der nationale Emissionshandel für alle Gebäude und Verkehr. Ab 2027 soll das nationale System durch das europaweite abgelöst werden.

Bislang gibt es in Deutschland einen festen CO₂-Preis, derzeit liegt er bei 55 Euro pro Tonne. Nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz wird für das Jahr 2026 ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro pro Emissionszertifikat und einem Höchstpreis von 65 Euro pro Emissionszertifikat festgelegt. Nach dem EU-weiten Emissionshandel bildet sich der CO₂-Preis dann ab 2027 am Markt.

Die Folge: Sprit- und Gaspreise werden steigen

Viele Experten erwarten, dass Sprit- und Gaspreise mit dem Start des europaweiten Emissionshandels für Verkehr und Gebäude 2027 in die Höhe schnellen. Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kommt etwa zu dem Ergebnis, dass aufgrund der strikten europäischen Emissionsobergrenzen und teilweise geringen Fortschritte beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in Europa der CO₂-Preis für Kraft- und Brennstoffe deutlich steigen wird. Studien zufolge seien Preise von 200 Euro je Tonne möglich.

Der ADAC rechnet beginnend mit 2027 und in den Folgejahren mit Steigerungen von bis zu 19 Cent pro Liter Benzin und Diesel – abhängig davon, wie schnell es beim Klimaschutz vorangeht. Einer Studie des Münchner Forschungsinstituts für Wärmeschutz zufolge könnten von 2027 an starke Kostensteigerungen auf Haushalte zukommen, vor allem für Menschen, die in energetisch schlechten Gebäuden leben.

Der Caritasverband forderte bereits, die Einführung ab 2027 sozial abzupuffern. „Wenn CO₂-Preissteigerungen nicht sozial flankiert werden, dann müssten die Ärmsten die Suppe auslöffeln, die andere eingebrockt haben“, sagte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, jüngst.

Zukünftiger CO₂-Emissionshandel: Was plant die EU-Kommission?

Im europäischen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr soll es laut EU-Kommission 2027 Zertifikate für rund eine Milliarde Tonnen CO₂ geben. Da die Anzahl der Zertifikate die Entwicklung des CO₂-Preises beeinflusst, schlägt EU-Klimakommissar Hoekstra als eine Option vor, ab dem Start von ETS2 schneller mehr Zertifikate freizugeben – um mit mehr Angebot den Preis zu senken. „Wenn die Marktpreise 45 Euro überschreiten, wird ein Top-up-Mechanismus ausgelöst, der das Volumen der freizugebenden Zertifikate verdoppelt“, so der Niederländer. Darüber hinaus sollen alle Zertifikate, die bis Ende 2030 nicht freigegeben wurden, in einer Reserve behalten werden. Eigentlich soll das System 2030 auslaufen.

Die EU-Kommission will in den nächsten Wochen einen formellen Legislativvorschlag mit den Änderungen vorlegen. Dann müssen die EU-Staaten und das Europaparlament darüber beraten, bevor sie in Kraft treten können.

Evonik-Chef fordert Abschaffung des Emissionshandels

Stimmen aus der Industrie wollen stattdessen die Abschaffung des Emissionshandels: Der Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann fordert eine deutliche Reform des europäischen Emissionshandels. „Wir haben das weltweit schärfste CO₂-Gebührenregime, aber das Klima kennt keine Grenzen“, sagte Kullmann der Süddeutschen Zeitung. Er halte es daher für völlig falsch, eine Industrie, die weltweit in der Spitzenklasse spiele, scharf mit zusätzlichen Gebühren zu benachteiligen. Zudem gefährdet die CO₂-Gebühr 200.000 Industrie-Arbeitsplätze.

Das CO₂-Gebührensystem müsse weg, mindestens aber drastisch reformiert werden, sagte Kullmann. Die europäische Industrie werde nur zusätzlich im internationalen Wettbewerb belastet. Zugleich importiere Europa massenweise Produkte aus Ländern mit echten CO₂-Schleudern. „Volkswirtschaftlich ist das für Europa ein Irrsinn“, sagte Kullmann.

Kullmann: „Weltwirtschaftliche Bedingungen haben sich geändert“

Der Emissionshandel müsse geändert werden, weil sich die weltwirtschaftlichen Bedingungen geändert hätten, sagte Kullmann: „Wir erleben gerade einen Epochenwandel. Jeder kämpft für sich, die Industrienationen lösen die globalen Probleme nicht mehr gemeinsam.“ Europas Industrie habe es jetzt mit Wettbewerbern zu tun, die von ihren Regierungen tatkräftig unterstützt würden und noch wesentlich geringere Energie- und Rohstoffkosten hätten.

Auch der geplante Klimazoll, der die europäische Industrie vor Umweltdumping schützen soll, funktioniere nicht: „Europa kann im Zweifel, wenn es hart auf hart kommt, einen solchen Grenzausgleichsmechanismus gar nicht durchsetzen“, sagte der Manager. Die Idee des sogenannten Grenzausgleichsmechanismus sei eine formal-bürokratische Trickserei ohne Effekt.

EU-verwalteter Klima-Sozialfonds für Folgen des „Green Deals“

Die EU hingegen setzt weiter auf den Emissionshandel und auf einen Klima-Sozialfonds, als Ausgleich für die zu erwarteten Teuerungen: Um die zusätzlichen Belastungen des Emissionshandels ab 2027 abzufedern, soll aus dessen Einnahmen ein Milliarden-Klimasozialfonds geschaffen werden.

Bis zu 65 Milliarden Euro soll der Klimafonds bis 2032 über den CO₂-Preis einsammeln und zurück an Bürger und Unternehmen verteilen, die wegen der Klimapolitik der EU in wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Im ersten Jahr (2026) fließen die Erlöse aus der Versteigerung von 50 Millionen CO₂-Zertifikaten aus dem EU-Emissionshandel für Industrie und Energie in den Klima-Sozialfonds. Ab 2027 sollen dann 25 Prozent der Erlöse aus dem freien Zertifikate-Handel in den Topf wandern.

Aber 2027 wird der CO2-Preis nicht mehr staatlich vorgegeben. Der Preis soll dann frei handelbar entstehen. Trotz angekündigter Ausgleichs-Mechanismen der EU, die zu stark steigende Preise abfedern sollen, erwarten zahlreiche Experten Preis-Explosionen für die Tonne CO2 auf bis hin zu einer Vervierfachung. Für die Auszahlung müssen die Mitgliedstaaten Klima-Sozialpläne mit Maßnahmen vorlegen, die mit den zugeteilten Mitteln aus dem Sozialfonds finanziert werden sollen.

Fazit: CO2-Preis macht das Leben teuer und gefährdet Jobs

Der CO2-Preis macht das Leben teurer und bringt Hunderttausende Jobs in Gefahr, nur um ebenjene Bürger mit diesem Geld wieder in Form von Sozialleistungen auszustatten? Es scheint, die Europäische Union hat die wirtschaftlichen Verwerfungen ihrer eigenen Klima-Politik und durch den CO2-Preis bereits erwartet. Ab 2026 fließen Gelder, die durch den CO2-Preis eingenommen werden, in den sogenannten Klima-Sozialfonds. Eigentlich soll dieser Menschen und Unternehmen, die besonders hart vom CO2-Preis getroffen werden, finanziell unterstützen. Doch die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa zeigen: Der Klima-Sozialfonds könnte zum EU-Fonds für Klima-Arbeitslosigkeit werden.

Info CO2-Emissionshandel:

Der CO2-Emissionshandel ist ein marktwirtschaftliches Instrument zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Es handelt sich um ein System, bei dem Unternehmen Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen müssen und damit handeln können.

Beim Emissionshandel müssen Unternehmen für jede Tonne CO2, die sie in die Atmosphäre ausstoßen, eine Berechtigung vorweisen. Diese Berechtigungen können gehandelt werden. Die Gesamtmenge der verfügbaren Zertifikate wird im Laufe der Zeit verringert, wodurch die Zertifikate teurer werden. Dies soll Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen fördern.

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