Immobilien

Wohnungsnot in Deutschland größer als gedacht: 1,2 Millionen Wohnungen fehlen

In Deutschland fehlen mehr Wohnungen als bislang geschätzt wurde. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die auch herausarbeitet, warum dadurch auch die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gefährdet ist.
12.10.2025 16:00
Lesezeit: 4 min
Wohnungsnot in Deutschland größer als gedacht: 1,2 Millionen Wohnungen fehlen
Blick auf ein Wohnhaus in Eidelstedt. Angesichts von Wohnungsmangel und hoher Zuwanderung erwarten Experten auch 204 einen deutlichen Anstieg der Mieten in Deutschland (Foto: dpa). Foto: Georg Wendt

Wohnungsnot in Deutschland: Ohne staatliche Förderung kommt der Wohnungsbau nicht in Gang

Wie eine aktuelle Studie des Pestel-Instituts errechnet hat, fehlen allein in Westdeutschland aktuell schon 1,2 Millionen Wohnungen. Das ist nicht einfach nur ein Problem für Wohnungssuchende, es behindert auch die Mobilität von Arbeitskräften, was wiederum die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ausbremst, da Fachkräfte Probleme bekommen, den Wohnort zu wechseln, um an einem anderen Ort eine Position zu besetzen, wo sie dringend gebraucht werden. Der eklatante Arbeitskräftemangel in bestimmten Bereichen wird dadurch zusätzlich angeheizt.

Die Vollbremsung im Wohnungsbau wird ohne eine massive Förderung des Wohnungsbaus von staatlicher Seite nicht zu beseitigen sein. Darüber sind sich die Bauindustrie und die Fachleute des Instituts einig. Die amtierende Bauministerin Verena Hubertz von der SPD hat allerdings eine optimistische Einstellung zu der weiteren Entwicklung, wie sie anlässlich der Eröffnung der Münchner Immobilienmesse Expo Real bekanntgab.

Das sieht der Chefökonom Günther vom Pestel-Institut allerdings ganz anders. Er brachte zum Messeauftakt klar zum Ausdruck, dass das Erstarren des Wohnungsmarktes auch zu einem Stillstand des Arbeitsmarktes führt, weil die Menschen nicht mehr umziehen können. Für ihn ist „die Lösung der Wohnungsfrage Voraussetzung der wirtschaftlichen Entwicklung.“

Bau-Turbo und Milliardenförderungen sollen die Bauwirtschaft anschieben

Im Bundesbauministerium ist der Ernst der Lage verstanden. Wie Bauministerin Hubertz gerade erst betonte, soll der beschlossene „Bau-Turbo“ schon in dieser Woche durch den Bundesrat gehen und dann sofort wirksam sein. Der Bau-Turbo hat zum Ziel, die überbordende Bürokratie in der Bauwirtschaft deutlich zu verschlanken und so Bauprojekte schnell und effizient zu realisieren. Dabei sollen die bislang jahrelang andauernden Genehmigungsverfahren bis auf wenige Monate zusammengeschrumpft werden. Die Kommunen sollen dann in der Lage sein, die Bauvorhaben zeitnah genehmigen zu können.

Hubertz betonte außerdem, dass die Fördermittel für den Wohnungsbau signifikant erhöht werden sollen. Aktuell geplant sind 23,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau und zusätzlich noch einmal 11 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Die Bauministerin unterstrich, dass dadurch die Planbarkeit für die Baubranche gewährleistet werden kann. Außerdem soll das Baugesetzbuch spürbar verschlankt werden ab Anfang nächsten Jahres.

Reduzierte Gesetze im Baugesetzbuch sollen den Bau von Wohnungen einfacher machen

Wie Bauministerin Hubertz ausführte, will sie eine Reihe von Vorschriften im Baugesetzbuch für eine befristete Zeit aussetzen. Das soll dazu führen, dass Gemeinden innerhalb von zwei Monaten ein Bauvorhaben prüfen und genehmigen können. Das soll nicht nur im Neubau helfen, sondern auch sogenannte Umnutzungen und auch Aufstockungen erleichtern. Dort, wo es keine Bebauungspläne gibt, könnten dann auch Gebäude genehmigt werden, die sich nicht optimal in die Umgebung einfügen. Zusätzlich sollen Lärmschutzregelungen gelockert werden und auch Erleichterungen für den Bau im Außenbereich geschaffen werden.

Kritik und Zweifel am Bau-Turbo von Fachleuten – sie fordern andere Maßnahmen

Der sogenannte Bau-Turbo wird von Fachleuten aus der Branche kritisch beäugt. Wie Peter Hübner, der Präsident des Bauindustrie-Verbands, ausführte, fürchtet er, dass die kommunalen Baubehörden mit vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht zurecht kommen werden und Angst haben, Fehler zu machen, die sie dann ausbaden müssen.

Auch an der staatlichen Förderung von Bauprojekten gibt es Kritik. Die Bauindustrie sowie das Pestel-Institut plädieren dafür, dass die staatliche Förderung alle Wohnungsbauprojekte umfassend fördern sollte und nicht nur den sozialen Wohnungsbau. Hübner forderte weitere Steuererleichterungen für Bauherren. Diese sind auch in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben, wie Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) unterstrich. Er hofft, dass diese für das kommende Jahr dann auch kommen werden.

Pestel-Chefökonom Günther ist der Überzeugung, dass auch günstige Kredite, die eben nicht an Klimastandards gebunden sind, sinnvoll sind. Er hält den leichten Anstieg an Baugenehmigungen in diesem Jahr noch nicht für ein positives Signal für eine Belebung der Baubranche, denn die Realisierung der Bauvorhaben sei damit ja noch nicht geschafft.

Bis zu fünf Prozent Leerstände bei Wohnungen in Westdeutschland

Bei den vom Pestel-Institut errechneten 1,2 Millionen Wohnungen, die allein in Westdeutschland fehlen, wurden bereits alle Wohnungen herausgerechnet, die schön länger als ein Jahr leer stehen. Hier ist man davon ausgegangen, dass diese Wohnungen gar nicht mehr am Markt angeboten werden. In vielen Landkreisen beträgt diese Quote bereits fünf Prozent des gesamten Wohnungsbestandes. Dabei wurde analysiert, dass gerade ältere Vermieter Angst vor einer Neuvermietung haben. Das Pestel-Institut hält deshalb auch eine Lockerung des Mieterschutzes für notwendig, um Mietnomaden und andere unbequeme Mieter schneller loswerden zu können. Außerdem wurde ermittelt, dass sehr viele Singles in Wohnungen leben, die eigentlich für einen einzigen Menschen zu groß sind. Insgesamt zwei Millionen Single-Haushalte verfügen nach der Analyse über eine Wohnfläche von über 100 Quadratmetern.

Die Wohnungsbaukrise dauert nun schon drei Jahre an

Die Baustellen sind also vielfältig für Bundesbauministerin Verena Hubertz. Auf der einen Seite will sie mit strengeren Vorschriften und schärferen Strafen gegen Mietpreisverstöße am Mietmarkt vorgehen. Sie spricht dabei auch von Bußgeldern, die dann empfindlich weh tun werden. Die Mietpreisbremse ist für sie ein wichtiges Instrument, um die Bestandsmieten nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Auf der anderen Seite muss sie Anreize schaffen, die den Wohnungsbau antreiben und schnell viel neuen Wohnraum schaffen. Sie sieht aber auch viel Potenzial für das Bauen im Bestand, bei dem an aus einer großen Wohneinheit dann eben zwei machen könnte. Zusätzlich erklärte sie zum Ziel, die Baukosten zu senken.

Deutschland steht also vor einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Herausforderung, um die Baukrise zu bewältigen Was sich schon in den Vorjahren abzeichnete, hat sich nun zu einem Flächenbrand entwickelt – die Folgen treffen nicht nur den Wohnungsbau, sondern auch Infrastrukturprojekte und den sozialen Zusammenhalt. Bauunternehmen bremsen Investitionen, Projekte werden gestrichen, Mieter suchen vergeblich nach bezahlbarem Wohnraum. Damit wird die Krise nicht nur zu einem Problem für bestimmte Branchen, sondern zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema.

Fachkräftemangel als zusätzlicher Brandbeschleuniger der Wohnungsnot in Deutschland

In der Baubranche ist auch der Fachkräftemangel ein Dauerthema. Staatliche Hilfen und die Lockerung von Gesetzen alleine werden das Problem nicht lösen. Auch personell sieht es düster aus im Baugewerbe. Es fehlen sehr viele Spezialisten – vom Handwerk bis zur Ingenieurplanung. Auch das wird den Bau-Turbo und die geplanten Maßnahmen behindern. Deshalb wird zusätzlich auch eine gezielte Bildung, Weiterbildung und gegebenenfalls auch Fachkräftezuwanderung unvermeidlich sein, um dieses Problem zu lösen.

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