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Militärexperte Thomas Meuter: Die Bundeswehr befindet sich im Aufrüstungsmarathon mit hohen Kosten

Die Bundeswehr steht vor einem historischen Modernisierungsschub. Im Interview erklärt Militärexperte Thomas Meuter, was die geplanten Projekte bedeuten und welche Herausforderungen auf dem Weg liegen: Mit einem Sondervermögen von 377 Milliarden Euro bis 2029 sollen neue Kampfjets, Panzer, Luftabwehrsysteme, Kriegsschiffe und Cyberfähigkeiten beschafft werden. Doch wie verteilen sich diese Milliarden im Detail? Und welche Großprojekte bestimmen die Modernisierung der Streitkräfte?
06.10.2025 05:30
Lesezeit: 5 min
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Militärexperte Thomas Meuter: Die Bundeswehr befindet sich im Aufrüstungsmarathon mit hohen Kosten
Militärexperte Thomas Meuter gibt Einblick in die Milliarden-Modernisierung der Bundeswehr: F-35 Kampfjets, Leopard-Panzer, Kriegsschiffe und Cyberfähigkeiten stehen auf der Agenda (Foto: dpa).

DWN: Die Bundeswehr steht vor einem großen Modernisierungsprogramm, von dem auch die nationale Rüstungsindustrie profitiert. Welche Großprojekte sichern ihr dabei den größten Anteil?

Thomas Meuter: Auf der Einkaufs- und Modernisierungsliste der Streitkräfte stehen sehr viele Projekte, die wichtig und unverzichtbar für die Aufgabenstellung der Bundeswehr sind. Ich versuche einmal einen groben Überblick über die wichtigsten Modernisierungsvorhaben der Luftwaffe und des Heeres zu geben, bei der es um Milliardeninvestitionen geht.

Die deutsche Luftwaffe wird in den kommenden Jahren die amerikanische F-35A als Nachfolger für den veralteten Tornado erhalten. Insgesamt werden 35 dieser hochmodernen Kampfflugzeuge aus den USA beschafft. Mit der F-35A werden spezielle Luftkriegsfähigkeiten abgebildet, wie das Unterdrücken der gegnerischen und bodengebundenen Luftverteidigung sowie die nukleare Teilhabe Deutschlands, die mit dem Tornado aus technischen Gründen bald nicht mehr möglich ist. Deutschland baut Teile für die F-35 und ist damit auch in der Lage, an diesem aufwendigen Stealth-Programm mitzuwirken, um technische Komponenten hier mit einzubringen. Dies ist eine Handreichung der amerikanischen Industrie gewesen, die dankbar angenommen worden ist. Das Unternehmen Rheinmetall fertigt diese Komponenten für die F-35A in der Zukunft und dies in einem eigenen Werk. Dabei ist das F-35A-Programm ist für Deutschland besonders kostenträchtig: Die Beschaffung von 35 Kampfjets dieses Typs samt Ausrüstungspaket, Infrastruktur, Ersatzteilen, Bewaffnung und Wartung schlägt mit rund 10 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr zu Buche. Damit gehört die F-35A zu den größten und teuersten Posten. Hinzu kommen neue Eurofighter sowie Kampfwertsteigerungen anderer fliegender Systeme der Luftwaffe.

Ein weiterer Punkt ist die bodengebundene Luftverteidigung, die in Deutschland fast nicht mehr existiert, da man hier seitens der Regierung in den vergangenen Jahren viele Patriot-Waffensysteme zur Luftverteidigung an andere Länder abgegeben hat. Hinzu kam, dass die Heeresflugabwehr als Waffengattung abgeschafft wurde, was ein fataler Schritt war und die Bundeswehr weiter schwächte. Es müssen hier zunächst neue und leistungsgesteigerte Lenkflugkörper des Typs Patriot aus den USA beschafft werden. Hinzu kommen die im Bau befindlichen IRIS-T SLM Kurzstreckenlenkwaffensysteme, die von dem deutschen Unternehmen Diehl Defence geliefert werden. Die IRIS-T ist eine Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete, die etwa 400.000 Euro pro Stück kostet, während ein komplettes Boden-Luft-System wie IRIS-T SLM etwa 140 Millionen Euro kostet. Der Preis hängt stark davon ab, ob es sich um einzelne Raketen oder ein vollständiges System handelt, das Radar und Abschussvorrichtungen einschließt.

Diehl Defence als Generalunternehmer mit seinen Partnern HENSOLDT und Airbus haben der Luftwaffe die erste Feuereinheit schon planmäßig zur Verfügung gestellt. Mit der Beschaffungsmaßnahme wird eine bestehende Fähigkeitslücke im Bereich der bodengebundenen Luftverteidigung bei der Bundeswehr geschlossen und eine Stärkung der Landes- und Bündnisverteidigung erreicht. Zugleich markiert die Beschaffung von IRIS-T SLM für Deutschland den Auftakt der European Sky Shield Initiative (ESSI), dem sich weitere Nationen anschließen können.

Weitere Modernisierungen und Käufe erfolgen auf dem Feld der unbemannten Systeme. Hier erfährt die israelische Drohne Heron TP eine Umstellung von Leasing auf Kauf und zusätzliche Systeme zur Aufklärung/Targeting sollen beschafft werden. Das deutsche Heer hat ebenfalls einen sehr hohen Bedarf an neuen Systemen aller Art zu verzeichnen. Darunter fallen Kampf-, Schützenpanzer- und Radfahrzeuge, die meist von Rheinmetall oder KNDS (ehemals Krauss-Maffei Wegmann) gefertigt werden.

Der Leopard 2 A8 wird in diesem November an die Truppe ausgeliefert, während die Panzerflotte der Leos nach und nach kampfwertgesteigert wird. Die Bundeswehr plant, ihre Leopard 2-Flotte auf über 400 Panzer aufzustocken, um ihren aktuellen Bestand von etwa 300 Panzern zu erweitern. Eine Bestellung von 123 neuen Leopard 2 A8 ist bereits bei KNDS von der Bundeswehr erfolgt, die zwischen 2025 und 2030 geliefert werden sollen. Ein kurzer Zeitraum für die Bestellung. Dies ist Teil einer umfassenderen Strategie, den Kampfpanzer Leopard 2 noch für mehrere Jahrzehnte in der Bundeswehr aber auch anderen Nationen im Dienst zu halten und seine Fähigkeiten durch zahlreiche Modernisierungen zu verbessern. Die Kosten für die 105 optionalen Leopard 2 A8 belaufen sich auf etwa 2,93 Mrd. Euro, inklusive Betriebskosten für die ersten zehn Jahre.

Die Bundeswehr plant ferner, in den nächsten zehn Jahren für 25 Milliarden Euro insgesamt 1.000 Kampfpanzer Leopard 2 und 2.500 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Boxer in unterschiedlichen Versionen zu beschaffen. Ein wesentlicher Teil dieser Bestellung soll bereits bis 2029 ausgeliefert werden. In der Tat ein sehr straffer Zeitplan für die Industrie. Der Schützenpanzer Puma erhält ebenfalls in der näheren Zukunft technische Verbesserungen und die bestehende Boxer-Flotte bei der Bundeswehr wird bis dahin um das Modell „Schakal“ erweitert, was einen Puma-Turm erhält und der zu einem Radschützenpanzer für die mittleren Kräfte der Bundeswehr gebaut wird.

Ein hoher Investitionsfaktor sind die Munitionsbeschaffungskosten der Bundeswehr, die je nach Art der Munition stark variieren. Ein großer Rahmenvertrag für Artilleriemunition wurde bei Rheinmetall im Wert von 8,5 Mrd. Euro abgeschlossen, damit die Bestände des Heeres aufgefüllt werden konnten, die praktisch seit Jahren fast leer waren, was die Politik wusste aber erst jetzt reagierte, und dies hat seinen Preis.

DWN: Nun bleibt noch die Marine und die Cyber-Truppe als Bedarfsträger übrig. Was ist hier an neuen Beschaffungen für 377 Mrd. zu erwarten?

Thomas Meuter: Die Marine soll nach den derzeitigen Planungen neue Fregatten des Typs F126 (Niedersachsenklasse) erhalten. Allerdings gestaltet sich dies als nicht unproblematisch. Es gibt hier zahlreiche ungelöste Probleme, die möglicherweise das Aus für das F126-Bauvorhaben der Marine bedeuten könnten. Die Gesamtkosten für die ursprünglich sechs geplanten Fregatten des Typs F126 belaufen sich auf fast 10 Milliarden Euro, wobei die ersten vier Schiffe ursprünglich für rund 5,5 Milliarden Euro vorgesehen waren, jedoch aufgrund von Inflation auf über 6,7 Milliarden Euro gestiegen sind. Zusätzlich kostet die Beschaffung von zwei Schiffen dieses Typs weitere 3,18 Mrd. Euro, was zu einer deutlichen Kostensteigerung im Vergleich zum ursprünglichen Plan führt. Die Kosten für die neuen F127-Fregatten werden ebenfalls auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt, wobei Experten von einem Auftragsvolumen von rund 15 Milliarden Euro für die deutschen Schiffe sprechen.

Die Bundeswehr plant, sechs dieser neuen Flugabwehrfregatten ab 2035 zu erhalten, um ihren NATO-Verpflichtungen nachzukommen. Doch diese Schiffe braucht die Marine dringend, um ihre Aufgaben in der Landesverteidigung zu erfüllen genauso wie das neue Uboot vom Typ 212 CD (Common Design). Die Kosten für vier neue U-Boote der neuen Klasse 212 CD für die deutsche Marine belaufen sich auf rund 4,7 Mrd. Euro, wie der Haushaltsausschuss des Bundestages im Dezember 2024 beschloss. Dieser Betrag enthält auch Ersatzteilpakete für die Schiffe und das Training der Besatzungen.

Mit dieser Auftragslage ist die deutsche Werftindustrie für die kommenden Jahre gut ausgelastet, denn auch hier sind die industriellen Kapazitäten erheblich abgebaut worden und Kriegsschiffe sind heute nicht so einfach zu entwickeln und zu bauen. Kriegsschiffbau benötigt ein starkes industrielles Know-how und viel technische Erfahrung, die national noch vorhanden ist. Ebenso sind neue Lenkwaffensysteme für die Marine geplant, welche aus norwegischer oder US-Produktion stammen. Die Unternehmen Kongsberg und Raytheon sind daran beteiligt. Die deutsche Marine plant ebenso die Integration neuer Rohrwaffen wie die MSI-Systeme auf den zukünftigen Schiffen. Für die Nahbereichsabwehr wird zudem das Rheinmetall Sea Snake 30 mm Waffensystem entwickelt.

Der ungemein wichtige Cyberbereich der Bundeswehr, um sich auch zukünftig besser im Informations- und Cyberraum verteidigen zu können, ist sehr breit beschaffungstechnisch gestaffelt und reicht von entsprechenden Soft- und Hardwarelösungen. Die Bundeswehr setzt hierbei auf die Beschaffungen von vielfältige Cybertechnologien, darunter neue KI´s für die Abwehr von Cyberangriffen, Multi-Orbitale Satellitenkommunikation, Cloud Computing für eine verteilte IT-Infrastruktur und Quantencomputer zur Abwehr von Cyberangriffen und für die sichere Schlüsselverteilung. Des Weiteren kommen virtuelle Simulationen (Virtual Battle Space) zur Ausbildung, digitale Systeme zum Schutz kritischer Infrastrukturen und die multi-sensorische Datenfusion (MSDF) zur Erstellung umfassender Lagebilder im Einsatz. Bis zu dem Jahr 2029 besteht ein gesamter zusätzlicher Mindestinvestitionsbedarf von geschätzten 83 Mrd. Euro in die digitalen Fähigkeiten der Streitkräfte. Das ist eine sehr hohe Summe, die aber nötig ist, um die militärischen Erfordernisse zunächst zu decken. Hier stehen wir noch am Anfang einer Ausrüstung unserer Cyberabwehrtruppe.

Doch Beschaffung ist nur ein Teil der Herausforderungen – im zweiten Teil unseres Gesprächs mit Thomas Meuter geht es um die Hindernisse, Chancen und die Rolle Europas in der Zukunft der Bundeswehr.

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