Europa: Neue Märkte für Aufrüstung durch geopolitische Wende
Traditionell exportierte nordeuropäische Staaten wie z.B. Schweden seine Rüstungsgüter vor allem in die nordischen und baltischen Staaten sowie nach Großbritannien. Doch die Investitionen in diesen Ländern steigen rasant, und zugleich öffnen sich neue Märkte für schwedische Verteidigungstechnologie. „Polen, Deutschland, Frankreich und Tschechien sind vier gute Beispiele für Länder, in denen sich unsere Kooperationen in jüngster Zeit deutlich vertieft haben. Und damit auch die Geschäftsbeziehungen“, sagt Robert Limmergård, Generalsekretär der schwedischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie-Organisation (SOFF)
Auch in Italien und den Niederlanden wachse das Interesse an schwedischer Rüstungstechnologie, bestätigt Niklas Grybe, Programmleiter für Verteidigung und Sicherheit bei Business Sweden. Limmergård betont, dass die gesamte Branche auf Vertrauen und politische Beziehungen angewiesen ist. „Wir sehen derzeit, dass sich vor allem Schweden stärker in Richtung Deutschland orientiert. Das eröffnet auch neue Geschäfte für kleinere Unternehmen.“
Bundeskanzler Friedrich Merz hat angekündigt, dass Deutschland in den kommenden vier Jahren seine jährlichen Verteidigungsausgaben auf rund 156 Milliarden Euro verdoppeln will. Geplant sind große Beschaffungen von Kommunikationsausrüstung, Fahrzeugen, Munition, Logistikmaterial, Kriegsschiffen, Flugzeugen, Raketen und satellitengestützter Kommunikation. Obwohl Deutschland über eine starke eigene Rüstungsindustrie verfügt, rechnet Grybe damit, dass schwedische Unternehmen künftig bei zahlreichen Projekten als Zulieferer beteiligt sein werden.
In den vergangenen zwölf Monaten war allerdings Frankreich der aktivste Partner der schwedischen Verteidigungswirtschaft, berichtet Grybe. Während beide Länder früher oft im Wettbewerb standen, habe sich das Verhältnis durch mehrere große Deals spürbar verbessert. Schweden kaufte Radarsensoren von Thales, während Frankreich den Kauf des Aufklärungsflugzeugs GlobalEye von Saab vorbereitet. „Das war ein strategisch sehr wichtiger Deal“, betont Limmergård. „Solche Handelsmuster und sicherheitspolitischen Kooperationen schaffen Vertrauen – und damit neue Aufträge auch für kleinere Unternehmen.“
Nordamerika: Milliardenmärkte durch Trumps Rüstungspläne
In den USA sollen die Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr um 13 Prozent steigen. Präsident Donald Trump hat drei neue Verteidigungsdekrete unterzeichnet, die Beschaffungsprozesse vereinfachen, Bürokratie abbauen und das Militär stärken sollen. „Neben vereinfachten Exportverfahren für Verbündete soll auch die kommerzielle und militärische Schiffbaukapazität der USA wiederaufgebaut werden“, sagt eine gut informierte Quelle aus Washington D.C. gegenüber Dagens Industri.
Für die europäische Rüstungsindustrie eröffnen sich damit enorme Chancen, insbesondere in den Bereichen Radartechnik, Flugverkehrsüberwachung, Munition und autonome Systeme. „Für viele unserer Unternehmen geht es nicht nur um Waffen“, erklärt Peter Ekdahl, Leiter Nord- und Südamerika bei Business Sweden. Auch sogenannte Dual-Use-Technologien, also Systeme mit ziviler und militärischer Nutzung, rücken in den Fokus,etwa Raumfahrttechnik für das neue US-Raketenabwehrprojekt Golden Dome.
Schwedens Rüstungsriese Saab hat bereits mehrere Giraffe 4A-Radarsysteme in Kooperation mit BAE Systems an die US-Luftwaffe geliefert und zuvor das Marine-Radar Sea Giraffe an die US-Marine verkauft. Zudem kaufte die US-Armee Saabs Panzerabwehrsystem AT4, ein Auftrag im Wert von rund 410 Millionen Euro.
Auch Kanada verstärkt seine Rüstungsausgaben und plant bis spätestens 2028 den Kauf von zwölf neuen U-Booten im Wert von etwa 35 Milliarden Euro. „Das Interesse kleiner und mittlerer Rüstungsunternehmen wächst, vor allem in Kanada und den USA, wo die Vergabeverfahren planbarer sind als in Südamerika“, sagt Ekdahl.
Südamerika: Politische Hürden bremsen, Chancen bleiben groß
Das US-Verteidigungsministerium Pentagon schlägt in seiner neuen Sicherheitsstrategie eine Neuausrichtung auf den westlichen Hemisphäre vor: weg vom jahrzehntelangen Fokus auf China. Das veranlasst auch einige Länder in Lateinamerika, ihre Verteidigungsetats zu erhöhen. Neben äußeren Bedrohungen spielen organisierte Kriminalität und innere Instabilität eine wachsende Rolle. „Es geht nicht mehr nur um äußere Feinde, sondern um innere Stabilität. Hier wird die zivile Sicherheitsdimension, also Dual-Use-Technologie, zentral“, erklärt Andreas Rentner, Schwedens Handelskommissar in Brasilien.
Peru steht kurz davor, den Kauf von 24 Kampfflugzeugen des Typs Gripen E/F trotz Konkurrenz durch den US-F16 und den französischen Rafale zu beschließen. Der Vertrag hätte einen Wert von 2,9 Milliarden Euro.
Auch Kolumbien zeigt Interesse, doch innenpolitische Konflikte verzögern Entscheidungen. Das ist ein Problem, das sich bereits beim 17 Jahre dauernden Gripen-Deal mit Brasilien zeigte. „Es ist anspruchsvoll, in Lateinamerika Fuß zu fassen: sprachlich, rechtlich und politisch“, sagt Ekdahl. Kleinere Rüstungsunternehmen hätten oft nicht die Mittel, um sich in den komplexen Ausschreibungssystemen zurechtzufinden.
Asien: Europa profitiert von wachsender Nachfrage
Wachsende geopolitische Spannungen, die Angst vor einer zu großen Abhängigkeit von den USA und rapide steigende Militärbudgets machen Asien zu einem zentralen Wachstumsmarkt für schwedische Rüstungsunternehmen. „Wir sehen ein starkes Interesse mehrerer asiatischer Staaten, ihre Verteidigungsfähigkeiten insbesondere bei Kampf- und Trainingsflugzeugen, Sensorik, elektronischer Kriegsführung und autonomen Systemen zu modernisieren“, sagt Saab-Pressesprecher Mattias Rådström.
Thailand nutzt bereits Gripen C/D und hat kürzlich die neueste Version Gripen E/F bestellt. Eine mögliche Gripen-Bestellung der Philippinen dürfte durch den Thailand-Deal neuen Auftrieb erhalten. „Ein Verkauf von Gripen nach Japan oder Südkorea steht derzeit nicht auf der Agenda“, heißt es von Saab. Beide Länder seien jedoch „demokratische Partner mit großem Potenzial“.
Auch Bofors und Hägglunds verzeichnen wachsende Präsenz in der Region. Zudem expandieren viele kleinere europäische Nischenanbieter (von Abhörschutzsystemen bis zu Zielfernrohren) in den asiatischen Markt, berichtet Emil Akander, Asienchef von Business Sweden. „Diese zunehmende Präsenz kleinerer Unternehmen zeigt, wie stark die Verteidigungsbudgets hier sind“, sagt Akander. „Viele Länder wollen ihre Abhängigkeit von amerikanischer Rüstung verringern.“
Ozeanien: Australien rüstet gegen China auf
Australien steht vor der größten militärischen Umstrukturierung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Angesichts der wachsenden chinesischen Militärmacht und des Drucks aus Washington investiert Canberra massiv in Verteidigung. Das Land hat selbststeuernde Drohnen, U-Boote und japanische Fregatten der Mogami-Klasse bestellt. „Es gibt einige Nischenchancen für Saab und andere Unternehmen in den neuen australischen Programmen“, sagt der Verteidigungsexperte Ross Babbage, Leiter des Thinktanks Strategic Forum. Besonders bei Sensor- und Kommandosystemen für die Mogami-Fregatten oder bei modifizierten Landfahrzeugen der Armee könnten sich Kooperationsmöglichkeiten ergeben. Babbage erwartet zudem erhebliche Investitionen in den Zivilschutz, wo Australien profitieren könnte.
Europas Firmen im Rüstungsfieber
Die globale Aufrüstung eröffnet der schwedischen Rüstungsindustrie von der Radar- und Raumfahrttechnologie über Cyberabwehr bis hin zu autonomen Waffensystemen gewaltige Chancen. Mit engeren sicherheitspolitischen Partnerschaften in Europa, Nordamerika und Asien positioniert sich Schweden zunehmend als strategischer Akteur im neuen Rüstungszeitalter.

